Von Burkhard Müller-Ullrich

Sprachlos werden die Feuilletons wohl nie sein, zu Italien fällt ihnen aber nichts mehr ein: Die "Welt" kommt mit Machiavelli daher, die "FAZ" verzweifelt nur. "SZ" und "Tagesspiegel" gratulieren dem Verleger KD Wolff zum Geburtstag und die "Welt" empört sich, dass Christoph Waltz regelmäßig zum Deutschen gemacht wird.
Da den deutschen Journalisten, selbst wenn sie im Kulturressort tätig sind, zum politischen Chaos in Italien nach der Wahl offenbar gar nichts mehr einfällt – selbst der Korrespondent der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG entsetzt sich unter der Überschrift "Es ist einfach zum Verzweifeln! bloß über die Dummheit dieses Volks - …

Weil also den Journalisten zum aktuellen Geschehen einfach nichts mehr einfällt, hilft der Gedenkkalender: Vor genau 500 Jahren, 1513, entstand das erste Buch der modernen politischen Philosophie: "Il Principe" von Niccolò Machiavelli. In der WELT schildert Marc Reichwein, wie der Autor, eben noch hochrangiger Funktionär der Medici in Florenz, politisch kaltgestellt wurde und auf seinem Landgut schmoren musste. In diesem Zwangsruhestand verfasste der 48-Jährige das Buch, mit dem sich seine Name so verselbständigen sollte wie später derjenige des Freiherrn Knigge.

"Der Zweck heiligt die Mittel. Kränkungen im Machtgefüge wirken nachhaltiger als Schmeicheleien. Du darfst nicht immer mit offenen Karten spielen. Du kannst es nicht allen recht machen. Du brauchst Feinde, um deinen eigenen Ruhm zu mehren. Du solltest die Durchsetzung unliebsamer Maßnahmen anderen übertragen. Du brauchst Kritiker, solltest aber trotzdem nicht auf alle hören – und so weiter und so fort."

Das ist von Marc Reichwein kurzgefasst Machiavelli für Anfänger in der WELT, und es fehlt auch nicht der Hinweis, man solle sich "gerade in diesen Tagen" mal wieder an dessen Begriff der Tüchtigkeit erinnern.

Gleich daneben in der Randspalte nimmt Hannes Stein Anstoß an einem Bindestrich-Begriff, mit dem der oscargekrönte Christoph Waltz von deutschen Journalisten häufig tituliert wird: vom deutsch-österreichischen Schauspieler ist dann die Rede. Dazu fällt Stein eine Parallele ein:

"Portugal ist nicht Spanien, liegt aber gleich daneben. Die Sprache, die dort gesprochen wird, ist mit dem Spanischen auf das Engste verwandt, klingt aber vollkommen anders – nämlich weich abgeschliffen, unaggressiv. Dann hatte Portugal irgendeinmal ein Imperium und trauert ihm immer noch nach. Wenn man nach Portugal reist, bekommt man auch deshalb sofort erklärt, was die Portugiesen sind: jedenfalls keine Spanier."

Genausowenig, darauf läuft die Betrachtung hinaus, wollen Österreicher wie Waltz den Deutschen zugeschlagen werden. Ihr Habsburgerreich,

"das sich (im Unterschied und Gegensatz zum Deutschen Reich) weder auf Blut noch Eisen gründete, sondern auf eine kluge Heiratspolitik, wackelige Kompromisse und handfeste Schlamperei,"

war, wie Hannes Stein schreibt,

"besser als alles, was danach kam."

Soviel zu "deutsch-österreichisch" in der WELT, und nun noch ein Geburtstagsständchen für Karl Dietrich, der seine Vornamen nie ausschreibt und sich nur KD nennt. Der Verleger KD Wolff wird 70, melden die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und der TAGESSPIEGEL und erinnern nicht nur an seine maßstabsetzenden Editionen der Werke Hölderlins, Kafkas oder Kleists, sondern auch an seine linksextremistische Vergangenheit: Erster Bundesvorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, Anführer einer militanten Jugendorganisation namens "Roter Panther", Herausgeber der Reden und Aufsätze des nordkoreanischen Diktators Kim Il Sung auch als Prachtausgabe mit Goldschnitt und Ledereinband. Sein Frankfurter Verlag Roter Stern, später machte er unter dem Firmennamen Stroemfeld weiter, war durchaus eine Terrorzelle, damals vor 40 Jahren. Inzwischen ist das Unternehmen ein Hort der deutschen Klassik; selbst Helmut Kohl schoss laut SZ mal Geld ein, und der TAGESSPIEGEL schreibt:

"Selbstbewusstsein, Chuzpe, die Zuversicht, dass es immer irgendwie weitergehen kann, und das Gespür für eine perfekte Inszenierung als wackerer David in einer Welt der Goliathe – all das zeichnet ihn aus."

Na klar: Auch KD Wolff kennt seinen Machiavelli.