Von Burkhard Müller-Ullrich
In der "Süddeutschen" rechnet der Theologe Friedrich Wilhelm Graf mit Benedikts XVI. ab. Außerdem in den Feuilletons: die Reform der Académie Française und die Pläne für den zukünftigen Ort der Staatlichen Gemäldesammlung in Berlin und deren mögliche Zusammenlegung mit der Skulpturensammlung.
Er ist also weg. Der Papst ist vom Stuhl Petri heruntergestiegen und zu einem einfachen Mönch geworden. Zeit für viele Feuilletons, die Amtszeit Benedikts XVI. noch einmal rückblickend zu bewerten oder in Vorblick auf die am Montag beginnende Kardinalsversammlung die Lage der katholischen Kirche überhaupt zu erörtern.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG setzte sich der protestantische Theologe Friedrich Wilhelm Graf in scharfer Form mit Joseph Ratzingers Denken und Wirken auseinander. Es war eine Abrechnung, in der sich einiger Ärger über Ratzingers bekannten Antiprotestantismus entlud.
"Alle von ihm erlittenen Übel der Moderne," heißt es da, "von der 'sinnleer' abstrakten Kunst und atonalen Musik bis hin zum moralischen Pluralismus und 'liberalistischen Individualismus' führt Ratzinger auf den unruhigen, auch zersetzenden Geist eines protestantischen Christentums zurück, das mit der Proklamation der 'Freiheit eines Christenmenschen' nur die Kirche als Institution geschwächt und die substanzielle Einheit eines christlich integrierten Gemeinwesens unterminiert habe."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG machte sich der Politologe und Philosoph Otto Kallscheuer sehr konkrete Gedanken über den nächsten Papst. Aus welcher Weltgegend wird er kommen? Von welchen politischen, sozialen, spirituellen Erfahrungen wird er geprägt sein?
"Ein echter Traditionalist aus Alteuropa hätte heute in der katholischen Weltkirche keine Chance mehr,"
erklärt Kallscheuer, und hält etwas bisher Undenkbares heute erstmals für möglich: einen nordamerikanischen Papst.
"Er käme aus einer großen, auch durch Immigration aus dem Süden ständig wachsenden Minderheitskirche; einer Kirche ohne Staatsanbindung oder etablierte Privilegien, wie sie die Kirchen der Alten Welt genießen. Auf dem freien Markt des Seelenheils arbeiten die US-Bischöfe in der interkonfessionellen Konkurrenz professionell, ohne barocke europäische Diplomatie. Verkündigung argumentiert hier mit klarer Kante (…): Deine Rede sei 'ja, ja!' and der Seite der sozial Schwachen – und "nein, nein!" in puncto Liberalisierung der Sexualmoral, Homo-Ehe, Leihmutterschaften und Abtreibung."
Jedenfalls sieht Kallscheuer in Benedikts Abdankung mitten in der Krise eine große Chance und schreibt:
"Eine Weltkirche, die weder zerfallen will wie die der Anglikaner (bzw. Episkopalen) zerfällt, noch in fundamentalistischem Modus expandieren soll wie die weltweit rabiat missionierenden Pfingstler und Evangelikalen, braucht eine Neudefinition des Papsttums. Was heißt Petrusdienst jenseits der mönchischen Disziplin? Was bedeutet Einheit der Kirche jenseits der bürokratischen Zentralisierung zu einer geistlichen Weltmonarchie?"
Auch eine andere, sehr alte, fast heilige Institution bedarf dringend der Reform, berichtete Uwe Schultz in der WELT aus Frankreich und meinte - die Académie Française. Denn von den 40 Sesseln im Kreis der sogenannten "Unsterblichen" sind derzeit fünf unbesetzt.
"Die Académie hat ein strukturelles Problem – ihre Autogenerierung. Jeder Kandidat muss jedem Mitglied einen Besuch machen, der eine devote Haltung voraussetzt, was hochrenommierte Schriftsteller generell ablehnen, zumal sie sich dem Risiko aussetzen, aus blanker Ranküne zurückgewiesen zu werden. Auch behagt es ihnen kaum, dem Mittelmaß der französischen Kulturträger ihren Sitz zu verdanken,"
Vor allem aber, auch das stand in der WELT, ist die zeitraubende Arbeit am Wörterbuch der französischen Sprache, die einzige verbliebene Aufgabe der Académie, für heutige Autoren alles andere als verlockend. Und so wählt das Gremium und wählt und wählt, aber es kommt keine gültige Mehrheit zustande – nicht für Milan Kundera und nicht für Jean Marie Le Clézio, obwohl beide von Sitzung zu Sitzung favorisiert werden.
