Von Arno Orzessek
Auch in den Feuilletons wird die Debatte über Jugendkriminalität weiter ausgetragen, wobei "Zeit", "SZ", "FAZ" und "Welt" die rhetorischen Klingen kreuzen. Der "Freitag" setzt sich mit dem Schlussbericht der Bundestags-Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" auseinander.
Nennen wir das Folgende die Balgerei der schweren Jungs aus Deutschlands Musterblättern – und bitte, die Jungs schlagen oberhalb wie unterhalb der Gürtellinie zu.
Seit "Zeit"-Feuilletonchef Jens Jessen in seinem Videoblog die "einheimische Intoleranz" für den Angriff zweier Jugendlicher türkischer und griechischer Herkunft auf einen Münchener Rentner verantwortlich gemacht hat, bekommt er es dicke.
Man könne sich "keine bessere Karikatur der Unbelehrbarkeit einer 68er Witzfigur ausdenken", hieß es – noch vergleichweise zart – auf der Website "Politically Incorrect".
Nun nimmt Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG den allerorts Verhöhnten recht liebevoll in Schutz und überdreht dessen verdrehtes Argument, bis es fast wieder richtig klingt:
" Dass es in Deutschland jene Atmosphäre aggressiver Intoleranz gibt, von der Jens Jessen in seinem Videoblog spricht, ist durch die Reaktionen zahlreicher Deutscher auf diesen Blog erwiesen, "
so Müller in der SZ.
Eckhard Fuhr zerfleddert in der WELT mit unverhohlenem Genuss die Jugendgewalt-Argumente von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Dieser hatte Jessen vorgeworfen, "in jedem Hausmeister den Nazi" zu identifizieren – als schrieben wir noch einmal 1960.
Schirrmacher, so ätzt Fuhr, gehe es
" wieder einmal um die Ausrufung eines historischen Gezeitenwechsels. [Er] dreht das ganz große geschichtspolitische Rad. "
Tatsächlich hatte Schirrmacher aus Jugendgewalt und Islamismus – auch wenn dieser beim Münchener Überfall keine Rolle spielte – ein Verhängnis konstruiert, das "den tödlichen Ideologien des 20. Jahrhunderts am nächsten kommt".
Eckhard Fuhr findet das Argument grotesk:
" Willkommen daheim im Weltbürgerkrieg! " höhnt er in der WELT. " Aber dieses Mal sind die Deutschen als potentielle Opfer auf der richtigen Seite. Man kann schließlich nicht ewig als Tätervolk durch die Weltgeschichte humpeln. "
Damit die Balgerei lustig weitergeht, schlagen wir vor, dass Frank Schirrmacher Eckhard Fuhr wegen Beleidigung des Deutschtums anzeigt, Jens Jessen vor laufender Videoblog-Kamera deutsche Rentner zur Strafe für ihre repressive Gemütlichkeit verprügelt und Lothar Müller einen Aufsatz über die deutsche Tradition der Glaubenskriege seit Luther verfasst.
Mitten im türkisch-arabischen Milieu von Berlin-Neukölln ist tatsächlich ein Schuss gefallen – und zwar auf den Rapper Wasiem "Massiv" Taha, den Sohn von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Libanon.
" "Ich bin eine Kanake, der vom Messerstechen Narben hat", "
zitiert Michael Pilz in der WELT aus einem Text von "Massiv", deutet an, dass mancher amerikanische Rapper zur Erhöhung der Street Credibility die Schützen selbst bezahlt hat, rät aber der deutschen Szene von Schießereien eher ab.
" Man weiß […], dass sich der HipHop in Amerika selbst erledigte, als die Geschichten von Gewalt und Großmannssucht im wahren Leben ausgetragen wurden. So grotesk es klingt: Nichts wirkt im HipHop unglaubwürdiger als die Wirklichkeit. "
Quasi umgekehrt muss man sagen, dass die filmische Fiktion im Tatort, der vom sexuellen Missbrauch eines alevitischen Mädchens durch ihren Vater handelt, viel Staub in der Wirklichkeit aufgewirbelt hat – die islamischen Verbände hierzulande schrien Zeter und Mordio. In der ZEIT warnt Schriftstellerin Mely Kiyak davor, das vermeintlich weltoffenere Alevitentum gegen andere islamische Glaubensrichtungen auszuspielen.
" Deutschland hat fast ein halbes Jahrhundert gebraucht, um festzustellen, dass mit den türkischen Gastarbeitern auch eine Weltreligion gekommen ist. Vielleicht braucht es noch einmal so lange, um zu begreifen, dass es den Islam und die Muslime nicht gibt. "
Wer nun findet, dass die Kulturpresseschau zu wenig von echter deutscher Kultur gehandelt hat, sollte den "Freitag" aufschlagen. Dort denkt der Ethnologe Dieter Kramer über den Schlussbericht der Bundestags-Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" nach und zitiert:
" Es entwickeln sich neue transkulturelle Identitäten…, nicht nur durch die Zunahme binationaler Familien, sondern vor allem durch die eigenständige Entwicklung junger Menschen, die sich weder von der Minderheiten- noch von der Mehrheitsgesellschaft vereinnahmen lassen. "
Der "Freitag" erwähnt, dass dem Bericht auch "[Roland] Kochs Parteifreunde, einschließlich denen aus der […] CSU" zugestimmt haben. Die nostalgiefreie Überschrift lautet:
" Vergesst die Leitkultur. "
Seit "Zeit"-Feuilletonchef Jens Jessen in seinem Videoblog die "einheimische Intoleranz" für den Angriff zweier Jugendlicher türkischer und griechischer Herkunft auf einen Münchener Rentner verantwortlich gemacht hat, bekommt er es dicke.
