Von Arno Orzessek
Niederknien möchte mancher Kritiker vor den Schauspielern in Andreas Dresens Film "Halt auf freier Strecke". Ähnlich beherzt melden sich nun endlich auch die Verteidiger des Kunstsammlers Heinz Berggruen zu Wort.
Wir fangen mit dem Ende an: mit dem Tod. "Halt auf freier Strecke" heißt der Film von Andreas Dresen, der von dem Familienvater Frank erzählt. Franks Befund: Hirntumor, irreparabel, wenige Monate noch. "Wie inszeniert man das? Wie spielt man einen Mann, der sein Todesurteil empfängt?" fragt sich Martina Knoben in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – und antwortet, indem sie erzählt:
"Frank und seine Frau Simone […] sehen sich nicht an, als sie die Diagnose hören. Sie blicken stumm geradeaus. Simones Mundwinkel zucken. Franks Augen, ohnehin vergrößert hinter einer Brille, werden noch weiter und dunkler, er sucht einen Fixpunkt für seinen Blick. Der Arzt bekommt einen Anruf. Krankenhausroutine. Schon ist das Leben weitergegangen, über Frank und sein Todesurteil hinweg."
In der BERLINER ZEITUNG greift Film-Kritikerin Anke Westphal zum allerhöchsten Lob: für Milan Peschel in der Rolle des Frank und Steffi Kühnert als dessen Frau Simone:
""Weiß die Welt eigentlich inzwischen, was das für Ausnahmeschauspieler sind? Man möchte stumm niederknien vor ihnen. Gemeinsam mit seinen Darstellern hat Andreas Dresen einen Film entwickelt, der im Abschiednehmen die Idee eines verantwortlichen Lebens feiert. Das darf normal sein, unvollkommen, nur eben nicht feige."
Viel skeptischer äußert sich Bert Rebhandel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Andreas Dresen erzählt von einem Ausnahmezustand so, wie er in seinen früheren Filmen vom Alltag erzählt hat […]. Man könnte bei ‚Halt auf freier Strecke’ von einem Realismus sprechen, der mit allem rechnet, nur nicht mit dem Zerbrechen der Realität. Das ist tröstlich, aber auch eine Zumutung."
In der Tageszeitung DIE WELT überträgt bereits die Unterschrift des Bildes, das den kranken Frank mit seinem Sohn Mika zeigt, die ganze Beklemmung, die Dresens Film auslöst:
"Wenn Papa tot ist, darf Mika das Smartphone haben, das dem Vater als Sterbetagebuch gedient hat."
"Den Museumsgründer Heinz Berggruen posthum vom Sockel stoßen" – das will laut FRANKFURTER RUNDSCHAU die Buchautorin Vivien Stein mit ihrem Werk "Heinz Berggruen. Leben und Legende". Berggruen erscheint darin als abgefeimter Sammler, der Steuern hinterzieht, Schwarzgeld verschiebt und in Deutschland aus opportunistischen Gründen sein Judentum in den Vordergrund rückt – Stichwort: Hofjude.
Stephan Speicher hatte sich Steins Anwürfe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ganzseitig zu eigen gemacht. Nun aber melden sich die Verteidiger Berggruens:
"Die Deutschen werden sich ihren Berggruen […] nicht miesmachen lassen. Und ehrlich: Wer hat je geglaubt, dass Kunsthändler Heilige sind? Hätte Vivien Stein ihr Buch kühl und analytisch geschrieben – nur nicht mit diesem üblen Ingrimm. Es hätte ein Sittenbild des Kunsthandels werden können","
bedauert Sebastian Preuss in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Und im Berliner TAGESSPIEGEL wettert Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Die Strategie dieses Demontageversuchs [von Stein] ist abstoßend, doch es spricht für den wachen Geist der Öffentlichkeit, dass nur wenige dem perfiden Machwerk auf den Leim gegangen sind."
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet Marcus Jauer unter dem hübschen Titel "Die Demokratie leidet an akuter Alternativlosigkeit" vom CDU-Parteitag in Leipzig und kommt schließlich aufs große Ganze:
"Es ist der Eindruck scheinbarer Ausweglosigkeit, den man bisher von der Demokratie nicht gewohnt war. Die Probleme zu komplex, sie zu verstehen, die Lösungen zu fragil, sie zu hinterfragen, die Alternativen ignoriert. Als bestätige sich die Gegenwart, einfach indem sie der Fall ist. Es ist, wie es ist, und weil es so ist, kann es nicht anders sein."
Wie so oft bei FAZ-Autor Marcus Jauer hört sich das echt Simple echt gut an.