Zwischen Tradition und Aufbruch bewegt sich auch das umstrittenste Großprojekt der Berliner Museumsszene, das auf einer von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz organisierten Fachtagung erörtert wurde. Angesichts der schon seit Monaten in den Feuilletons hochkochenden Emotionen verwundert es nicht, dass so gut wie jede Zeitung einen Artikel über das Treffen brachte. Es geht um den zukünftigen Ort der Staatlichen Gemäldesammlung und deren mögliche Zusammenlegung mit der Skulpturensammlung, was allerdings mit einem Neubau, dessen Finanzierung noch ungewiss ist, verbunden wäre. Dem ursprünglichen Plan, die Alten Meister, also mit das Prächtigste, was Berlin zu bieten hat, für eine Übergangszeit im Magazin einzuschließen, diesem Plan wurde aufgrund des öffentlichen Protests inzwischen eine Absage erteilt. Aber:
"Die Berliner Museumspläne sind weder eine Rückkehr zu Wilhelm von Bode noch ein Schritt in die Zukunft, sondern ein gefährlicher Irrweg,"
urteilte Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
Auch Jens Bisky von der SÜDDEUTSCHEN fand, es spräche viel dafür,
"die Alten Meister am Kulturforum zu lassen und dort ein neues Haus für die Moderne zu bauen."
Nikolaus Bernau erinnerte in der BERLINER ZEITUNG daran, dass die Bildhauer meist nur als die Handwerker gelten, während die Maler die Intellektuellen der Kunst sind, und fuhr fort:
"Es ging in dem Streit immer auch um soziales Prestige – und leider wurde nicht gefragt, wie weit es auch jetzt um das Prestige der mit Gemälden oder Skulpturen beschäftigten Kunstwissenschaftler geht."
An Prestige verloren hat in den letzten Wochen die Versandfirma Amazon wegen ihrer widerlichen Beschäftigungspraktiken. Ein politisches-mediales Gewitter ist aufgrund einer Fernsehreportage über dem Unternehmen niedergegangen und immer noch gibt es ein Wetterleuchten in benachbarten Regionen wie zum Beispiel jetzt den Bibliotheken. Der Germanist Roland Reuß hatte vor zwei Wochen in der FAZ angeprangert, dass der Online-Katalog der Heidelberger Unibibliothek mit Amazon verlinkt ist. Es handelt sich dabei um keinen Einzelfall, sondern gängige Praxis vieler öffentlicher Bibliotheken. Nun aber gab die FAZ bekannt, dass ein Tochterunternehmen des Börsenvereins künftig ebenfalls die Bilder von Buchumschlägen den Bibliotheken für Internetzwecke zur Verfügung stellt. Was für eine fortschrittliche Idee, knapp 20 Jahre nach der Gründung von Amazon!
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG setzte sich der protestantische Theologe Friedrich Wilhelm Graf in scharfer Form mit Joseph Ratzingers Denken und Wirken auseinander. Es war eine Abrechnung, in der sich einiger Ärger über Ratzingers bekannten Antiprotestantismus entlud.
"Alle von ihm erlittenen Übel der Moderne," heißt es da, "von der 'sinnleer' abstrakten Kunst und atonalen Musik bis hin zum moralischen Pluralismus und 'liberalistischen Individualismus' führt Ratzinger auf den unruhigen, auch zersetzenden Geist eines protestantischen Christentums zurück, das mit der Proklamation der 'Freiheit eines Christenmenschen' nur die Kirche als Institution geschwächt und die substanzielle Einheit eines christlich integrierten Gemeinwesens unterminiert habe."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG machte sich der Politologe und Philosoph Otto Kallscheuer sehr konkrete Gedanken über den nächsten Papst. Aus welcher Weltgegend wird er kommen? Von welchen politischen, sozialen, spirituellen Erfahrungen wird er geprägt sein?
"Ein echter Traditionalist aus Alteuropa hätte heute in der katholischen Weltkirche keine Chance mehr,"
erklärt Kallscheuer, und hält etwas bisher Undenkbares heute erstmals für möglich: einen nordamerikanischen Papst.
"Er käme aus einer großen, auch durch Immigration aus dem Süden ständig wachsenden Minderheitskirche; einer Kirche ohne Staatsanbindung oder etablierte Privilegien, wie sie die Kirchen der Alten Welt genießen. Auf dem freien Markt des Seelenheils arbeiten die US-Bischöfe in der interkonfessionellen Konkurrenz professionell, ohne barocke europäische Diplomatie. Verkündigung argumentiert hier mit klarer Kante (…): Deine Rede sei 'ja, ja!' and der Seite der sozial Schwachen – und "nein, nein!" in puncto Liberalisierung der Sexualmoral, Homo-Ehe, Leihmutterschaften und Abtreibung."
