Von Arno Orzessek
Die SZ würdigt drei Männer zu ihrem 80. Geburtstag: den US-Schauspieler Robert Duvall, den Pianisten Alfred Brendel und den spanischen Schriftsteller Juan Goytisolo. Die „Zeit“ fragt Jan Philipp Reemtsma über Heinrich von Kleist aus und die „Frankfurter Rundschau“ erinnert an die verstorbene Dichterin Eva Strittmatter.
"„Ich mach ein Lied aus Stille
Und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
Geht ein in mein Gedicht.“"
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zitiert aus dem ersten, 1973 in der DDR erschienenen Gedichtband der Lyrikerin Eva Strittmatter, die nun mit 80 Jahren gestorben ist.
Den Tod Strittmatters vermerkt die SZ in kaum 40 recht distanzierten Zeilen. Herzlicher werden die 80. Geburtstage von drei berühmten Männern gefeiert.
„Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen! Riecht nach Sieg!“
- behauptete einst in Francis Ford Coppolas Apokalypse Now Bill Kilgore alias Robert Duvall. SZ-Autor Rainer Gansera schreibt zu Duvalls 80.:
„Seine stärksten Figuren sind zugleich Visionäre und Bodenständige, imprägniert von biblischen Bildern der Verdammnis und Erlösung, der Höllenfahrt und des Aufbruchs ins gelobte Land. Einzelgänger, Fanatiker, Träumer, Tyrannen.“
Zum 80. von Alfred Brendel, früher Pianist, nun Dichter und Musikreisender, bemerkt Wolfgang Schreiber:
„Keine Minute habe er, beteuert Brendel im Gespräch, den Entschluss bereut, die Klavierkarriere an den Nagel zu hängen. Er muss sich beim Sprechen und Schreiben von keinem Konzerttermin und medialen Starpianistenstress mehr stören lassen.“
Das dritte SZ-Geburtstagskind von 80 Jahren ist der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo, der seit Langem in Marrakesch lebt.
„Zu diesem kritischen Zeitgenossen gehört, dass er im Leben wie in seiner Literatur Orte sucht und Positionen einnimmt, an denen sich geografische, ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen zugunsten hybrider Beziehungen verwischen, die der ‚Zwangsjacke kultureller Identität‘ auf sämtlichen Territorien des Lebens entbehren“, "
würdigt SZ-Autor Volker Breidecker den homophilen Schriftsteller Juan Goytisolo.
Anstatt nun mit Fritz Göttler auch noch den 70. Geburtstag des japanischen Zeichentrickmeisters Hayao Miyazaki zu feiern, flüchten wir aus der geriatrischen Abteilung des SZ-Feuilletons – und zwar mit Worten aus Heinrich von Kleists „Prinz von Homburg“:
„"Seit ich mein Grab sah, will ich nichts, als leben,
Und frage nichts mehr, ob es rühmlich sei!“
Der Literaturhistoriker Jan Philipp Reemtsma zitiert diese Verse im Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT, die mit mehreren Artikeln das Kleist-Jahr einläutet. 1811 hatte der getriebene, an der unzulänglichen Verfasstheit der Welt schwer leidende Dichter am Kleinen Wannsee seine Verlobte und sich selbst per Pistole getötet.
Über die notorische Gewalt in Kleists Leben und Werk bemerkt Reemtsma:
„Kleist hat versucht, einen Guerillakrieg gegen Napoleon anzuzetteln. Er stand dem Heeresreformer von Gneisenau nahe, und was der vorhatte, war monströs. Um die Franzosen aus dem Land zu kriegen, sollte eine Mobilmachung des ganzen Landes erfolgen. Milizen ohne Uniformen sollten überall aufgestellt werden, inkognito arbeiten. Und die sollten nicht nur alles, wirklich alles tun dürfen, um gegen die Besatzer vorzugehen. Nein, sie sollten im Nachhinein kriegsrechtlich belangt werden, wenn sie nicht brutal genug vorgegangen sein sollten. Man muss sich die Fantasien vorstellen, die damit bei einem Milizenführer geweckt werden: Habe ich hart genug gefoltert? Genug geschändet? Muss ich die Brunnen vergiften? Mit Kleist wäre das zu machen gewesen.“
Ganz in diesem Sinne schreibt ZEIT-Autor Adam Soboczynski:
„Die Welt war Kleist ein Krieg. Wer sie nicht umfasst halte wie ein Ringer, schrieb er, ‚sie tausendgliedrig, nach allen Windungen des Kampfs, nach allen Widerständen, Drücken, Ausweichungen und Reaktionen, empfindet und spürt: der wird, was er will, in keinem Gespräch, durchsetzen; viel weniger in einer Schlacht‘.“
Derart fanatisch war Eva Strittmatter nie. Über ihre Existenz nach der Wende von 1989 bemerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:
„Eine Vereinzelte, nicht mehr ganz zugehörig, ein erschöpftes Übrigsein, doch nicht ohne Würde.“
Womit wir wieder bei Strittmatters erstem Gedichtband sind, aus dem die SZ zitiert:
„Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter.
