Von Arno Orzessek
Die Feuilletons beschäftigen sich mit der Islam-Debatte und besprechen Miep Gies' Erinnerungsbuch "Meine Zeit mit Anne Frank" sowie Chesley B. Sullenburgers "Man muss kein Held sein".
Hinten anstehen müssen heute die vielen attraktiven Artikel, die wir in den aktuellen Feuilletons mit Neigung gelesen haben. Denn die Pflicht ruft, und zwar die gesellschaftspolitische Pflicht ... wir kommen zur Islam-Debatte.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hält Lothar Müller ein "Plädoyer gegen die Einschränkung der Religionsfreiheit für Muslime", in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN fordert die Soziologin Necla Kelek – als wäre es eine Entgegnung: "Die Kritiker des Islam und seiner Fundamentalisten dürfen nicht zum Schweigen gebracht werden."
Beide Artikel sind exemplarisch – auch dafür, dass in der Debatte Positionsänderungen kaum noch zu beobachten sind, wohl aber Radikalisierungen und intellektuelle Demütigungsgesten.
Lothar Müller argumentiert auf der Höhe seiner humanistischen Bildung äußerst gelassen gegen eine Pauschal-Verdammung des Islam, und er äußert im Blick auf den Islamismus seine Sympathie für die atemberaubende Maxime "Wir werden sie durch unsere Toleranz besiegen".
"Die Religionsfreiheit [so Müller] hat die Absolutheitsansprüche der monotheistischen Offenbarungsreligionen abschleifen geholfen. Und gibt es nicht [ ... ] nach wie vor auch christlichen Fundamentalismus und jüdischen Gesetzes-Fanatismus? Die Pointe in Lessings Ringparabel [ ... ] war keineswegs nur das Vertrauen in den humanen Kern der Religionen, sondern der Zeitgewinn, der mit der Suspendierung der Wahrheit verbunden war."
Was Lothar Müller – vielleicht etwas zu weltabgewandt, etwas zu abstrakt – in der SZ vorträgt, wird die FAZ-Autorin Necla Kelek zweifellos noch höher auf die Palme bringen.
In ihrem wutausbruchartiger Artikel "Ihr habt mit Hass gekocht" polemisiert Kelek wie folgt gegen ihre Feinde im Allgemeinen und diejenigen in München im Besonderen:
"Die 'Süddeutsche' verwechselt nicht nur die seit Max Weber unter Soziologen bekannten Unterscheidungen von Verantwortungs- und Gesinnungsethik, sondern unterstellt mir als Muslimin 'christliche Islamkritik', um dann zur großen Gleichmacherei anzusetzen. Islamkritiker werden zu 'Fundamentalisten der Aufklärung', ein Begriff, den als Erster übrigens der Mörder von Theo van Gogh benutzte. Die Verteidigung der Menschenrechte wird als Fundamentalismus denunziert, und Hendryk Broder wird behandelt, als sei er Mullah Omar."
Nun könnte man wiederum SZ-Autor Müller zitieren, dann erneut Kelek und so weiter. Die Artikel der beiden stellen eine wahre Frontal-Kollision im intellektuellen Verkehrsraum dar.
Doch wir wollen noch ein bisschen weiter, bescheiden uns mit der Nachfrage, ob Broders Hassprediger-Stil nicht oft genug tatsächlich islamische Fundamentalisten kopiert – zu denen der Taliban Mullah Omar zählt –, und kommen zu zwei Menschen, die beide keine Helden sein wollen, obwohl sie große Taten vollbracht haben.
"Eine Heldin bin ich nicht. [ ... ] An mir ist nichts Besonderes", schrieb Miep Gies auf der ersten Seite ihres Erinnerungsbuches "Meine Zeit mit Anne Frank", das mit der üblichen, stilbildenden Verzögerung gegenüber den deutschen Blättern nun auch in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG besprochen wird.
NZZ-Autor Wil Rouleaux verzichtet auf jede Beweihräucherung – die historischen Fakten sprechen ohnehin für Miep Gies. Dass sie die tollkühne Hilfe für Anne Frank samt Familie und Freunden nicht das Leben kostete, geht erstaunlicherweise auf die patriotische Rührung eines SS-Mannes zurück.
""Miep Gies hatte das Glück, dass der Befehlshaber der Verhaftungsaktion sich als Österreicher aus ihrer Geburtsstadt Wien entpuppte. 'Aus persönlicher Sympathie' liess der SS-Oberscharführer sie ziehen","
schreibt Wil Rouleaux.
Eine andere Sorte von Glück hatten die Passagiere, die am 15. Januar 2009 von New York nach South Carolina aufbrachen. Nach dem Ausfall der Triebwerke des Airbus vollbrachte der Pilot Chesley B. Sullenburger eine Notwasserung auf dem Hudson River und ging als Held vom Hudson in die Zeitgeschichte ein.
