Von Arno Orzessek
Astrid Herbold sinniert im "Tagesspiegel" über "Die Welt der Apps als Ablenkung und Subversion". Der Film "Black Swan" von Darren Aronofsky stößt in den Feuilletons auf ein geteiltes Echo.
"Ich simuliere, also bin ich",
überschreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG einen dieser blatt-typischen Besinnungsartikel, die dem Beschleunigungswahn widerstehen und sich vor zwei Jahren genauso gut gemacht hätten wie in zwei Jahren.
Der Autor heißt Dr. Eduard Kaeser, ist laut Erläuterung "Gymnasiallehrer für Physik und Philosophie an der Kantonsschule Olten" und schreibt anschaulich:
"Kinder [...] lernen schon früh, Reales und Simuliertes zu mischen und zu unterscheiden. Das ist ja der Sinn des Spiels. Das Kind sieht seinen Vater brüllen und herumschleichen wie ein Tiger, und es gluckst vor Lust. Würde es so etwas glauben, wäre es tief traumatisiert."
Indessen kennt NZZ-Autor Kaeser auch die Gefahren der Simulation. Er erinnert an die südkoreanischen Eltern, die ihr echtes Baby verhungern ließen, weil sie sich um ihr Avatarbaby kümmern mussten.
"Wenn unser inneres Navigationssystem derart in Schieflage gerät [warnt Kaeser], haben wir in der Tat ein Problem, ein echtes. Fast scheint es, als müssten wir in der digitalen Vertigo den aufrechten Gang ein zweites Mal lernen. Diesmal nicht naturgeschichtlich, sondern zivilisationsgeschichtlich. Denn es gibt kein richtiges Leben im Virtuellen."
Soviel zur Evolution des Menschen im Allgemeinen.
Konkreter wird im Berliner TAGESSPIEGEL Astrid Herbold, die über "Die Welt der Apps als Ablenkung und Subversion" nachdenkt, im Anschluss an die schopenhauernde Unterzeile aber nicht den Autor von "Die Welt als Wille und Vorstellung" zitiert, sondern Thomas von Aquin.
Thomas hatte in seiner "Summa Theologica" von 1270 das heutige Herumdaddeln zwar noch nicht vorausgesehen, sich wohl aber Gedanken zum Spieltrieb gemacht:
"'Sagen oder Tun, in dem nur eine seelische Freuung gesucht wird, nennt man Spiel oder Scherz. Es ist notwendig, zuweilen derlei zu gebrauchen, sozusagen zu einer gewissen Beruhigung der Seele'","
lobt Thomas von Aquin im Berliner TAGESSPIEGEL den tätigen Müßiggang. Ansonsten behandelt der Artikel die neuesten "Casual Games", darunter "'Angry Birds'", "'Doodle Jump'" und "'Fruit Ninja'" ... Namen, die echten Daddlern bestimmt etwas sagen.
Die gestrenge Ursula Sarrazin würde in der Reinhold-Otto-Grundschule im Berliner Westend das Daddeln sicher unterbinden. Ihre Kritiker behaupten sogar, sie würde ihre Schüler nicht nur schreiend maßregeln, sondern hätte einen von ihnen ein "armseliges Opfer" genannt und einem anderen mit der Blockflöte auf den Scheitel geschlagen.
""Es hängt viel davon ab, wie diese groteske Affäre beigelegt wird. Viele Lehrer sehen dem Treiben, unabhängig davon, was sie von [Thilo] Sarrazin und seinem Buch halten, mit Befremden zu. Wenn es möglich wird, dass unzufriedene Eltern nur die Medien mobilisieren müssen, um zu ihrem vermeintlichen Recht zu kommen, wird der Schulalltag noch schwieriger","
resümiert Regina Mönch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Lagerkampf an den Berliner Schulen.
Nun aber zum Erfreulichen und Schönen, nämlich zu Natalie Portman, das heißt, zu Darren Aronofskys Film "Black Swan", in dem Portmann die ehrgeizige Tänzerin Nina Sayers spielt.
""Ihr frigider Arbeitskörper soll mit einem hervorzulockenden Lustkörper verschmolzen werden - nur so wird sie sich zu einer vollständigen, ausdrucksstarken Künstlerin entfalten","
skizziert Rainer Gansera in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG die Ausgangssituation in "Black Swan".
In der BERLINER ZEITUNG behauptet Bert Rebhandl, der Film wirbele "billige Thrillerformeln und die hohen Kunst des Balletts durcheinander", spricht sogar von "Kasperle-Theater", schätzt das Ergebnis aber aufgrund der "Intensität der Inszenierung" dann doch.
Verena Lueken gibt ihr Urteil in der FAZ unter der Überschrift "Der Wahn vom Schwan" ab:
""Letztlich ist 'Black Swan' [...] eine Erzählung von der Auflösung des Prinzips der Repräsentation. Es ist die Horrorgeschichte vom Einswerden von Leben und Kunst."
Was an die eingangs erwähnte NZZ-These - "Ich simuliere, also bin ich" - erinnert.
