Von Arno Orzessek
Dem verstorbenen Regisseur Werner Schroeter wird in mehreren Feuilletons gedacht. "Die Welt" hat den Komiker Oliver Polak interviewt und die "FR" bespricht das Buch "Die Erfindung des jüdischen Volkes – Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand" von Shlomo Sand.
"25 Jahre RTL ist zuweilen härter als 12 Jahre Hitler", bemerkt im Interview mit der Tageszeitung "DIE WELT" der Komiker Oliver Polak, dessen neue Show "Jud süß sauer" heißt. Polak mag Scherze wie folgenden:
"Liebe Lokführergesellschaft, hättet Ihr vor 70 Jahren gestreikt, hättet Ihr uns ne Menge Ärger ersparen können!"
Die krasse Bespaßung, mit der Oliver Polak die Rechtsradikalen genauso wie die politisch Korrekten in seinem Publikum heimsucht, ist eine Variante des jüdischen Humors, der in Deutschland anders als etwa in den USA kaum etabliert ist.
"Ich bin Komiker und das Jüdischsein gehört zu meiner Identität. Wenn ich sage, ich komme aus Papenburg, lachen die Leute. Wenn ich sage, ich bin Jude, sind manche irritiert. Die fragen sich vielleicht: Hä? Dürfen die hier wieder auftreten? Ich übernehme nicht das Denken für mein Publikum. Bei mir gibt es keine Endlösung, äh, Auflösung bei den Witzen","
erklärt sich Oliver Polak, Sohn eines KZ-Überlebenden, in der "WELT", die zum selben Interview auch den Deutschtürken Serdar Somuncu hinzuzieht. Beide ergänzen sich brutalstmöglich:
Frage "DIE WELT": ""Wenn Mario Barth kommt, hören in Berlin ZehnTausende zu. Irgendetwas muss also dran sein?"
Somuncu: "Naja, andere Clowns haben vor Mario Barth auch das Olympiastadion voll gemacht."
Polak: "Aber 1933 war wenigstens der Eintritt umsonst."
Nun, das Berliner Olympiastadion hat 1933 noch gar nicht existiert – aber das ändert nichts an unserem Urteil: Polak und Somuncu treiben nichts als Aufklärung, aber so, dass moralischen Zimperliesen das Blut gefriert.
Heikel auf andere Art ist der Artikel "Es gibt kein jüdisches Volk" in der "FRANKFURTER RUNDSCHAU".
Arno Widmann bespricht "Die Erfindung des jüdischen Volkes – Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand", ein Buch des Historikers Shlomo Sand, auch er ein Kind von Holocaust-Überlebenden. Das Werk, in dem die Vertreibung der Juden nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 als Konstrukt interessierter jüdischer Gelehrter bezeichnet wird, erscheint nun auf Deutsch – die hebräische Ausgabe von 2008 wird längst rege diskutiert.
"Wenn es kein jüdisches Volks gibt, was ist dann Israel? Eine Vergewaltigung. Ihr habt uns dorthin getrieben. Die Nazis","
zitiert "FR"-Autor Widmann Shlomo Sand nach einem Treffen im Ullstein-Verlag an der Berliner Friedrichstraße. Weil Widmann hier wie im gesamten Artikel keine Anführungszeichen setzt, müssen wir folgende politische Forderung dem Urheber-Kollektiv Widmann-Sand zuschreiben:
""Israel darf kein jüdischer Staat bleiben. Es muss der Staat seiner Bürger werden. Es muss begreifen, dass es nicht die Burg ist, auf die sich in der Not alle in der ganzen Welt verstreuten Mitglieder eines imaginären jüdischen Volkes retten können."
Soweit die "FR" zu einem Thema, das – gelinde gesagt – noch lange heiß bleiben wird. –
Nun aber zum Gedenken an den verstorbenen Regisseur Werner Schroeter. In der "FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG" schreibt Andreas Kilb:
"Mit Werner Schroeter tritt der letzte große Unangepasste von der Bühne des deutschen Films ab, ein Kunstgläubiger und ästhetischer Extremist, wie ihn die heutigen Regiehochschulen gar nicht mehr hervorbringen könnten."
"Der Schönheit baute er Tableus, mit Extravaganz nahm er sich der Mythen an" schildert in der "TAGESZEITUNG" Christina Nord den Opern-Enthusiasten Schroeter, der Maria Callas einst als "Botin zwischen Gott und Mensch" ansah.
"Schroeter stand wie kein Zweiter für einen spezifisch schwulen Umgang mit Hochkultur. Das Hohe, wie es in der Oper, in Hölderlin oder Sophokles steckt, wird beim ihm mit einer antibürgerlichen Sensibilität verschmolzen, die vor [ ... ] Melodrama keine Angst hat. Das ist ziemlich einzigartig."
