Von Arno Orzessek
Das Thema Geschichtsrezeption durchzieht die Feuilletons: Die "FAZ" rezensiert den Kostümfilm "Die Schwester der Königin" und lästert über das Giodano-Bruno-Denkmal in Berlin. Die "SZ" lobt Demandts "Über die Deutschen - Eine kleine Kulturgeschichte" über den grünen Klee und der "Tagesspiegel" seziert Historienfilme à la Guido Knopp.
Wer Sinn für Geschichte im weitesten Sinne hat, wird das aktuelle Feuilleton genießen – alle anderen können ja schon mal zu Sport und Wirtschaft vorblättern.
DIE WELT – um in der Antike zu beginnen – druckt einige Absätze aus "Homers Heimat", dem umstrittenen Werk des Marketing-Genies Raoul Schrott. Weil dabei aber wieder nur die wackelige These herumkommt, dass der "Illias"-Dichter im Südosten Kleinasiens und nicht am Hellespont gewirkt hat, springen wir über zwei Jahrtausende hinweg ins späte Mittelalter, an den Hof Heinrichs VIII., an dem Justin Chadwicks Kostümfilm "Die Schwester der Königin" spielt.
"In Wahrheit", schreibt Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "ist 'Die Schwester der Königin' ein Turnier zwischen Natalie Portman und Scarlett Johansson, ein zweistündiges Duell zwischen Blond und Brünett. Es endet mit einem Punktsieg für Portman, die sich nicht nur auf ihr Aussehen verlässt, und einer Apotheose der Schlösser und Abteien von Somerset, Cornwall und Kent."
Ein Jahr nach dem Tod des sechsmal verheirateten 160-Kilo-Fettwansts Heinrich wurde 1548 der italienische Dichter und Philosoph Giordano Bruno geboren, der dann auf dem Scheiterhaufen der Inquisition verbrannte. Bruno wurde nun auf Betreiben der religionskritischen Bruno-Stiftung und des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte am Potsdamer Platz in Berlin ein Denkmal gestiftet – worüber Thomas Thiel in der FAZ auf gebotenem Niveau ablästert.
"Die Stiftung […] ist es, die […] schon in der eigenen Namensgebung den Renaissancephilosophen für jene Mischung aus Evolutionstheorie und Managementtheorie einverleiben möchte, den sie sich in ihre aufklärerische Agenda schreibt. Die Bruno-Stiftung", so Thiel, "ist ein Verbund von Naturalisten, die jede Form der Metaphysik und Religiosität erbittert befehden."
Das gilt allemal für den Vorsitzenden der Stiftung und Gründungsmitglied des sogenannten "Zentralrats für Ex-Muslime", Michael Schmidt-Salomon. Er hat zusammen mit Helge Nyncke Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel verfasst – ein Kinderbuch, das Ursula von der Leyens Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus allerlei Gründen indizieren lassen will. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU hält Christian Schlüter deshalb ein Plädoyer für religionskritische Belehrung im Kindesalter:
"Wenn überhaupt, dann hat die Erziehung in Bezug auf die Religion darauf vorzubereiten, dass es mittlerweile eine ganze Reihe religiöser und nicht-religiöser Orientierungsangebote gibt."
Führende deutsche Muslime sind sowieso für eine gewisse Freigeistigkeit – jedenfalls berichtet das die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Zur Wiedereröffnung der – wegen der ausgestellten Mekka-Karikatur – vorübergehend geschlossenen "surrend"-Schau in der Berliner Galerie Nord habe sich der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, für Kunstfreiheit ausgesprochen.
"Er hielt gar ein kleines Grundgesetz-Büchlein hoch", staunt Philip Grassmann in der SZ.
Doch zurück zur Historie. In selbiger SÜDDEUTSCHER ZEIUNG lobt Johannes Willms Alexander Demandts kleine Kulturgeschichte der Deutschen dermaßen entrückt, dass es an Gefälligkeitsjournalismus grenzt. Nüchterner dagegen der zweite Artikel von Willms, in dem der Frankreich-Korrespondent erklärt, dass man den Mai 1968 unterm Eiffelturm nun für kein reines Paris-Ereignis mehr hält.
"In dieser Sicht […] schrumpft der spektakuläre Konflikt zwischen Studenten und Polizei im Quartier Latin zwar nicht zu einem Randereignis, aber er erhält seine wahre Dimension, insofern er lediglich als ein Aspekt der viel größeren, ganz Frankreich erfassenden und vor allem Arbeiter wie Bauern mobilisierenden Empörung aufgefasst wird."
