Von Arno Orzessek

Die "SZ" kritisiert Bernhard Schlinks neuen Roman "Das Wochenende", der sich um die RAF und ihre Sympathisanten dreht. Die Feuilletons besprechen den Bob-Dylan-Film "I'm Not There" und gratulieren dem Bildhauer Alfred Hrdlicka zum 80. Geburtstag.
Wir möchten gegenüber dem Qualitätsfeuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG um keinen Preis respektlos sein – aber Stilblüten sind zum Pflücken da.

"Manchmal riecht Geschichte nach dem Duft leicht geöffneter Rosenknospen, der den Steingeruch alter Klostermauern umschmeichelt", beginnt Franziska Brüning ihr träumerisches Loblied aufs Traubenland Burgund, dem die Unesco einen interdisziplinären Lehrstuhl für Weinkultur eingerichtet hat.

Wie, bitte schön, soll man das ohne zwei Flaschen Burgunder kapieren: Dass Geschichte nach einem Duft riecht, der einen Geruch umschmeichelt?

Etwas rätselhaft auch Thomas Steinfeld im selben SZ-Feuilleton. Er behauptet, "die Steuersünder-Debatte verkennt das Gegeneinander der Interessen", tadelt eine Spalte lang das offenbar ziemlich dämliche Subjekt "Steuersünder-Debatte", endet dann aber populistisch-pessimistisch:

"Was da hochkam, von Ackermann über Hartz bis Zumwinkel, ist nicht an den Rändern des Wirtschaftslebens zu Hause, sondern in seiner Mitte. Es sind die schwarzen Löcher im Zentrum des Gemeinwesens, die so beunruhigend sind – und je tiefer und schwärzer sie werden, desto größer werden die Anstrengungen, eine Fiktion von Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten."

Sogar Burkhard Müller, der sonst konzise Kritiker der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, treibt es dieses Mal hintenherum. Er wünscht Bernhard Schlinks neuem Roman "Das Wochenende" den gleichen Erfolg wie dem Bestseller "Der Vorleser" – allerdings in tückischer Absicht:

"Nur so kann […] sich [Schlinks Buch] auf breiter Basis die gelangweilte Verachtung erwerben, die so viel Unaufrichtigkeit unter der falschen Flagge des guten Willens verdient."

Das solchermaßen verrissene Schlink-Werk handelt übrigens von der RAF und deren Sympathisanten.

Damit genug der taumelnden Sprache – der Steinbildhauer Alfred Hrdlicka feiert seinen 80. Geburtstag. DIE WELT nennt ihn schlicht den "Berserker". Ulrich Weinzierl behauptet, ohne die "buchstäbliche Rossnatur" läge Hrdlicka längst unter dem Grabstein, der er für seine erste Frau errichtet hat.

"Eine detaillierte Beschreibung desselben verbietet das Jugendschutzgesetz [so Weinzierl mit keuscher Feder]. Auch abgebrühte Totengräber müssten beim Anblick des obszönen Gebildes schamrot werden."

Die WELT versäumt es nicht, das einschlägige Credo Hrdlickas wiederzugeben:

"Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus."

Diesen Punkt präzisiert Niklas Maak in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Hrdlicka sehe "die 'menschliche Natur' im Spannungsfeld von 'geilem' und 'geschundenem Fleisch'" – weshalb die Steinfiguren eben nicht anders als "zerrissen, verängstigt, krampfend, kämpfend, gequält, rasend und hoffend" aussehen könnten.

Für Niklas Maak steckt in Hrdlicka viel 19. Jahrhundert, viel Rodin – ein Anachronismus mit Folgen:

"Der Abstraktion in der Kunst stand [Hrdlicka] stets kritisch gegenüber, er beschimpfte sie als 'blutleer' und wetterte mit Arbeiten wie 'Roll over Mondrian' gegen eine ihm aseptisch und menschenfern erscheinende Moderne."

In keinem Gitarrenriff anachronistisch, sondern die Speerspitze des Pop war in den 60er und 70er Jahren Bob Dylan, den nun der Film "I’m Not There" von Todd Haynes porträtiert.

Michael Pilz lobt das Werk in der WELT – mit Vorbehalt:

"Wer nicht detailliert vertraut ist mit Bob Dylan, also weder Vorstellungen noch Erwartungen ins Kino mitbringt, hat nicht viel zu lachen und starrt ratlos auf ein ehrgeiziges Mythenpuzzle."

Eben das hält Verena Lueken in der FAZ für die Stärke des Films:

"Es geht nicht darum, uns Dylan näherzubringen. Vielmehr darum, ihn aus der vermeintlichen Nähe, die wir aufgrund der Übergröße seiner Bedeutung und Präsenz spüren, zu entlassen, […] ihn fremd zu machen, ihn […] der Öffentlichkeit wieder zu enteignen."

Aber hat Pop überhaupt noch die Power wie zu Bob Dylans bester Zeit? In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gibt Grafikdesign-Legende Peter Saville klare Auskunft:

"Alles, was die Popmusik verändern konnte, hat sich auch verändert. Nun läuft Pop in einer endlosen Wiederholungsschleife weiter."