Und so vergeh ich nicht.“
Und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
Geht ein in mein Gedicht.“"
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zitiert aus dem ersten, 1973 in der DDR erschienenen Gedichtband der Lyrikerin Eva Strittmatter, die nun mit 80 Jahren gestorben ist.
Den Tod Strittmatters vermerkt die SZ in kaum 40 recht distanzierten Zeilen. Herzlicher werden die 80. Geburtstage von drei berühmten Männern gefeiert.
„Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen! Riecht nach Sieg!“
- behauptete einst in Francis Ford Coppolas Apokalypse Now Bill Kilgore alias Robert Duvall. SZ-Autor Rainer Gansera schreibt zu Duvalls 80.:
„Seine stärksten Figuren sind zugleich Visionäre und Bodenständige, imprägniert von biblischen Bildern der Verdammnis und Erlösung, der Höllenfahrt und des Aufbruchs ins gelobte Land. Einzelgänger, Fanatiker, Träumer, Tyrannen.“
Zum 80. von Alfred Brendel, früher Pianist, nun Dichter und Musikreisender, bemerkt Wolfgang Schreiber:
„Keine Minute habe er, beteuert Brendel im Gespräch, den Entschluss bereut, die Klavierkarriere an den Nagel zu hängen. Er muss sich beim Sprechen und Schreiben von keinem Konzerttermin und medialen Starpianistenstress mehr stören lassen.“
Das dritte SZ-Geburtstagskind von 80 Jahren ist der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo, der seit Langem in Marrakesch lebt.
„Zu diesem kritischen Zeitgenossen gehört, dass er im Leben wie in seiner Literatur Orte sucht und Positionen einnimmt, an denen sich geografische, ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen zugunsten hybrider Beziehungen verwischen, die der ‚Zwangsjacke kultureller Identität‘ auf sämtlichen Territorien des Lebens entbehren“, "
würdigt SZ-Autor Volker Breidecker den homophilen Schriftsteller Juan Goytisolo.
Anstatt nun mit Fritz Göttler auch noch den 70. Geburtstag des japanischen Zeichentrickmeisters Hayao Miyazaki zu feiern, flüchten wir aus der geriatrischen Abteilung des SZ-Feuilletons – und zwar mit Worten aus Heinrich von Kleists „Prinz von Homburg“:
„"Seit ich mein Grab sah, will ich nichts, als leben,
Und frage nichts mehr, ob es rühmlich sei!“
Der Literaturhistoriker Jan Philipp Reemtsma zitiert diese Verse im Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT, die mit mehreren Artikeln das Kleist-Jahr einläutet. 1811 hatte der getriebene, an der unzulänglichen Verfasstheit der Welt schwer leidende Dichter am Kleinen Wannsee seine Verlobte und sich selbst per Pistole getötet.
Über die notorische Gewalt in Kleists Leben und Werk bemerkt Reemtsma:
„Kleist hat versucht, einen Guerillakrieg gegen Napoleon anzuzetteln. Er stand dem Heeresreformer von Gneisenau nahe, und was der vorhatte, war monströs. Um die Franzosen aus dem Land zu kriegen, sollte eine Mobilmachung des ganzen Landes erfolgen. Milizen ohne Uniformen sollten überall aufgestellt werden, inkognito arbeiten. Und die sollten nicht nur alles, wirklich alles tun dürfen, um gegen die Besatzer vorzugehen. Nein, sie sollten im Nachhinein kriegsrechtlich belangt werden, wenn sie nicht brutal genug vorgegangen sein sollten. Man muss sich die Fantasien vorstellen, die damit bei einem Milizenführer geweckt werden: Habe ich hart genug gefoltert? Genug geschändet? Muss ich die Brunnen vergiften? Mit Kleist wäre das zu machen gewesen.“
Ganz in diesem Sinne schreibt ZEIT-Autor Adam Soboczynski:
„Die Welt war Kleist ein Krieg. Wer sie nicht umfasst halte wie ein Ringer, schrieb er, ‚sie tausendgliedrig, nach allen Windungen des Kampfs, nach allen Widerständen, Drücken, Ausweichungen und Reaktionen, empfindet und spürt: der wird, was er will, in keinem Gespräch, durchsetzen; viel weniger in einer Schlacht‘.“
Derart fanatisch war Eva Strittmatter nie. Über ihre Existenz nach der Wende von 1989 bemerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:
„Eine Vereinzelte, nicht mehr ganz zugehörig, ein erschöpftes Übrigsein, doch nicht ohne Würde.“
Womit wir wieder bei Strittmatters erstem Gedichtband sind, aus dem die SZ zitiert:
„Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter.
Und so vergeh ich nicht.“