Die Überschrift des Tages - sie steht im TAGESSPIEGEL - ist ein Zitat, das der niederländische Journalist Koen Kleijn dem rechten Politiker Geert Wilders zuschreibt:
""'Kunst ist doch nur ein linkes Hobby'"."
überschreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG einen dieser blatt-typischen Besinnungsartikel, die dem Beschleunigungswahn widerstehen und sich vor zwei Jahren genauso gut gemacht hätten wie in zwei Jahren.
Der Autor heißt Dr. Eduard Kaeser, ist laut Erläuterung "Gymnasiallehrer für Physik und Philosophie an der Kantonsschule Olten" und schreibt anschaulich:
"Kinder [...] lernen schon früh, Reales und Simuliertes zu mischen und zu unterscheiden. Das ist ja der Sinn des Spiels. Das Kind sieht seinen Vater brüllen und herumschleichen wie ein Tiger, und es gluckst vor Lust. Würde es so etwas glauben, wäre es tief traumatisiert."
Indessen kennt NZZ-Autor Kaeser auch die Gefahren der Simulation. Er erinnert an die südkoreanischen Eltern, die ihr echtes Baby verhungern ließen, weil sie sich um ihr Avatarbaby kümmern mussten.
"Wenn unser inneres Navigationssystem derart in Schieflage gerät [warnt Kaeser], haben wir in der Tat ein Problem, ein echtes. Fast scheint es, als müssten wir in der digitalen Vertigo den aufrechten Gang ein zweites Mal lernen. Diesmal nicht naturgeschichtlich, sondern zivilisationsgeschichtlich. Denn es gibt kein richtiges Leben im Virtuellen."
Soviel zur Evolution des Menschen im Allgemeinen.
Konkreter wird im Berliner TAGESSPIEGEL Astrid Herbold, die über "Die Welt der Apps als Ablenkung und Subversion" nachdenkt, im Anschluss an die schopenhauernde Unterzeile aber nicht den Autor von "Die Welt als Wille und Vorstellung" zitiert, sondern Thomas von Aquin.
Thomas hatte in seiner "Summa Theologica" von 1270 das heutige Herumdaddeln zwar noch nicht vorausgesehen, sich wohl aber Gedanken zum Spieltrieb gemacht:
"'Sagen oder Tun, in dem nur eine seelische Freuung gesucht wird, nennt man Spiel oder Scherz. Es ist notwendig, zuweilen derlei zu gebrauchen, sozusagen zu einer gewissen Beruhigung der Seele'","
lobt Thomas von Aquin im Berliner TAGESSPIEGEL den tätigen Müßiggang. Ansonsten behandelt der Artikel die neuesten "Casual Games", darunter "'Angry Birds'", "'Doodle Jump'" und "'Fruit Ninja'" ... Namen, die echten Daddlern bestimmt etwas sagen.
Die gestrenge Ursula Sarrazin würde in der Reinhold-Otto-Grundschule im Berliner Westend das Daddeln sicher unterbinden. Ihre Kritiker behaupten sogar, sie würde ihre Schüler nicht nur schreiend maßregeln, sondern hätte einen von ihnen ein "armseliges Opfer" genannt und einem anderen mit der Blockflöte auf den Scheitel geschlagen.
""Es hängt viel davon ab, wie diese groteske Affäre beigelegt wird. Viele Lehrer sehen dem Treiben, unabhängig davon, was sie von [Thilo] Sarrazin und seinem Buch halten, mit Befremden zu. Wenn es möglich wird, dass unzufriedene Eltern nur die Medien mobilisieren müssen, um zu ihrem vermeintlichen Recht zu kommen, wird der Schulalltag noch schwieriger","
resümiert Regina Mönch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Lagerkampf an den Berliner Schulen.
Nun aber zum Erfreulichen und Schönen, nämlich zu Natalie Portman, das heißt, zu Darren Aronofskys Film "Black Swan", in dem Portmann die ehrgeizige Tänzerin Nina Sayers spielt.
""Ihr frigider Arbeitskörper soll mit einem hervorzulockenden Lustkörper verschmolzen werden - nur so wird sie sich zu einer vollständigen, ausdrucksstarken Künstlerin entfalten","
skizziert Rainer Gansera in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG die Ausgangssituation in "Black Swan".
In der BERLINER ZEITUNG behauptet Bert Rebhandl, der Film wirbele "billige Thrillerformeln und die hohen Kunst des Balletts durcheinander", spricht sogar von "Kasperle-Theater", schätzt das Ergebnis aber aufgrund der "Intensität der Inszenierung" dann doch.
Verena Lueken gibt ihr Urteil in der FAZ unter der Überschrift "Der Wahn vom Schwan" ab:
""Letztlich ist 'Black Swan' [...] eine Erzählung von der Auflösung des Prinzips der Repräsentation. Es ist die Horrorgeschichte vom Einswerden von Leben und Kunst."
Was an die eingangs erwähnte NZZ-These - "Ich simuliere, also bin ich" - erinnert.
Die Überschrift des Tages - sie steht im TAGESSPIEGEL - ist ein Zitat, das der niederländische Journalist Koen Kleijn dem rechten Politiker Geert Wilders zuschreibt:
""'Kunst ist doch nur ein linkes Hobby'"."