Man könne sich "keine bessere Karikatur der Unbelehrbarkeit einer 68er Witzfigur ausdenken", hieß es – noch vergleichweise zart – auf der Website "Politically Incorrect".
Nun nimmt Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG den allerorts Verhöhnten recht liebevoll in Schutz und überdreht dessen verdrehtes Argument, bis es fast wieder richtig klingt:
" Dass es in Deutschland jene Atmosphäre aggressiver Intoleranz gibt, von der Jens Jessen in seinem Videoblog spricht, ist durch die Reaktionen zahlreicher Deutscher auf diesen Blog erwiesen, "
so Müller in der SZ.
Eckhard Fuhr zerfleddert in der WELT mit unverhohlenem Genuss die Jugendgewalt-Argumente von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Dieser hatte Jessen vorgeworfen, "in jedem Hausmeister den Nazi" zu identifizieren – als schrieben wir noch einmal 1960.
Schirrmacher, so ätzt Fuhr, gehe es
" wieder einmal um die Ausrufung eines historischen Gezeitenwechsels. [Er] dreht das ganz große geschichtspolitische Rad. "
Tatsächlich hatte Schirrmacher aus Jugendgewalt und Islamismus – auch wenn dieser beim Münchener Überfall keine Rolle spielte – ein Verhängnis konstruiert, das "den tödlichen Ideologien des 20. Jahrhunderts am nächsten kommt".
Eckhard Fuhr findet das Argument grotesk:
" Willkommen daheim im Weltbürgerkrieg! " höhnt er in der WELT. " Aber dieses Mal sind die Deutschen als potentielle Opfer auf der richtigen Seite. Man kann schließlich nicht ewig als Tätervolk durch die Weltgeschichte humpeln. "
Damit die Balgerei lustig weitergeht, schlagen wir vor, dass Frank Schirrmacher Eckhard Fuhr wegen Beleidigung des Deutschtums anzeigt, Jens Jessen vor laufender Videoblog-Kamera deutsche Rentner zur Strafe für ihre repressive Gemütlichkeit verprügelt und Lothar Müller einen Aufsatz über die deutsche Tradition der Glaubenskriege seit Luther verfasst.
Mitten im türkisch-arabischen Milieu von Berlin-Neukölln ist tatsächlich ein Schuss gefallen – und zwar auf den Rapper Wasiem "Massiv" Taha, den Sohn von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Libanon.
" "Ich bin eine Kanake, der vom Messerstechen Narben hat", "
zitiert Michael Pilz in der WELT aus einem Text von "Massiv", deutet an, dass mancher amerikanische Rapper zur Erhöhung der Street Credibility die Schützen selbst bezahlt hat, rät aber der deutschen Szene von Schießereien eher ab.
" Man weiß […], dass sich der HipHop in Amerika selbst erledigte, als die Geschichten von Gewalt und Großmannssucht im wahren Leben ausgetragen wurden. So grotesk es klingt: Nichts wirkt im HipHop unglaubwürdiger als die Wirklichkeit. "
Quasi umgekehrt muss man sagen, dass die filmische Fiktion im Tatort, der vom sexuellen Missbrauch eines alevitischen Mädchens durch ihren Vater handelt, viel Staub in der Wirklichkeit aufgewirbelt hat – die islamischen Verbände hierzulande schrien Zeter und Mordio. In der ZEIT warnt Schriftstellerin Mely Kiyak davor, das vermeintlich weltoffenere Alevitentum gegen andere islamische Glaubensrichtungen auszuspielen.
" Deutschland hat fast ein halbes Jahrhundert gebraucht, um festzustellen, dass mit den türkischen Gastarbeitern auch eine Weltreligion gekommen ist. Vielleicht braucht es noch einmal so lange, um zu begreifen, dass es den Islam und die Muslime nicht gibt. "
Wer nun findet, dass die Kulturpresseschau zu wenig von echter deutscher Kultur gehandelt hat, sollte den "Freitag" aufschlagen. Dort denkt der Ethnologe Dieter Kramer über den Schlussbericht der Bundestags-Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" nach und zitiert:
" Es entwickeln sich neue transkulturelle Identitäten…, nicht nur durch die Zunahme binationaler Familien, sondern vor allem durch die eigenständige Entwicklung junger Menschen, die sich weder von der Minderheiten- noch von der Mehrheitsgesellschaft vereinnahmen lassen. "
Der "Freitag" erwähnt, dass dem Bericht auch "[Roland] Kochs Parteifreunde, einschließlich denen aus der […] CSU" zugestimmt haben. Die nostalgiefreie Überschrift lautet:
" Vergesst die Leitkultur. "