Von Arno Orzessek
Die "Süddeutsche Zeitung" porträtiert den Karikaturisten Tomi Ungerer und lässt Alice Schwarzer von ihrer Begegnung mit Simone de Beauvoir berichten. Sebastian Handke hat sich für die "Welt" den neuen Film von Francis Ford Coppola angesehen, und die "Neue Zürcher Zeitung" reist mit dem Fotografen Daido Moriyama in die Finsternis.
Das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (SZ) verzichtet anders als sonstige Ressorts auf Ortsangaben vor den Artikeln - und so soll es sein! Gutes Feuilleton ist immer eine unlimitierte Reise durch Raum und Zeit. In diesem Sinne erinnert sich Alice Schwarzer in der SZ an ihre Begegnungen mit Simone de Beauvoir, zunächst im Mai 1970 während eines Interviews mit Jean Paul Sartre.
"Erstmals lerne ich Beauvoirs 'tête de chameau' (wörtlich übersetzt: Kamelkopf) kennen, ihre berüchtigt abweisende Miene, wenn ihr Situationen oder Menschen nicht passen. Sie ist, das begreife ich später, ein sehr absoluter Mensch."
Ähnlich großartig charakterisiert - ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung - Alex Rühle den Karikaturisten und Workaholic Tomi Ungerer, den er in Straßburg besucht hat. Man erinnerte sich der 60er Jahre, als USA-Einwanderer Ungerer auf die schwarzen Listen des FBI geriet - wegen ungnädiger Vietnam-Plakate und weil in seinen Kinderbüchern Katzen Whiskey tranken. Rühle schreibt:
"Als Ungerer 1969 auf einem Kongress Abbitte leisten sollte, sagte er, natürlich sei er gleichzeitig Zeichner von Kinderbüchern und erotischen Werken, 'schließlich gäbe es keine Kinder und die Bibliothekare wären alle arbeitslos, wenn die Leute nicht vögeln würden'. Spätestens da hielten ihn viele Amerikaner für einen Besessenen."
Nur kurz sei erwähnt, dass man in selbigem Feuilleton auch ins brennende Süd-Kalifornien gerät, wo der Urbanist Mike Davis laut Interview mit Petra Steinberger alle Hoffnung fahren lässt.
"Es wir ein paar kosmetische Veränderungen geben, aber das Problem ist unser Konsumverhalten. Die Häuser sind durchschnittlich 40 Prozent größer als vor 20 Jahren, ebenso die Autos, und es darf keine Begrenzung geben. Wenn das Feuer diese Haltung nicht ändern kann, dann weiß ich nicht, was sonst."
Wechseln wir die Himmelsrichtung und reisen mit der Welt nach Osten, wo im polnischen Krakau der britische Star-Geiger Nigel Kennedy lebt. Da auch Welt-Feuilletons keine Ortsangaben machen, wähnt man sich bei dem von Sascha Krüger geführten Gespräch solange an der Weichsel, bis Kennedy sagt:
"Das Frustrierende ist, dass DORT alle so verdammt gut Englisch sprechen, sodass ich kaum eine Möglichkeit habe, mein Polnisch aufzubessern. Mit meinen polnischen Brocken kriege ich höchstens ein Bier oder ein wenig Sympathie."
Doch sonst hat Kennedy rein gar nichts zu meckern.
"Die Polen haben gerade für Künstler ein sehr offenes Herz. Und das richtige Temperament, denn sie arbeiten hart und feiern anschließend wie die Irren - was mir unheimlich entgegen kommt, denn es beschreibt perfekt mein Arbeitsethos."
Zweimal Süden. In Madrid steht der Erweiterungsbau des Prado vor der Eröffnung. Lothar Schmidt, für die Welt augenscheinlich vor Ort am "Campus der Künste" - so die Überschrift - zollt dem Architekten Rafael Moneo ein Lob.
"Während sich viele Metropolen über spektakuläre Museumsbauten vermarkten, setzt [Moneo] diesem Trend ein Werk entgegen, das durch seine Details, durch die Auswahl an Farben und Materialien und die geschickte Nutzung des Raums überzeugt."
Von Madrid nach Rom, wo Sebastian Handke auf dem Filmfest beobachtet hat, dass Francis Ford Coppolas neues Werk "Youth without Youth" - mit Alexandra Maria Lara als Laura - für "allgemeine Ratlosigkeit" sorgt. Handke findet Coppolas Film mutig, aber:
"Verblüffend ist, mit welch konventionellen Mitteln Coppola seine Geschichte erzählt, und vor allem, dass der Film handwerkliche Mängel aufweist. Da ist offenbar etwas eingerostet."
Und daheim, in Deutschland? In der Chemnitzer Ausstellung mit Bildern von Bob Dylan bemerkt die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dass der Popmusiker und Ex-Kunststudent oft aus Türrahmen heraus und von Balkonen zeichnet. Die FAZ interpretiert:
"Vielleicht ein Sinnbild dafür, dass Bob Dylan sich nicht so ganz traut, die Sphäre der bildenden Kunst zu betreten, ein scheuer Respekt, der sympathisch ist."
Mit zwei Kölner Ausstellungen der Werke des japanischen Fotografen Daido Moriyama beschäftigt sich die Neue Zürcher Zeitung.