Die FR übrigens macht auf zwei neue Zeitschriften für Alltagsphilosophen aufmerksam, das "Philosophie Magazin" einerseits und "Hohe Luft" – nicht zu verwechseln mit ‚heiße Luft’ – andererseits. Die Überschrift des FR-Artikels wendet sich im Prinzip an alle: "Du sollst denken!"
"Frank und seine Frau Simone […] sehen sich nicht an, als sie die Diagnose hören. Sie blicken stumm geradeaus. Simones Mundwinkel zucken. Franks Augen, ohnehin vergrößert hinter einer Brille, werden noch weiter und dunkler, er sucht einen Fixpunkt für seinen Blick. Der Arzt bekommt einen Anruf. Krankenhausroutine. Schon ist das Leben weitergegangen, über Frank und sein Todesurteil hinweg."
In der BERLINER ZEITUNG greift Film-Kritikerin Anke Westphal zum allerhöchsten Lob: für Milan Peschel in der Rolle des Frank und Steffi Kühnert als dessen Frau Simone:
""Weiß die Welt eigentlich inzwischen, was das für Ausnahmeschauspieler sind? Man möchte stumm niederknien vor ihnen. Gemeinsam mit seinen Darstellern hat Andreas Dresen einen Film entwickelt, der im Abschiednehmen die Idee eines verantwortlichen Lebens feiert. Das darf normal sein, unvollkommen, nur eben nicht feige."
Viel skeptischer äußert sich Bert Rebhandel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Andreas Dresen erzählt von einem Ausnahmezustand so, wie er in seinen früheren Filmen vom Alltag erzählt hat […]. Man könnte bei ‚Halt auf freier Strecke’ von einem Realismus sprechen, der mit allem rechnet, nur nicht mit dem Zerbrechen der Realität. Das ist tröstlich, aber auch eine Zumutung."
In der Tageszeitung DIE WELT überträgt bereits die Unterschrift des Bildes, das den kranken Frank mit seinem Sohn Mika zeigt, die ganze Beklemmung, die Dresens Film auslöst:
"Wenn Papa tot ist, darf Mika das Smartphone haben, das dem Vater als Sterbetagebuch gedient hat."
"Den Museumsgründer Heinz Berggruen posthum vom Sockel stoßen" – das will laut FRANKFURTER RUNDSCHAU die Buchautorin Vivien Stein mit ihrem Werk "Heinz Berggruen. Leben und Legende". Berggruen erscheint darin als abgefeimter Sammler, der Steuern hinterzieht, Schwarzgeld verschiebt und in Deutschland aus opportunistischen Gründen sein Judentum in den Vordergrund rückt – Stichwort: Hofjude.
Stephan Speicher hatte sich Steins Anwürfe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ganzseitig zu eigen gemacht. Nun aber melden sich die Verteidiger Berggruens:
"Die Deutschen werden sich ihren Berggruen […] nicht miesmachen lassen. Und ehrlich: Wer hat je geglaubt, dass Kunsthändler Heilige sind? Hätte Vivien Stein ihr Buch kühl und analytisch geschrieben – nur nicht mit diesem üblen Ingrimm. Es hätte ein Sittenbild des Kunsthandels werden können","
bedauert Sebastian Preuss in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Und im Berliner TAGESSPIEGEL wettert Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Die Strategie dieses Demontageversuchs [von Stein] ist abstoßend, doch es spricht für den wachen Geist der Öffentlichkeit, dass nur wenige dem perfiden Machwerk auf den Leim gegangen sind."
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet Marcus Jauer unter dem hübschen Titel "Die Demokratie leidet an akuter Alternativlosigkeit" vom CDU-Parteitag in Leipzig und kommt schließlich aufs große Ganze:
"Es ist der Eindruck scheinbarer Ausweglosigkeit, den man bisher von der Demokratie nicht gewohnt war. Die Probleme zu komplex, sie zu verstehen, die Lösungen zu fragil, sie zu hinterfragen, die Alternativen ignoriert. Als bestätige sich die Gegenwart, einfach indem sie der Fall ist. Es ist, wie es ist, und weil es so ist, kann es nicht anders sein."
Wie so oft bei FAZ-Autor Marcus Jauer hört sich das echt Simple echt gut an.
Die FR übrigens macht auf zwei neue Zeitschriften für Alltagsphilosophen aufmerksam, das "Philosophie Magazin" einerseits und "Hohe Luft" – nicht zu verwechseln mit ‚heiße Luft’ – andererseits. Die Überschrift des FR-Artikels wendet sich im Prinzip an alle: "Du sollst denken!"