Von Arno Orzessek

Die "Welt" berichtet von einem Kongress über "jüdische Rebellen und subkulturelle Strategien". Die FAZ interessiert sich für die Zukunft von WikiLeaks und die Meinungsmache von US-Kommentatoren gegen Julian Assange. Die NZZ macht sich Gedanken über die Technikaffinität junger Koreaner.
"Ich will schwarz sein / der Rhythmus soll mir im Blut liegen / mein Sperma soll sieben Meter weit spritzen / Und scheiß auf die Juden", heißt es in einem Song von Lou Reed, der in einer jüdischen Familie aufwuchs und einst in der Band The Velvet Underground die Gitarre spielte.

Jan Küveler zitiert die Verse in der Tageszeitung DIE WELT - in einem Artikel, der erklären soll, "was Jacques Lacan mit SS-Uniformen, Lou Reed und Maxim Biller zu tun hat."

Und das alles im Rahmen der Berichterstattung über den Mainzer Kongress "Jüdische Rebellen und subkulturelle Strategien".

"Das ist die Essenz und der Schnittpunkt von Punk und Jüdischsein: das Spiel mit den Identitäten. Schlemihl is a Punk Rocker. Da konnte dann Hans Peter Frühauf sogar David Bowie zum Juden stilisieren. Anders als seine Schöneberger Mitbewohner Iggy Pop und Lou Reed war David Bowie zwar 'technisch' kein Jude. Aber wenn er mit ihnen durch das Spiegelkabinett der Identität strolchte, das West-Berlin den Dreien war, spielte das keine Rolle."

So Jan Küveler über die Vorwende-Atmosphäre.

Auf die Gegenwart des Internets und die aufmüpfige Plattform Wikileaks konzentriert sich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG in zwei Artikeln.

Nina Rehfeld präsentiert Zitate US-amerikanischer Kommentatoren, die Wikileaks und Julian Assange in der Mehrheit angreifen - darunter Kathleen McFarland von Fox News:

"Dieser Mann ist kein wohlmeinender Kriegsprotestler. Er führt einen Cyberkrieg gegen unser Land und die globale Weltordnung."

William Kristol, der Herausgeber des Wochenmagazins The Weekly Standard rief, wie die FAZ berichtet, die Regierung Obama dazu auf, Assange "zu drangsalieren, zu fangen, zu neutralisieren"; Talkmaster Mike Huckebee forderte "Exekution" wegen Spionage.

Anderer Meinung ist naturgemäß Frank Rieger, der Sprecher des Chaos Computer Clubs, der in der FAZ prophezeit:

"Je härter und illegaler nun gegen Wikileaks vorgegangen wird, desto radikaler und rücksichtsloser werden die Nachfolger agieren. Die Technologie, eine virtualisierte, anonyme Leaking-Organisation zu bauen, ist vorhanden."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG zeigt auf einem halbseitigen Foto die "gesellige Einsamkeit" von Menschen vor Bildschirmen anlässlich des Computerspielfestivals "E-Stars Seoul 2007".

Unter dem Foto erklärt die Publizistin Hoo Nam Seelmann die Spielsucht südkoreanischer Jugendlicher aus dem Geist der Technisierung, der dem Land den Anschluss an den Westen brachte:

"Man ging ganz unbefangen mit allen neuen technischen Errungenschaften um, und der Erfolg auf dem Weltmarkt, der dem Land viel Anerkennung brachte, schien den Koreanern recht zu geben. Nun sehen sie allmählich, dass dort, wo die Helligkeit des Erfolges aufscheint, auch ein dunkler Schatten sich ausbreitet."

Der NZZ-Artikel - das nebenbei - ist ein Ausbund intellektueller Betulichkeit, genauso wie die Reflexionen von Ulf Poschardt über zu Guttenberg in Afghanistan in der WELT. Der Artikel "Nicht nur die Liebe zählt" endet mit einer Analyse der deutschen Seele:

"Oft genug dient die Tyrannei der Innerlichkeit dazu, jede Form von Äußerlichkeit moralisch zu diskreditieren. Zu oft haben sich hinter einem abschreckenden Äußeren aber nicht innere Werte, sondern trostlose Leere und gähnendes Mittelmaß verschanzt. Davon haben wir genug."

So die Konfession von WELT-Autor Ulf Poschardt, der das Stilmittel der Ranschmeiße - nämlich an alles, was Geld hat - wie kein anderer beherrscht.

Ein Daniel Kothenschulte ist dessen unverdächtig. Der Autor der FRANKFURTER RUNDSCHAU kritisiert Florian Henckel von Donnersmarcks Film The Tourist als "stümperhafte Hommage an das romantische Hollywood".

Wir selbst möchten Henckel von Donnersmarck darum ermuntern, Leben und Verklärung der zu Guttenbergs zu verfilmen. Tipps zur Hosenwahl gäbe Ulf Poschardt sicher gern.

Und wie könnte der Film heißen? Etwa so, wie die aktuelle FR-Überschrift:

"Das Kino der anderen."