Von Arno Orzessek

Eine Buchveröffentlichung von Dieter Thomas Heck, die Premiere des neuen Spielberg-Films "Die Abenteuer von Tim & Struppi" und die Situation in der Ukraine sind die Themen, die heute die Feuilletons der großen Tageszeitungen beschäftigen.
"Ein Kritiker ist für mich wie ein Eunuch. Er weiß, wie es geht, aber er kann es nicht","

lässt der 73jährige Dieter Thomas Heck im Interview mit der BERLINER ZEITUNG seinen Herrenwitz funkeln.

Maurice Summen stellt den Ex-Moderator der ZDF-Hitparade - ironisch oder nicht - als ""lebende Legende der deutschen Popkultur" vor und parliert mit ihm "über deutschen Schlager und deutschen Käse".

Wie man sich denken kann, hat das gefällige Interview unter dem Titel "Banalitäten versteht man nur in der Muttersprache" einen Aufhänger: Im Hamburger Edel Verlag ist eine Heck-Biografie erschienen.

Soweit unser Service für die Freunde von Schlager und Käse.

Gar nicht einverstanden sind die Kritiker mit Steven Spielbergs Verfilmung von "Das Geheimnis der ‚Einhorn’", dem Comic-Abenteuer Tims und Struppis aus der Feder von Georges Remi alias Hergé.

"Dass die Handlung kindisch ist - verziehen. Dass sich der vollständig computergenerierte Struppi bisweilen wenig realitätsnah bewegt - erstaunlich bei diesem Aufwand, aber vernachlässigbar. Aber dass Spielberg und [Hilfsregisseur] Jackson eine der mythischen Hergé-Geschichten wählen, dann jedoch deren jedem Leser unvergessliche Momente streichen - die Tauchgänge mit dem Haifisch-Tauchboot oder den ersten Auftritt von Professor Bienlein - das ist unbegreiflich","

mosert Andreas Platthaus in der FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, und man erkennt im Feuilletonisten das Kind wieder, das einst mit Tim und Struppi die Welt entdeckt hat.

Fritz Göttler nimmt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG das Performance-Capture-Verfahren aufs Korn, das Animationsfilme wirklichkeitsnah erscheinen lassen soll.

""Dieser ‚Tim und Struppi’-Film […] handhabt […] [das Verfahren] so perfekt, dass er in einem toten Niemandsland landet, mit monströsen Figuren, die bei aller Rasanz, zu der die Dramaturgie sie verdonnert, ihre plastilinöse Plumpheit nicht kaschieren können. Sie sind nicht Mensch und nicht Phantasiewesen, kennen keinen Ort und keine Zeit, die ihnen gehören, haben keine kinetische Intelligenz, keine Leichtigkeit und Eleganz, keine Transparenz."

So SZ-Autor Göttler, dessen Artikel eines gewiss nicht aufweist: plastilinöse Plumpheit.

Vom monströsen Alltag in der französischen Hauptstadt erzählt das Doku-Drama "Poliezei" - Poliezei mit i-e - der französischen Regisseurin Maiwenn Le Besco.

"Das Paris von ‚Poliezei’ ist eine Stadt, in der Mütter ihre Kinder auf der Straße schütteln, weil diese schreien und sie die Nerven verlieren. Wo Drogensüchtige ihre Säuglinge entführen und fallen lassen, wenn sie verhaftet werden. Wo Vergewaltigte ihre Babys im Bauch töten und zur Welt bringen und lieb haben und wieder nicht. Wo Eltern ihre Kinder zu Bettelbrigaden ausbilden. Wo Mütter nichts dabei finden, ihre Einjährigen mit dem Mund zu befriedigen, weil es angeblich beruhigt. Wo Mütter keine Worte finden für das was ihre Gatten ihren Kindern antun […]. Wo Väter ihre Töchter penetrieren und stolz darauf sind."

So das lichtblicklose Paris-Porträt, das Elmar Krekeler in der Tageszeitung DIE WELT nach der Besichtigung von Le Bescos "Poliezei" verfasst.

Genauso dunkel ist das Bild, dass der Schriftsteller Juri Andruchowytsch von der Ukraine zeichnet.

Im Interview mit der TAGESZEITUNG unterstreicht Andruchowytsch, dass von der orangenen Revolution 2004 nichts mehr übrig geblieben ist - außer der Hoffnung auf eine Wiederholung: "Allerdings fürchte ich, dass sie nicht so friedlich und schön wird wie die orangene Revolution."

Nachfrage der TAZ: "Wieso nicht?" Antwort Andruchowytsch:

"Die heutigen Machthaber um Wiktor Janukowitsch tun alles, um die Brücken zur Opposition niederzubrennen. […] Sie alle entstammen dem Donbass, dem stalinistisch geprägten Osten der Ukraine. Das bedeutet, sie sind in einer ganz bestimmten politischen Kultur - oder besser: einer Antikultur - groß geworden und pflegen sie." -

Um nicht mit dem kommenden Stalinismus zu enden, enden wir mit Worten von FAZ-Autor Christian Wildhagen:

"Über den Sumpf des Schicksals lacht allein die Sphinx. Doch das Subjekt singt sich herrlich frei."

Worum es genau geht, lesen Sie bitte selbst nach.