Jedenfalls sieht Kallscheuer in Benedikts Abdankung mitten in der Krise eine große Chance und schreibt:
"Eine Weltkirche, die weder zerfallen will wie die der Anglikaner (bzw. Episkopalen) zerfällt, noch in fundamentalistischem Modus expandieren soll wie die weltweit rabiat missionierenden Pfingstler und Evangelikalen, braucht eine Neudefinition des Papsttums. Was heißt Petrusdienst jenseits der mönchischen Disziplin? Was bedeutet Einheit der Kirche jenseits der bürokratischen Zentralisierung zu einer geistlichen Weltmonarchie?"
Auch eine andere, sehr alte, fast heilige Institution bedarf dringend der Reform, berichtete Uwe Schultz in der WELT aus Frankreich und meinte - die Académie Française. Denn von den 40 Sesseln im Kreis der sogenannten "Unsterblichen" sind derzeit fünf unbesetzt.
"Die Académie hat ein strukturelles Problem – ihre Autogenerierung. Jeder Kandidat muss jedem Mitglied einen Besuch machen, der eine devote Haltung voraussetzt, was hochrenommierte Schriftsteller generell ablehnen, zumal sie sich dem Risiko aussetzen, aus blanker Ranküne zurückgewiesen zu werden. Auch behagt es ihnen kaum, dem Mittelmaß der französischen Kulturträger ihren Sitz zu verdanken,"
Vor allem aber, auch das stand in der WELT, ist die zeitraubende Arbeit am Wörterbuch der französischen Sprache, die einzige verbliebene Aufgabe der Académie, für heutige Autoren alles andere als verlockend. Und so wählt das Gremium und wählt und wählt, aber es kommt keine gültige Mehrheit zustande – nicht für Milan Kundera und nicht für Jean Marie Le Clézio, obwohl beide von Sitzung zu Sitzung favorisiert werden.
Zwischen Tradition und Aufbruch bewegt sich auch das umstrittenste Großprojekt der Berliner Museumsszene, das auf einer von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz organisierten Fachtagung erörtert wurde. Angesichts der schon seit Monaten in den Feuilletons hochkochenden Emotionen verwundert es nicht, dass so gut wie jede Zeitung einen Artikel über das Treffen brachte. Es geht um den zukünftigen Ort der Staatlichen Gemäldesammlung und deren mögliche Zusammenlegung mit der Skulpturensammlung, was allerdings mit einem Neubau, dessen Finanzierung noch ungewiss ist, verbunden wäre. Dem ursprünglichen Plan, die Alten Meister, also mit das Prächtigste, was Berlin zu bieten hat, für eine Übergangszeit im Magazin einzuschließen, diesem Plan wurde aufgrund des öffentlichen Protests inzwischen eine Absage erteilt. Aber:
"Die Berliner Museumspläne sind weder eine Rückkehr zu Wilhelm von Bode noch ein Schritt in die Zukunft, sondern ein gefährlicher Irrweg,"
urteilte Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
Auch Jens Bisky von der SÜDDEUTSCHEN fand, es spräche viel dafür,
"die Alten Meister am Kulturforum zu lassen und dort ein neues Haus für die Moderne zu bauen."
Nikolaus Bernau erinnerte in der BERLINER ZEITUNG daran, dass die Bildhauer meist nur als die Handwerker gelten, während die Maler die Intellektuellen der Kunst sind, und fuhr fort:
"Es ging in dem Streit immer auch um soziales Prestige – und leider wurde nicht gefragt, wie weit es auch jetzt um das Prestige der mit Gemälden oder Skulpturen beschäftigten Kunstwissenschaftler geht."
An Prestige verloren hat in den letzten Wochen die Versandfirma Amazon wegen ihrer widerlichen Beschäftigungspraktiken. Ein politisches-mediales Gewitter ist aufgrund einer Fernsehreportage über dem Unternehmen niedergegangen und immer noch gibt es ein Wetterleuchten in benachbarten Regionen wie zum Beispiel jetzt den Bibliotheken. Der Germanist Roland Reuß hatte vor zwei Wochen in der FAZ angeprangert, dass der Online-Katalog der Heidelberger Unibibliothek mit Amazon verlinkt ist. Es handelt sich dabei um keinen Einzelfall, sondern gängige Praxis vieler öffentlicher Bibliotheken. Nun aber gab die FAZ bekannt, dass ein Tochterunternehmen des Börsenvereins künftig ebenfalls die Bilder von Buchumschlägen den Bibliotheken für Internetzwecke zur Verfügung stellt. Was für eine fortschrittliche Idee, knapp 20 Jahre nach der Gründung von Amazon!