Von Arno Orzessek
Die Grünen schreiben immer neue Erfolgsgeschichten, sind jetzt sogar für ein Musical zu gebrauchen. Im Kino tobt der Meinungskampf der Kritiker um "The Tree of Life". Und halbnackte Fußballerinnen provozieren die x-te "Schmuddelbilder"-Debatte.
Es war nicht zuletzt eine grüne Woche. In der Tageszeitung DIE WELT porträtierte Ulf Poschardt den neuen Porsche 911, der dem Publikum im Herbst übergeben wird, unter der hübschen Überschrift "Kritik der grünen Vernunft". Der Artikel über den Sportwagen, der in der Version Carrera 360 PS mobilisiert, fiel dann stark ab. Poschardt hatte es nämlich nicht bis zur Probefahrt mit einem Vorserien-Fahrzeug gebracht, sondern offerierte in der WELT nur eine "exklusive Erstbesichtung".
"[Der Elfer] gibt von vorne den Intellektuellen und hat hinten die Maske des Rächers übergezogen. […] Er ist ein Mahnmal heiterer Angrifflust. Das passende Auto für unsere Zeit", freute sich der WELT-Autor Poschardt in seiner unerfreulich seichten Eloge auf das politisch Inkorrekte.
In der TAGESZEITUNG wandte sich der Publizist Aram Lintzel, Mitarbeiter der Grünen-Bundestagsfraktion, gegen den Dauereinsatz des Begriffs "Hysterie":
"Die Anti-Atom-Kraft-Bewegung und die Venedig-Biennale, die Ehec-Angst und die deutsche Ai-Wie-Wie-Debatte: All das und noch mehr bekam das Label ['Hysterie'] verpasst. […] [Hysterie] ist das allseits bereite Passepartout, sobald die Repräsentanten der puren Vernunft sich vom Irrationalen bedroht fühlen. […] Hysterisch sind immer die anderen", mokierte sich Aram Lintzel.
Die Grünen. Eine Erfolgsgeschichte heißt ein in Freiburg uraufgeführtes Theaterstück, das erklärlicherweise viel Aufmerksamkeit fand. Das dokumentarisch unterfütterte Werk, für das die Freiburger Chefdramaturgin Viola Hasselberg und der Regisseur Jarg Pataki verantwortlich zeichnen, fiel allerdings durch. Die Aufführung komme über "sattsam bekannte Klischees der Ökopartei nicht hinaus", bemängelte Jürgen Berger in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und präzisierte:
"Viola Hasselberg und Jarg Pataki dachten wohl, ihr fleißig gesammeltes Material erkläre sich von selbst. Das Material allerdings hat grausam zurückgeschlagen und führt vor Augen, dass es nicht nur um Geschichte gehen sollte, sondern auch um Geschichten. Genau auf die wartet man in Freiburg vergeblich."
Martin Halter resümierte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Das Parteitheater ergreift […] ästhetisch und politisch durchaus Partei: für die guten, alten Grünen, die am liebsten ewig tanzen, singen und selig lächelnd mit einer aufgeblasenen Weltkugel spielen würden, gegen die Trittins und Künasts, die ihr Sonnenblumenlogo eiskalt als Marke und ihr hohles Pathos als erneuerbare Energie inszenieren."
Mit dem Realitätssinn der Grünen in der Berliner Wirklichkeit befasste sich Peter Michalzik in der FRANKFURTER RUNDSCHAU am Beispiel einer berühmten Straße:
"Die Kastanienallee ist ein Straße gewordener Tourismustraum. […] Ein paar Autos zockeln vorbei. Kinderwägen mit glücklichen Eltern zockeln vorbei. Und die Straßenbahnen, die vorbeizockeln, sind auch glücklich. Ein echtes Biotop also für die Grünen […], denkt man. […] Und was tun sie in der Kastanienallee? […] Sie wollen sie verbreitern, die Gehwegplatten begradigen, dem Verkehr mehr Raum geben!"
Beileibe kein grünes Statement, wohl aber ein Film, der Schönheit und Gewalt der Natur verherrlicht, ist The Tree of Life von Terrence Malick. Das Werk, das auf der zugänglichsten Ebene die Geschichte der Familie O’Brian samt dem Tod eines Sohnes erzählt, wurde beim Filmfestival in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Weshalb Verena Lueken in der FAZ ihr erstes Seherlebnis nun mit dem zweiten abglich:
"Wird hier die Kleinheit des Menschen angesichts der Größe Gottes und seiner Schöpfung beschworen? Wird Schicksalsergebenheit gepredigt? Wird überhaupt ein bisschen viel gepredigt? Es wird gar nicht gepredigt, das macht ein zweites Sehen ganz klar. Und was beim ersten Mal in Cannes noch eine Ahnung war, liegt beim zweiten offen vor Augen. Dies ist, mit allem, was das abgedroschene Wort einmal bedeutete, eine Trauerarbeit", konstatierte, einigermaßen ergriffen, die FAZ-Autorin Lueken.