"Aufnahmen aus Städten wie Tokio, New York, Schanghai, Bangkok, Sydney oder Buenos Aires beweisen, dass Moriyama seine Reise in die Finsternis an jedem Ort starten kann."
Sicher ist, dass das Feuilleton Moriyama wie jeden anderen Künstler an jeden beliebigen Ort begleiten wird. Gern würden wir einen Artikel lesen, dem die Ortsangabe "Finsternis" voraus geht.
"Erstmals lerne ich Beauvoirs 'tête de chameau' (wörtlich übersetzt: Kamelkopf) kennen, ihre berüchtigt abweisende Miene, wenn ihr Situationen oder Menschen nicht passen. Sie ist, das begreife ich später, ein sehr absoluter Mensch."
Ähnlich großartig charakterisiert - ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung - Alex Rühle den Karikaturisten und Workaholic Tomi Ungerer, den er in Straßburg besucht hat. Man erinnerte sich der 60er Jahre, als USA-Einwanderer Ungerer auf die schwarzen Listen des FBI geriet - wegen ungnädiger Vietnam-Plakate und weil in seinen Kinderbüchern Katzen Whiskey tranken. Rühle schreibt:
"Als Ungerer 1969 auf einem Kongress Abbitte leisten sollte, sagte er, natürlich sei er gleichzeitig Zeichner von Kinderbüchern und erotischen Werken, 'schließlich gäbe es keine Kinder und die Bibliothekare wären alle arbeitslos, wenn die Leute nicht vögeln würden'. Spätestens da hielten ihn viele Amerikaner für einen Besessenen."
Nur kurz sei erwähnt, dass man in selbigem Feuilleton auch ins brennende Süd-Kalifornien gerät, wo der Urbanist Mike Davis laut Interview mit Petra Steinberger alle Hoffnung fahren lässt.
"Es wir ein paar kosmetische Veränderungen geben, aber das Problem ist unser Konsumverhalten. Die Häuser sind durchschnittlich 40 Prozent größer als vor 20 Jahren, ebenso die Autos, und es darf keine Begrenzung geben. Wenn das Feuer diese Haltung nicht ändern kann, dann weiß ich nicht, was sonst."
Wechseln wir die Himmelsrichtung und reisen mit der Welt nach Osten, wo im polnischen Krakau der britische Star-Geiger Nigel Kennedy lebt. Da auch Welt-Feuilletons keine Ortsangaben machen, wähnt man sich bei dem von Sascha Krüger geführten Gespräch solange an der Weichsel, bis Kennedy sagt:
"Das Frustrierende ist, dass DORT alle so verdammt gut Englisch sprechen, sodass ich kaum eine Möglichkeit habe, mein Polnisch aufzubessern. Mit meinen polnischen Brocken kriege ich höchstens ein Bier oder ein wenig Sympathie."
Doch sonst hat Kennedy rein gar nichts zu meckern.
"Die Polen haben gerade für Künstler ein sehr offenes Herz. Und das richtige Temperament, denn sie arbeiten hart und feiern anschließend wie die Irren - was mir unheimlich entgegen kommt, denn es beschreibt perfekt mein Arbeitsethos."
Zweimal Süden. In Madrid steht der Erweiterungsbau des Prado vor der Eröffnung. Lothar Schmidt, für die Welt augenscheinlich vor Ort am "Campus der Künste" - so die Überschrift - zollt dem Architekten Rafael Moneo ein Lob.
"Während sich viele Metropolen über spektakuläre Museumsbauten vermarkten, setzt [Moneo] diesem Trend ein Werk entgegen, das durch seine Details, durch die Auswahl an Farben und Materialien und die geschickte Nutzung des Raums überzeugt."
Von Madrid nach Rom, wo Sebastian Handke auf dem Filmfest beobachtet hat, dass Francis Ford Coppolas neues Werk "Youth without Youth" - mit Alexandra Maria Lara als Laura - für "allgemeine Ratlosigkeit" sorgt. Handke findet Coppolas Film mutig, aber:
"Verblüffend ist, mit welch konventionellen Mitteln Coppola seine Geschichte erzählt, und vor allem, dass der Film handwerkliche Mängel aufweist. Da ist offenbar etwas eingerostet."
Und daheim, in Deutschland? In der Chemnitzer Ausstellung mit Bildern von Bob Dylan bemerkt die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dass der Popmusiker und Ex-Kunststudent oft aus Türrahmen heraus und von Balkonen zeichnet. Die FAZ interpretiert:
"Vielleicht ein Sinnbild dafür, dass Bob Dylan sich nicht so ganz traut, die Sphäre der bildenden Kunst zu betreten, ein scheuer Respekt, der sympathisch ist."
Mit zwei Kölner Ausstellungen der Werke des japanischen Fotografen Daido Moriyama beschäftigt sich die Neue Zürcher Zeitung.
"Aufnahmen aus Städten wie Tokio, New York, Schanghai, Bangkok, Sydney oder Buenos Aires beweisen, dass Moriyama seine Reise in die Finsternis an jedem Ort starten kann."
Sicher ist, dass das Feuilleton Moriyama wie jeden anderen Künstler an jeden beliebigen Ort begleiten wird. Gern würden wir einen Artikel lesen, dem die Ortsangabe "Finsternis" voraus geht.