Von Arno Orzessek

Die FAZ ist nicht sonderlich angetan von Friederike Hellers "Candide"-Inszenierung am Münchener Residenztheater, und die "Süddeutsche" ebenso wenig von Nanni Morettis neuem Film "Habemus Papam". Und die Jenenser waren wenig angetan von einem Brief des ehemaligen Regierungssprechers Uwe-Carsten Heye.
"Das Leben besteht aus lauter kleinen Teasern, geschaffen, uns von einer Minute in die nächste zu locken. Tage-, monate-, jahrzehntelang, in der Erwartung, dass irgendetwas besser wird oder wenigstens: nicht alles so bleibt, wie es ist. Ist das schon Optimismus'? Hoffnung? Oder bloß Routine?"

Das fragen nicht etwa wir uns, nein, es ist Teresa Grenzmann, die in der FRANKRURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ein bisschen philosophiert, um auf "Candide oder der Optimismus" zu kommen, Voltaires sarkastischen Roman - von dem wiederum das Stück "Candide" inspiriert wurde, das Friederike Heller am Münchener Residenztheater inszeniert hat.

FAZ-Kritikerin Grenzmann mag offenbar Voltaire - Hellers "Candide" mag sie nicht.

"Die ausgestellt ironische Puppenstubenhaftigkeit der Figuren findet weder als unterhaltsame Utopie noch als düstere Dystopie oder als neutrales Erzähltheater Halt, wirkt weder sonderlich komisch noch mitreißend."

Ähnlich skeptisch äußert sich Rainer Gansera in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über Nanni Morettis Film "Habemus Papam - Ein Papst büxt aus", dessen Inhaltsangabe schon im Titel steht.

Kardinal Melville, verkörpert vom 85-jährigen Michel Piccoli, erhält beim Konklave die nötige Zweidrittelmehrheit, weißer Rauch steigt auf, doch dann erleidet Melville eine Panikattacke und weigert sich - was Rainer Gansera auf die griffige Formel bringt:

"Null Bock auf die Bürde der Würde, das kann ja mal passieren."

Ganseras Lust am Texten ist größer als am Film:

"Die Geschichte bleibt merkwürdig flach, kulissenhaft, ein Reigen tändelnder Einfälle, und der Idee, den Menschen hinter dem Amtsträger hervorzulocken, gelingt es nicht wirklich, Fleisch zu werden. Immerhin entschädigt die überragende Präsenz Piccolis."

Der SZ-Artikel heißt übrigens "Geht vorüber, Kelch!", was auch darum auffällt, weil es nebenstehend noch zwei weitere derartige Überschriften gibt.

"Lasst die Schnörkel leben!" heißt das Plädoyer Lothar Müllers, der sich für den Erhalt der kindlichen Schreibschrift einsetzt. Der Grundschulverband e. V. will sie nämlich zugunsten der sogenannten Grundschrift abschaffen, die der Druckschrift ähnelt.

Wolfgang Schreiber wiederum schreibt unter dem Titel "Fass mich an, Verfluchter!" über Gustav Mahlers Zehnte Sinfonie. Die Zehnte ist bekanntlich Fragment geblieben, weshalb sie der Dirigent Yoel Gamzou vollendet und nun mit dem International Mahler Orchestra aufgeführt hat.

Für Wolfgang Schreiber war es, als "wenn die Musik explodiert" - womit er keinen Totalschaden des Gamzou-Projekts, sondern im Gegenteil den hohen Energiegehalt der Aufführung ausdrücken will.

Energetisch aufgeladen war auch die Bürger-Debatte im Theaterhaus Jena. Man stritt über "extreme Gewaltbereitschaft", einen Beitrag zum Neonazi-Problem im ZDF-Magazin Aspekte, der unter den Jenensern Proteste ausgelöst hatte.

Besonders hoch her ging's im Theaterhaus, als Aspekte-Chef Christhard Läpple einen Brief von Uwe-Carsten Heye vorlas, ehemals Regierungssprecher unter Kanzler Schröder.

"In dem Brief bezeichnete Heye die Jenaer Empörung als einen 'typisch ostdeutschen Reflex' und damit als 'Teil des Problems'. Angesichts solcher Vorwürfe drohte die bis dahin zwar kontroverse, aber friedliche Veranstaltung zu eskalieren. Der Oberbürgermeister Schröter, Sozialdemokrat wie Heye, nannte die Auslassungen seines Parteifreundes 'unerhört' und 'schrecklich', Soziologieprofessor Dörre schimpfte, der Ex-Regierungssprecher habe nicht nur 'keine Ahnung', sondern er lüge auch", "

berichtet in der FAZ Günter Platzdasch aus Jena.

Eine echt komische Frage stellt indessen Dirk Pilz in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

""Warum ist es den Jenensern so wichtig, nicht als 'brauner Fleck' auf der Landkarte zu erscheinen?"

Gegenfrage: Warum, lieber Dirk Pilz, wäre es ihnen unter Umständen wichtig, nicht als brauner Fleck der FR zu erscheinen?

Und damit: Tschüss für heute.