Harald Peters lobte und spottete in der WELT:
"Kein anderer Regisseur kann Naturphänomene so bezaubernd in Szene setzen wie […] [Malick]. Man könnte um jede Einstellung einen Rahmen ziehen und sie sich an die Wand hängen. Nur wiedergeben, worum es in Malicks Film eigentlich geht, kann man leider nicht. Was dumm ist, da man das Gefühl hat, dass es dem Regisseur um etwas gehen könnte."
Am Ende seiner sprachtrunkenen Kritik "Im Schoß der Weltmutter" reißt Thomas Assheuer in der Wochenzeitung DIE ZEIT der Geduldsfaden:
"Viele Rezensenten sind vor The Tree of Life auf die Knie gegangen, sie schwenkten das Weihrauchfässlein und halten das Opus magnum für große Religion. Aber wie schon [der Malick-Film] Der schmale Grat ist es großer mythologischer Kitsch, der das Publikum glauben macht, der Weg zum Leben führe über den Tod, über Opfer und Leid. Gegen den Regisseur Terrence Malick ist Papst Benedikt ein Aufklärer."
Weil bald die Fußballweltmeisterschaft der Frauen beginnt, haben sich einige junge deutsche Nationalspielerinnen für den Playboy nicht gerade hard core ausgezogen, aber doch in dünnen T-Shirts stark befeuchtet fotografieren lassen… Worüber Iris Radisch in selbiger ZEIT motzt:
"Die trügerische Botschaft der emanzipierten und aufgeklärten Pornografie, dass weibliches Selbstbewusstsein und weibliche Unterwerfung unter männliche Körper- und Bildsprachen sich nicht länger ausschließen, ist vielleicht noch niederschmetternder als die alten Schmuddelbilder, die zwar furchtbar waren, aber den Vorzug der frauenfeindlichen Eindeutigkeit hatten."
Am Ende der grünen Woche dominierten in den Feuilletons die Reflexionen auf die Europa-Rede, die Jürgen Habermas in Berlin gehalten hatte. Weil uns aber nicht einfällt, wie wir von den Schmuddelbildern sauber auf Habermas kommen sollen, und unsere Zeit eh um ist, enden wir mit einem melodramatischen Vers aus dem Gedicht Rosen von Gottfried Benn. Die FAZ stellte es in der Frankfurter Anthologie vor:
Wenn erst die Rosen verinnen
aus Vasen oder vom Strauch
und ihr Entblättern beginnen,
fallen die Tränen auch.
"[Der Elfer] gibt von vorne den Intellektuellen und hat hinten die Maske des Rächers übergezogen. […] Er ist ein Mahnmal heiterer Angrifflust. Das passende Auto für unsere Zeit", freute sich der WELT-Autor Poschardt in seiner unerfreulich seichten Eloge auf das politisch Inkorrekte.
In der TAGESZEITUNG wandte sich der Publizist Aram Lintzel, Mitarbeiter der Grünen-Bundestagsfraktion, gegen den Dauereinsatz des Begriffs "Hysterie":
"Die Anti-Atom-Kraft-Bewegung und die Venedig-Biennale, die Ehec-Angst und die deutsche Ai-Wie-Wie-Debatte: All das und noch mehr bekam das Label ['Hysterie'] verpasst. […] [Hysterie] ist das allseits bereite Passepartout, sobald die Repräsentanten der puren Vernunft sich vom Irrationalen bedroht fühlen. […] Hysterisch sind immer die anderen", mokierte sich Aram Lintzel.
Die Grünen. Eine Erfolgsgeschichte heißt ein in Freiburg uraufgeführtes Theaterstück, das erklärlicherweise viel Aufmerksamkeit fand. Das dokumentarisch unterfütterte Werk, für das die Freiburger Chefdramaturgin Viola Hasselberg und der Regisseur Jarg Pataki verantwortlich zeichnen, fiel allerdings durch. Die Aufführung komme über "sattsam bekannte Klischees der Ökopartei nicht hinaus", bemängelte Jürgen Berger in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und präzisierte:
"Viola Hasselberg und Jarg Pataki dachten wohl, ihr fleißig gesammeltes Material erkläre sich von selbst. Das Material allerdings hat grausam zurückgeschlagen und führt vor Augen, dass es nicht nur um Geschichte gehen sollte, sondern auch um Geschichten. Genau auf die wartet man in Freiburg vergeblich."
