Von Burkhard Müller-Ullrich

Die "Welt" entdeckt Karl Marx im Schaffen und Wirken von Margaret Thatcher, "FAZ" und "SZ" berichten über eine schwer erstrittene Restitution eines Gemäldes an die Erben des Kunsthändlers Alfred Flechtheim und die SZ hat mit einem Investor von der Deutschen Bank gesprochen.
Wer, bitteschön, schreibt so über die gerade verstorbene Margaret Thatcher?

"Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen als die gefühllose, bare Zahlung. ( ... ) Alles Stehende und Ständische verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen."

Das Zitat ist stupend, ausgegraben hat es Alan Posener von der WELT, und es stammt von niemand anderem als Karl Marx, der die zur Herrschaft gekommene Bourgeoisie als eine revolutionäre Kraft im Auge hatte. Als eine solche revolutionäre und insofern auch zerstörerische Kraft beschreibt Posener Großbritanniens Eiserne Lady, und man merkt diesem Text an, dass Marx und Großbritannien für ihn Herzensthemen sind.

"Thatcher zerschlug nicht nur die Gewerkschaften, in einem Bürgerkrieg, bei dem es Tote und Verletzte gab. Sie zerriss das Netzwerk der Privilegierten, jagte die Old Boys aus ihren Ledersesseln, machte Großbritannien zu einem Paradies für Neureiche und Aufsteiger, schuf die Bedingungen dafür, dass eine neue Oberschicht aus Popstars, Sportlern, Journalisten und Künstlern das Gesicht von 'Cool Britannia' prägte: die Spice Girls, David Beckham und Damien Hirst sind die legitimen Kinder dieser Ära,"

schreibt Posener in der WELT und summiert damit, was in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG auf einer ganzen Seite ausgebreitet wird - allerdings dort mit dem obligaten Abscheugestus. Johan Schloeman beklagt nicht nur, dass Thatcher

"England unenglischer, Großbritannien unbritischer gemacht"

habe, sondern findet auch:

"Der moderne Konservativismus - in seiner scheinbar harmonischen Verbindung von verläßlichen, traditionellen Werten, nationalem Patriotismus, Förderung des privaten Unternehmertums und globalisierungsoffener liberaler Wirtschaftspolitik - zerstört genau das anständige Leben, das er zu bewahren behauptet."

Leider verrät der Autor nicht, wo und von wem das anständige Leben statt dessen bewahrt wird.

Sowohl die SÜDDEUTSCHE als auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichten über die bevorstehende Restitution eines Gemäldes von Oskar Kokoschka an die Erben des Düsseldorfer Kunsthändlers Alfred Flechtheim. Die Stadt Köln, in deren Museum Ludwig das Werk hängt, tut das nicht ganz freiwillig, sondern nachdem die von der Bundesregierung vor zehn Jahren eingesetzte Limbach-Kommission eine entsprechende Empfehlung gab. Flechtheim, der von den Nazis schon vor der Machtübernahme als Kunstjude diffamiert und bedroht worden war, ging im Mai 1933 ins Exil unter Zurücklassung seines Galeriebestands, der von seinem ehemaligen Geschäftsführer abverkauft wurde. So kamen zahlreiche Bilder in verschiedene Museen, die - so Stefan Koldehoff in der FAZ -

"den betagten Flechtheim-Erben bislang mitgeteilt haben, es gebe weder Gesprächsbedarf noch eine Notwendigkeit, die Limbach-Kommission anzurufen."

Deshalb haben gleich mehrere deutsche Museumsdirektoren mit Spannung auf die Entscheidung in diesem Kölner Fall gewartet.

Friedhelm Hütte hingegen, laut Visitenkarte "Global Head of Art" der Deutschen Bank, dürfen wir uns als einen glücklichen Mann vorstellen. Der Chef der bankeigenen Kunstsammlung hat gerade in Berlin ein Kunstereignis der besonderen Art organisiert. 24 Stunden lang durfte, wer wollte und noch einen Platz fand, ein selbstgemachtes Kunstwerk in der bankeigenen Kunsthalle ausstellen.

"Die Resonanz war phänomenal,"

schreibt Thorsten Schmitz in der SZ.

"Schon früh am Morgen wand sich eine kilometerlange Schlange von der Kunsthalle über den Bebelplatz bis zur Hedwigs-Kirche."

Und auch das Publikum drängte sich in Massen. Drei Künstlern wurde von einer Jury sogar die Möglichkeit einer zweiwöchigen Einzelausstellung zugesprochen, und wer Hüttes Geschmack getroffen hat, kann sich auf noch mehr freuen. Der SZ sagte er:

"Wir haben vor, einige Werke abzukaufen."

Ab oder an - egal, Hauptsache Kaufen.