Von Arno Orzessek
In der FAZ erläutert der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, warum die Gewalttaten Gaddafis die Angriffe auf Libyen nicht rechtfertigen. Der Schriftsteller Antonio Tabucchi zeigt sich in der SZ anlässlich des 150. Jubiläums der Einheit Italiens resigniert. Und die "Berliner Zeitung" gratuliert Bruno Ganz zum 70. Geburtstag.
Wir reiben uns immer noch die Augen, jetzt schon seit Tagen. Da haben sich die Alliierten also eine UN-Resolution besorgt und bombardieren nun fleißig Libyen. Sie tun es, um die Attacken ihres alten Kumpels Gaddafi auf die Aufständischen einzudämmen. Es ist ein Triumph des guten Willens, dieser Ressource, über die der Westen wie über einen unerschöpflichen Bodenschatz verfügt.
Deutschland aber, seit dem Kosovokrieg in moralisch-militärischer Weltverbesserung geübt, Deutschland bombt einfach nicht mit. Und es tut gut daran - jedenfalls, wenn man dem Rechtsphilosophen Reinhard Merkel folgt. In der FRANKFURTER ALLGEIMEINEN ZEITUNG bestreitet Merkel, dass die Gewalttaten von Gaddafis Getreuen die Angriffe rechtfertigen.
"Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen. Kämpfende Aufständische, und wären sie Stunden zuvor noch Bäcker, Schuster und Lehrer gewesen, sind keine Zivilisten. Dass Gaddafis Truppen gezielt Zivilisten töten, ist vielfach behauptet, aber nirgends glaubhaft belegt worden. Und jeder nach außen legitimierte, also autonome Staat der Welt, darf - in bestimmten Grenzen - bewaffnete Aufstände zunächst einmal bekämpfen."
Luftschlagsfreunde wird diese Argumentation sicher verärgern. Und tatsächlich legt es FAZ-Autor Merkel darauf an, den Wunschtraum vom gerechten Krieg zu zerstören.
"Ganz gewiss: Gaddafi ist ein Schurke, dessen Entfernung von der Macht ein Segen wäre, nicht nur für Libyen. Aber die Annahme, die ihn bekämpfenden Rebellen seien eine Demokratiebewegung mit homogenen freiheitlichen Zielen, ist lebensblind. Niemand durchschaut das dunkle Gemisch politisch-ideologischer Orientierungen unter den Rebellen derzeit auch nur annähernd. Was man dagegen sehr genau kennt, sind die Schwierigkeiten eines demokratischen State-Building ohne historisches Fundament und nach einem extern erzwungenen Regimewechsel. Sollte man nicht meinen, die führenden Politiker der westlichen Welt hätten das inzwischen gelernt?"
Vom Krieg zum Frieden. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nimmt der Schriftsteller Antonio Tabucchi das 150. Jubiläum der Einheit Italiens zum Anlass, damals und heute in ein Verhältnis zu setzen - in welches, das kann sich jeder denken.
""Vor 150 Jahren gab es die Idee einer gemeinsamen Zukunft, ein von allen geteiltes Gut, ein politisches und soziales Projekt. Es gab eine Sehnsucht. Heute so scheint es, haben die Politiker der Opposition nur Sehnsüchte, aber scheinbar kein Projekt für das ganze Land mehr, sie sind bar einer Idee für eine gemeinsame Zukunft." "
Tabucchis Aufsatz in der SZ heißt "Der zerbrochene Spiegel" und verstrahlt immense Müdigkeit. Es muss schlimm um Italien stehen.
Ihr 150. Bestehen feiert auch die Berliner Alte Nationalgalerie und zeigt deshalb die Sammlung des Gründers Joachim Heinrich Wagener.
In der Tageszeitung DIE WELT erteilt Tim Ackermann dem heutigen Chef des Hauses großes Lob - es gäbe "keinen erfindungsreicheren Museumsdirektor" in Deutschland als Udo Kittelmann - und berichtet von der Aktualität der Wagener-Sammlung:
"Ein Gemälde wie die 'Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang' von Alexander Kopisch hätte auch in den psychedelischen Sechzigern gemalt werden können. Das Bild sieht aus wie ein Plattencover von Tangerine Dream."
Genauso wie die Alte Nationalgalerie wird eine andere Kulturinstitution gefeiert: Nämlich Bruno Ganz, nunmehr 70 Jahre alt.
"In höchster Vollendung wird die Kunst wieder Natur", schwärmt Ulrich Weinzierl in der WELT und spricht Ganz "männliche Grazie, kühle Reflexion und intellektuelle Poesie" zu.