Wie gesagt, das aktuelle Feuilleton ist überreich an ernster Geschichte. Und das schneidigste Bonmot liefert der Historiker Rainer Wirtz in einem Artikel Eckhard Lottmanns im TAGESSPIEGEL, in dem es um den "Gustloff"-Film und ähnlich sentimentalische Ereignisse im Knopp-Kosmos geht:
"Wetter und Geschichte", " so Wirtz laut TAGESSPIEGEL, ""haben gemeinsam, dass sie zunehmend gefühlt werden."
DIE WELT – um in der Antike zu beginnen – druckt einige Absätze aus "Homers Heimat", dem umstrittenen Werk des Marketing-Genies Raoul Schrott. Weil dabei aber wieder nur die wackelige These herumkommt, dass der "Illias"-Dichter im Südosten Kleinasiens und nicht am Hellespont gewirkt hat, springen wir über zwei Jahrtausende hinweg ins späte Mittelalter, an den Hof Heinrichs VIII., an dem Justin Chadwicks Kostümfilm "Die Schwester der Königin" spielt.
"In Wahrheit", schreibt Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "ist 'Die Schwester der Königin' ein Turnier zwischen Natalie Portman und Scarlett Johansson, ein zweistündiges Duell zwischen Blond und Brünett. Es endet mit einem Punktsieg für Portman, die sich nicht nur auf ihr Aussehen verlässt, und einer Apotheose der Schlösser und Abteien von Somerset, Cornwall und Kent."
Ein Jahr nach dem Tod des sechsmal verheirateten 160-Kilo-Fettwansts Heinrich wurde 1548 der italienische Dichter und Philosoph Giordano Bruno geboren, der dann auf dem Scheiterhaufen der Inquisition verbrannte. Bruno wurde nun auf Betreiben der religionskritischen Bruno-Stiftung und des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte am Potsdamer Platz in Berlin ein Denkmal gestiftet – worüber Thomas Thiel in der FAZ auf gebotenem Niveau ablästert.
"Die Stiftung […] ist es, die […] schon in der eigenen Namensgebung den Renaissancephilosophen für jene Mischung aus Evolutionstheorie und Managementtheorie einverleiben möchte, den sie sich in ihre aufklärerische Agenda schreibt. Die Bruno-Stiftung", so Thiel, "ist ein Verbund von Naturalisten, die jede Form der Metaphysik und Religiosität erbittert befehden."
Das gilt allemal für den Vorsitzenden der Stiftung und Gründungsmitglied des sogenannten "Zentralrats für Ex-Muslime", Michael Schmidt-Salomon. Er hat zusammen mit Helge Nyncke Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel verfasst – ein Kinderbuch, das Ursula von der Leyens Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus allerlei Gründen indizieren lassen will. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU hält Christian Schlüter deshalb ein Plädoyer für religionskritische Belehrung im Kindesalter:
"Wenn überhaupt, dann hat die Erziehung in Bezug auf die Religion darauf vorzubereiten, dass es mittlerweile eine ganze Reihe religiöser und nicht-religiöser Orientierungsangebote gibt."
Führende deutsche Muslime sind sowieso für eine gewisse Freigeistigkeit – jedenfalls berichtet das die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Zur Wiedereröffnung der – wegen der ausgestellten Mekka-Karikatur – vorübergehend geschlossenen "surrend"-Schau in der Berliner Galerie Nord habe sich der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, für Kunstfreiheit ausgesprochen.
"Er hielt gar ein kleines Grundgesetz-Büchlein hoch", staunt Philip Grassmann in der SZ.
Doch zurück zur Historie. In selbiger SÜDDEUTSCHER ZEIUNG lobt Johannes Willms Alexander Demandts kleine Kulturgeschichte der Deutschen dermaßen entrückt, dass es an Gefälligkeitsjournalismus grenzt. Nüchterner dagegen der zweite Artikel von Willms, in dem der Frankreich-Korrespondent erklärt, dass man den Mai 1968 unterm Eiffelturm nun für kein reines Paris-Ereignis mehr hält.
"In dieser Sicht […] schrumpft der spektakuläre Konflikt zwischen Studenten und Polizei im Quartier Latin zwar nicht zu einem Randereignis, aber er erhält seine wahre Dimension, insofern er lediglich als ein Aspekt der viel größeren, ganz Frankreich erfassenden und vor allem Arbeiter wie Bauern mobilisierenden Empörung aufgefasst wird."
Wie gesagt, das aktuelle Feuilleton ist überreich an ernster Geschichte. Und das schneidigste Bonmot liefert der Historiker Rainer Wirtz in einem Artikel Eckhard Lottmanns im TAGESSPIEGEL, in dem es um den "Gustloff"-Film und ähnlich sentimentalische Ereignisse im Knopp-Kosmos geht:
"Wetter und Geschichte", " so Wirtz laut TAGESSPIEGEL, ""haben gemeinsam, dass sie zunehmend gefühlt werden."