Martin Halter resümierte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Das Parteitheater ergreift […] ästhetisch und politisch durchaus Partei: für die guten, alten Grünen, die am liebsten ewig tanzen, singen und selig lächelnd mit einer aufgeblasenen Weltkugel spielen würden, gegen die Trittins und Künasts, die ihr Sonnenblumenlogo eiskalt als Marke und ihr hohles Pathos als erneuerbare Energie inszenieren."
Mit dem Realitätssinn der Grünen in der Berliner Wirklichkeit befasste sich Peter Michalzik in der FRANKFURTER RUNDSCHAU am Beispiel einer berühmten Straße:
"Die Kastanienallee ist ein Straße gewordener Tourismustraum. […] Ein paar Autos zockeln vorbei. Kinderwägen mit glücklichen Eltern zockeln vorbei. Und die Straßenbahnen, die vorbeizockeln, sind auch glücklich. Ein echtes Biotop also für die Grünen […], denkt man. […] Und was tun sie in der Kastanienallee? […] Sie wollen sie verbreitern, die Gehwegplatten begradigen, dem Verkehr mehr Raum geben!"
Beileibe kein grünes Statement, wohl aber ein Film, der Schönheit und Gewalt der Natur verherrlicht, ist The Tree of Life von Terrence Malick. Das Werk, das auf der zugänglichsten Ebene die Geschichte der Familie O’Brian samt dem Tod eines Sohnes erzählt, wurde beim Filmfestival in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Weshalb Verena Lueken in der FAZ ihr erstes Seherlebnis nun mit dem zweiten abglich:
"Wird hier die Kleinheit des Menschen angesichts der Größe Gottes und seiner Schöpfung beschworen? Wird Schicksalsergebenheit gepredigt? Wird überhaupt ein bisschen viel gepredigt? Es wird gar nicht gepredigt, das macht ein zweites Sehen ganz klar. Und was beim ersten Mal in Cannes noch eine Ahnung war, liegt beim zweiten offen vor Augen. Dies ist, mit allem, was das abgedroschene Wort einmal bedeutete, eine Trauerarbeit", konstatierte, einigermaßen ergriffen, die FAZ-Autorin Lueken.
Harald Peters lobte und spottete in der WELT:
"Kein anderer Regisseur kann Naturphänomene so bezaubernd in Szene setzen wie […] [Malick]. Man könnte um jede Einstellung einen Rahmen ziehen und sie sich an die Wand hängen. Nur wiedergeben, worum es in Malicks Film eigentlich geht, kann man leider nicht. Was dumm ist, da man das Gefühl hat, dass es dem Regisseur um etwas gehen könnte."
Am Ende seiner sprachtrunkenen Kritik "Im Schoß der Weltmutter" reißt Thomas Assheuer in der Wochenzeitung DIE ZEIT der Geduldsfaden:
"Viele Rezensenten sind vor The Tree of Life auf die Knie gegangen, sie schwenkten das Weihrauchfässlein und halten das Opus magnum für große Religion. Aber wie schon [der Malick-Film] Der schmale Grat ist es großer mythologischer Kitsch, der das Publikum glauben macht, der Weg zum Leben führe über den Tod, über Opfer und Leid. Gegen den Regisseur Terrence Malick ist Papst Benedikt ein Aufklärer."
Weil bald die Fußballweltmeisterschaft der Frauen beginnt, haben sich einige junge deutsche Nationalspielerinnen für den Playboy nicht gerade hard core ausgezogen, aber doch in dünnen T-Shirts stark befeuchtet fotografieren lassen… Worüber Iris Radisch in selbiger ZEIT motzt:
"Die trügerische Botschaft der emanzipierten und aufgeklärten Pornografie, dass weibliches Selbstbewusstsein und weibliche Unterwerfung unter männliche Körper- und Bildsprachen sich nicht länger ausschließen, ist vielleicht noch niederschmetternder als die alten Schmuddelbilder, die zwar furchtbar waren, aber den Vorzug der frauenfeindlichen Eindeutigkeit hatten."
Am Ende der grünen Woche dominierten in den Feuilletons die Reflexionen auf die Europa-Rede, die Jürgen Habermas in Berlin gehalten hatte. Weil uns aber nicht einfällt, wie wir von den Schmuddelbildern sauber auf Habermas kommen sollen, und unsere Zeit eh um ist, enden wir mit einem melodramatischen Vers aus dem Gedicht Rosen von Gottfried Benn. Die FAZ stellte es in der Frankfurter Anthologie vor:
Wenn erst die Rosen verinnen
aus Vasen oder vom Strauch
und ihr Entblättern beginnen,
fallen die Tränen auch.