In der BERLINER ZEITUNG liest man eine schöne Selbstauskunft von Ganz:
"Meine Glaubwürdigkeit und Authentizität hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich mich wirklich bemühe, genau die Teile einer Figur zu finden, die mit mir übereinstimmen, und die ich sozusagen mit mir selbst besetzen kann."
Herzlichen Glückwunsch, Bruno Ganz! Besetzen Sie Ihre Figuren bitte weiterhin mit sich selbst!
Deutschland aber, seit dem Kosovokrieg in moralisch-militärischer Weltverbesserung geübt, Deutschland bombt einfach nicht mit. Und es tut gut daran - jedenfalls, wenn man dem Rechtsphilosophen Reinhard Merkel folgt. In der FRANKFURTER ALLGEIMEINEN ZEITUNG bestreitet Merkel, dass die Gewalttaten von Gaddafis Getreuen die Angriffe rechtfertigen.
"Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen. Kämpfende Aufständische, und wären sie Stunden zuvor noch Bäcker, Schuster und Lehrer gewesen, sind keine Zivilisten. Dass Gaddafis Truppen gezielt Zivilisten töten, ist vielfach behauptet, aber nirgends glaubhaft belegt worden. Und jeder nach außen legitimierte, also autonome Staat der Welt, darf - in bestimmten Grenzen - bewaffnete Aufstände zunächst einmal bekämpfen."
Luftschlagsfreunde wird diese Argumentation sicher verärgern. Und tatsächlich legt es FAZ-Autor Merkel darauf an, den Wunschtraum vom gerechten Krieg zu zerstören.
"Ganz gewiss: Gaddafi ist ein Schurke, dessen Entfernung von der Macht ein Segen wäre, nicht nur für Libyen. Aber die Annahme, die ihn bekämpfenden Rebellen seien eine Demokratiebewegung mit homogenen freiheitlichen Zielen, ist lebensblind. Niemand durchschaut das dunkle Gemisch politisch-ideologischer Orientierungen unter den Rebellen derzeit auch nur annähernd. Was man dagegen sehr genau kennt, sind die Schwierigkeiten eines demokratischen State-Building ohne historisches Fundament und nach einem extern erzwungenen Regimewechsel. Sollte man nicht meinen, die führenden Politiker der westlichen Welt hätten das inzwischen gelernt?"
Vom Krieg zum Frieden. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nimmt der Schriftsteller Antonio Tabucchi das 150. Jubiläum der Einheit Italiens zum Anlass, damals und heute in ein Verhältnis zu setzen - in welches, das kann sich jeder denken.
""Vor 150 Jahren gab es die Idee einer gemeinsamen Zukunft, ein von allen geteiltes Gut, ein politisches und soziales Projekt. Es gab eine Sehnsucht. Heute so scheint es, haben die Politiker der Opposition nur Sehnsüchte, aber scheinbar kein Projekt für das ganze Land mehr, sie sind bar einer Idee für eine gemeinsame Zukunft." "
Tabucchis Aufsatz in der SZ heißt "Der zerbrochene Spiegel" und verstrahlt immense Müdigkeit. Es muss schlimm um Italien stehen.
Ihr 150. Bestehen feiert auch die Berliner Alte Nationalgalerie und zeigt deshalb die Sammlung des Gründers Joachim Heinrich Wagener.
In der Tageszeitung DIE WELT erteilt Tim Ackermann dem heutigen Chef des Hauses großes Lob - es gäbe "keinen erfindungsreicheren Museumsdirektor" in Deutschland als Udo Kittelmann - und berichtet von der Aktualität der Wagener-Sammlung:
"Ein Gemälde wie die 'Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang' von Alexander Kopisch hätte auch in den psychedelischen Sechzigern gemalt werden können. Das Bild sieht aus wie ein Plattencover von Tangerine Dream."
Genauso wie die Alte Nationalgalerie wird eine andere Kulturinstitution gefeiert: Nämlich Bruno Ganz, nunmehr 70 Jahre alt.
"In höchster Vollendung wird die Kunst wieder Natur", schwärmt Ulrich Weinzierl in der WELT und spricht Ganz "männliche Grazie, kühle Reflexion und intellektuelle Poesie" zu.
In der BERLINER ZEITUNG liest man eine schöne Selbstauskunft von Ganz:
"Meine Glaubwürdigkeit und Authentizität hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich mich wirklich bemühe, genau die Teile einer Figur zu finden, die mit mir übereinstimmen, und die ich sozusagen mit mir selbst besetzen kann."
Herzlichen Glückwunsch, Bruno Ganz! Besetzen Sie Ihre Figuren bitte weiterhin mit sich selbst!