Das Buch jedoch, dessen deutsche Ausgabe bei Bertelsmann erschienen ist – es wird in der SZ mit leuchtenden Augen von Christian Mayer rezensiert –, heißt: "Man muss kein Held sein. Auf welche Werte es im Leben ankommt."
Nun, falls Sullenberger das wirklich weiß, könnte man ihn vielleicht zum Mediator in der Islam-Debatte machen.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hält Lothar Müller ein "Plädoyer gegen die Einschränkung der Religionsfreiheit für Muslime", in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN fordert die Soziologin Necla Kelek – als wäre es eine Entgegnung: "Die Kritiker des Islam und seiner Fundamentalisten dürfen nicht zum Schweigen gebracht werden."
Beide Artikel sind exemplarisch – auch dafür, dass in der Debatte Positionsänderungen kaum noch zu beobachten sind, wohl aber Radikalisierungen und intellektuelle Demütigungsgesten.
Lothar Müller argumentiert auf der Höhe seiner humanistischen Bildung äußerst gelassen gegen eine Pauschal-Verdammung des Islam, und er äußert im Blick auf den Islamismus seine Sympathie für die atemberaubende Maxime "Wir werden sie durch unsere Toleranz besiegen".
"Die Religionsfreiheit [so Müller] hat die Absolutheitsansprüche der monotheistischen Offenbarungsreligionen abschleifen geholfen. Und gibt es nicht [ ... ] nach wie vor auch christlichen Fundamentalismus und jüdischen Gesetzes-Fanatismus? Die Pointe in Lessings Ringparabel [ ... ] war keineswegs nur das Vertrauen in den humanen Kern der Religionen, sondern der Zeitgewinn, der mit der Suspendierung der Wahrheit verbunden war."
Was Lothar Müller – vielleicht etwas zu weltabgewandt, etwas zu abstrakt – in der SZ vorträgt, wird die FAZ-Autorin Necla Kelek zweifellos noch höher auf die Palme bringen.
In ihrem wutausbruchartiger Artikel "Ihr habt mit Hass gekocht" polemisiert Kelek wie folgt gegen ihre Feinde im Allgemeinen und diejenigen in München im Besonderen:
"Die 'Süddeutsche' verwechselt nicht nur die seit Max Weber unter Soziologen bekannten Unterscheidungen von Verantwortungs- und Gesinnungsethik, sondern unterstellt mir als Muslimin 'christliche Islamkritik', um dann zur großen Gleichmacherei anzusetzen. Islamkritiker werden zu 'Fundamentalisten der Aufklärung', ein Begriff, den als Erster übrigens der Mörder von Theo van Gogh benutzte. Die Verteidigung der Menschenrechte wird als Fundamentalismus denunziert, und Hendryk Broder wird behandelt, als sei er Mullah Omar."
Nun könnte man wiederum SZ-Autor Müller zitieren, dann erneut Kelek und so weiter. Die Artikel der beiden stellen eine wahre Frontal-Kollision im intellektuellen Verkehrsraum dar.
Doch wir wollen noch ein bisschen weiter, bescheiden uns mit der Nachfrage, ob Broders Hassprediger-Stil nicht oft genug tatsächlich islamische Fundamentalisten kopiert – zu denen der Taliban Mullah Omar zählt –, und kommen zu zwei Menschen, die beide keine Helden sein wollen, obwohl sie große Taten vollbracht haben.
"Eine Heldin bin ich nicht. [ ... ] An mir ist nichts Besonderes", schrieb Miep Gies auf der ersten Seite ihres Erinnerungsbuches "Meine Zeit mit Anne Frank", das mit der üblichen, stilbildenden Verzögerung gegenüber den deutschen Blättern nun auch in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG besprochen wird.
NZZ-Autor Wil Rouleaux verzichtet auf jede Beweihräucherung – die historischen Fakten sprechen ohnehin für Miep Gies. Dass sie die tollkühne Hilfe für Anne Frank samt Familie und Freunden nicht das Leben kostete, geht erstaunlicherweise auf die patriotische Rührung eines SS-Mannes zurück.
""Miep Gies hatte das Glück, dass der Befehlshaber der Verhaftungsaktion sich als Österreicher aus ihrer Geburtsstadt Wien entpuppte. 'Aus persönlicher Sympathie' liess der SS-Oberscharführer sie ziehen","
schreibt Wil Rouleaux.
Eine andere Sorte von Glück hatten die Passagiere, die am 15. Januar 2009 von New York nach South Carolina aufbrachen. Nach dem Ausfall der Triebwerke des Airbus vollbrachte der Pilot Chesley B. Sullenburger eine Notwasserung auf dem Hudson River und ging als Held vom Hudson in die Zeitgeschichte ein.
Das Buch jedoch, dessen deutsche Ausgabe bei Bertelsmann erschienen ist – es wird in der SZ mit leuchtenden Augen von Christian Mayer rezensiert –, heißt: "Man muss kein Held sein. Auf welche Werte es im Leben ankommt."
Nun, falls Sullenberger das wirklich weiß, könnte man ihn vielleicht zum Mediator in der Islam-Debatte machen.