So Christina Nord in der "TAZ".
In der "FR" schreibt Rosa von Praunheim ein letztes Mal an seinen Freund und ehemaligen Lebensgefährten. Der schöne Brief endet würdig und schlicht: "Ich liebe Dich."
"Liebe Lokführergesellschaft, hättet Ihr vor 70 Jahren gestreikt, hättet Ihr uns ne Menge Ärger ersparen können!"
Die krasse Bespaßung, mit der Oliver Polak die Rechtsradikalen genauso wie die politisch Korrekten in seinem Publikum heimsucht, ist eine Variante des jüdischen Humors, der in Deutschland anders als etwa in den USA kaum etabliert ist.
"Ich bin Komiker und das Jüdischsein gehört zu meiner Identität. Wenn ich sage, ich komme aus Papenburg, lachen die Leute. Wenn ich sage, ich bin Jude, sind manche irritiert. Die fragen sich vielleicht: Hä? Dürfen die hier wieder auftreten? Ich übernehme nicht das Denken für mein Publikum. Bei mir gibt es keine Endlösung, äh, Auflösung bei den Witzen","
erklärt sich Oliver Polak, Sohn eines KZ-Überlebenden, in der "WELT", die zum selben Interview auch den Deutschtürken Serdar Somuncu hinzuzieht. Beide ergänzen sich brutalstmöglich:
Frage "DIE WELT": ""Wenn Mario Barth kommt, hören in Berlin ZehnTausende zu. Irgendetwas muss also dran sein?"
Somuncu: "Naja, andere Clowns haben vor Mario Barth auch das Olympiastadion voll gemacht."
Polak: "Aber 1933 war wenigstens der Eintritt umsonst."
Nun, das Berliner Olympiastadion hat 1933 noch gar nicht existiert – aber das ändert nichts an unserem Urteil: Polak und Somuncu treiben nichts als Aufklärung, aber so, dass moralischen Zimperliesen das Blut gefriert.
Heikel auf andere Art ist der Artikel "Es gibt kein jüdisches Volk" in der "FRANKFURTER RUNDSCHAU".
Arno Widmann bespricht "Die Erfindung des jüdischen Volkes – Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand", ein Buch des Historikers Shlomo Sand, auch er ein Kind von Holocaust-Überlebenden. Das Werk, in dem die Vertreibung der Juden nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 als Konstrukt interessierter jüdischer Gelehrter bezeichnet wird, erscheint nun auf Deutsch – die hebräische Ausgabe von 2008 wird längst rege diskutiert.
"Wenn es kein jüdisches Volks gibt, was ist dann Israel? Eine Vergewaltigung. Ihr habt uns dorthin getrieben. Die Nazis","
zitiert "FR"-Autor Widmann Shlomo Sand nach einem Treffen im Ullstein-Verlag an der Berliner Friedrichstraße. Weil Widmann hier wie im gesamten Artikel keine Anführungszeichen setzt, müssen wir folgende politische Forderung dem Urheber-Kollektiv Widmann-Sand zuschreiben:
""Israel darf kein jüdischer Staat bleiben. Es muss der Staat seiner Bürger werden. Es muss begreifen, dass es nicht die Burg ist, auf die sich in der Not alle in der ganzen Welt verstreuten Mitglieder eines imaginären jüdischen Volkes retten können."
Soweit die "FR" zu einem Thema, das – gelinde gesagt – noch lange heiß bleiben wird. –
Nun aber zum Gedenken an den verstorbenen Regisseur Werner Schroeter. In der "FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG" schreibt Andreas Kilb:
"Mit Werner Schroeter tritt der letzte große Unangepasste von der Bühne des deutschen Films ab, ein Kunstgläubiger und ästhetischer Extremist, wie ihn die heutigen Regiehochschulen gar nicht mehr hervorbringen könnten."
"Der Schönheit baute er Tableus, mit Extravaganz nahm er sich der Mythen an" schildert in der "TAGESZEITUNG" Christina Nord den Opern-Enthusiasten Schroeter, der Maria Callas einst als "Botin zwischen Gott und Mensch" ansah.
"Schroeter stand wie kein Zweiter für einen spezifisch schwulen Umgang mit Hochkultur. Das Hohe, wie es in der Oper, in Hölderlin oder Sophokles steckt, wird beim ihm mit einer antibürgerlichen Sensibilität verschmolzen, die vor [ ... ] Melodrama keine Angst hat. Das ist ziemlich einzigartig."
So Christina Nord in der "TAZ".
In der "FR" schreibt Rosa von Praunheim ein letztes Mal an seinen Freund und ehemaligen Lebensgefährten. Der schöne Brief endet würdig und schlicht: "Ich liebe Dich."