Von Arno Orzessek

Im Wochenrückblick geht es um die Reise von Bundespräsident Wulff in die Türkei, das Aus für den indonesischen "Playboy" und Oliver Stones "Wall Street 2".
Es war die Woche, in deren Verlauf Christan Wulff vor der türkischen Nationalversammlung in Ankara sagte: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei".

Weil aber der Bundespräsident schon vorher verlautbart hatte: "Der Islam gehört zweifelsfrei zu Deutschland", schimpfte die Säkularisationspredigerin Necla Kelek in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Hier werden rhetorisch nicht nur Granatäpfel mit Williamsbirnen verglichen, hier [ ... ] redet [der Bundespräsident] der Rückkehr der Religion als Kategorie der Politik das Wort."

Wir bleiben beim Religiösen. In der TAGESZEITUNG berichtete Anett Keller, dass der 2006 hoffnungsvoll gestartete indonesische Playboy nicht mehr erscheint, aber Ex-Chefredakteur Erwin Arnanda trotzdem verurteilt wurde - und das, obwohl im Playboy des Inselstaats niemals nackte Frauen zu sehen waren.

"Doch dem konservativen Lager im Land reichte, was es (nicht) sah [so Keller]: Seit vergangenem Samstag sitzt Erwin Arnada [ ... ] im Gefängnis - zwei Jahre Haft wegen 'Sittlichkeitsvergehen'. Die Klage hatte die radikalislamische Front zur Verteidigung des Islam [ ... ] angestrengt, die immer wieder mit gewalttätigen Übergriffen Schlagzeilen macht."

Zwar wissen wir nicht, ob Geert Wilders den Playboy liest, wohl aber, dass sich der niederländische Rechtspopulist stets rabiat gegen den Islam stellt. Vom indonesischen Botschafter ist die neue Regierung in Den Haag, die sich von Wilders abhängig gemacht hat, deshalb gerügt worden. Das berichtete in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Christoph Lüthy und reflektierte wie folgt auf Wilders' Frisur:

"Welche Dämonen [ ... ] geistern durch die Seele dieses Verächters des Multikulturalismus, dessen indonesische Großmutter durch das blond oxidierte Haar hindurch sichtbar bleibt und der seine polizeilich geschützten Kasernenzimmer mit einer ungarischen Gattin teilt? Die Schlussfolgerung der Anthropologin Lizzy van Leeuwen, Wilders' Haare seien ein politisches Zeichen von 'postkolonialem Revanchismus', greift wohl zu kurz."

Lüthy fixierte Wilders unrühmlichen Platz in der Geschichte der niederländischen Fremdenfeindlichkeit und schloss:

"Klar ist [ ... ], dass die von Wilders geforderten und bereits ins Regierungsprogramm aufgenommenen zusätzlichen 12.000 Krankenschwestern und Pfleger nicht allesamt blond und christlich sein werden."

Wie blonde und braune, christliche und unchristliche Menschen in Deutschland zusammen leben können, das klärte Richard Herzinger in der Tageszeitung DIE WELT:

"Die deutsche Kultur ist heute ein Teil der universalen demokratischen Zivilisation des Westens. Daraus leitet sie ihre Legitimation ab, von Zuwanderern aus aller Welt kulturelle Anpassung zu verlangen. Das beinhaltet unter anderem die Kenntnis der deutschen Sprache und von kulturhistorischen Voraussetzungen unserer Gesellschaft - nicht aber die Einübung in eine exklusive, nebulös definierte 'deutsche Leitkultur'", "

konstatierte Richard Herzinger.

Gewisse Anpassungsleistungen müssen auch noch die Züchtigungsfreudigen unter den Evangelikalen erbringen. "Erziehung mit der Rute. Liebe geht durch den Stock" war in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ein Artikel überschrieben, in dem Erkenntnisse des Kriminologen Christian Pfeiffer aufbereitetet wurden:

""Auch manche Christen sind offenbar aus religiösen Gründen nicht bereit, die deutschen Gesetze zu akzeptieren, denen zufolge die Züchtigung von Kindern verboten ist. Der Hinweis darauf, so Pfeiffer, könne die Diskussion über die Integrationsfähigkeit von Muslimen erheblich entschärfen."
Nun aber zur Kunst. Der Film der Woche war - gemessen an der Aufmerksamkeit, nicht am Beifall - Oliver Stones Wall Street 2, die Fortsetzung der Geschichte des Geldhais Gordon Gier-ist-gut Gekko.

In der FAZ spöttelte Michael Althen:

"Dass Stone in 'Wall Street 2' dann doch nichts unternimmt, um der [neuerlichen] Krise auf den Grund zu gehen, sondern sich auch nur einreiht in den Chor der Moralprediger, ist nicht wirklich überraschend. Schließlich waren seine Einsichten ins Finanzgebaren der achtziger Jahre auch nicht größer als in 'Pretty Woman' und beschränkten sich im Wesentlichen auf pulsierende Börsenkurse, das verführerische Funkeln der Skyline und das Haifischgrinsen von Michael Douglas."

Von NZZ-Autor Urs Bühler befragt, warum die Zürcher Trams in Wall Street 2 rot sind, antwortete Oliver Stone übrigens:

"Sie sind schon die vierte Person, die mich heute damit quält. Wie sollte ich mich daran erinnern, dass die Züge hier nicht rot sind? Ihr solltet froh sein, im Film vorzukommen. Niemand weiß, wo Zürich ist."

Da wir gerade bei starken Sprüchen sind. Die SZ druckte die Rede ab, die der Regisseur Ken Loach bei der Eröffnung des Londoner Filmfestivals gehalten hatte - worin Loach von seinesgleichen fordert:

"Wir müssen unhöflich und unverschämt werden, Störenfriede sein, uns gegen das Establishment stellen. Und deshalb habe ich eine Frage an jene von uns, [ ... ] die es an einem bestimmten Punkt ihres Lebens plötzlich richtig finden, vor der Queen zu knien: Was tut ihr da? ... Lasst uns, bitteschön, etwas mehr Würde bewahren, statt vor dieser Frau im Staub zu kriechen."

Es war, wie man hört, eine Woche der Dissonanzen. Dass aber auch unsaubere Töne kunstvoll sein können, lernte man bei NZZ-Kritiker Peter Hagmann, der die Aufführung des Konzerts für sechs Flügel und Orchester von Georg Friedrich Haas bei den Donaueschinger Musiktagen bejubelte:

"Die Besonderheit besteht hier darin, dass die Stimmung der sechs Flügel in mikrotonalen Abständen gegeneinander verschoben ist. Bei der Uraufführung unter der Leitung von Sylvain Cambreling hat einem das förmlich den Teppich unter den Füßen weggezogen. Da gab es jaulende Glissandi der Klaviere, [ ... ], donnernde Erdbeben durch Tontrauben der Klaviere in tiefster Lage und jede Menge verschmutzter Töne","

schrieb NZZ-Autor Hagmann.
Auf die Zeit, in der alle Töne schweigen, blickte ein Gedicht von Durs Grünbein voraus, das die FAZ in ihrer "Frankfurter Anthologie" vorstellte.

""Ach ja, wir sterben, wo wir gehn und stehn.
Hast du nicht selbst gesagt, dass es so sei?
Man wünscht, das sollte besser nicht geschehn,
Und doch gehört es hier zum Vielerlei."

Hätten wir bei der FAZ das Sagen, hätten wir Grünbeins Gedicht übrigens zum Totensonntag gedruckt.