Von Arno Orzessek

Der "Tagesspiegel" befragt Harald Schmidt zu seiner Arbeit als Gelegenheitsopernregisseur. Die "Süddeutsche" wirkt von Til Schweigers neuem Film zunächst nicht begeistert, um dann einen Schwenk zu Ingmar Bergman zu machen. Und die Frankfurter Rundschau analysiert den Briefwechsel zwischen dem Verleger Siegfried Unseld und Thomas Bernhard.
Obwohl wir uns auch Charmanteres vorstellen könnten, beginnen wir heute mit Adolf Hitler und Harald Schmidt.

"Die 'Lustige Witwe' war Hitlers Lieblingsoperette. Welche Rolle spielt für Sie die Rezeptionsgeschichte eines Werks?"

Das fragt im Berliner TAGESSPIEGEL Marie von Baumbach den Gelegenheitsoperettenregisseur Harald Schmidt, der in Düsseldorf gerade jene "Lustige Witwe" von Franz Lehár inszeniert. Schmidts Antwort:

"Für mich zeigt das, dass der Führer politisch umstritten war, aber musikalisch einen erstklassigen Geschmack hatte. Ich muss den Zweiten Weltkrieg vom zweiten Akt trennen. Die Nazithematik habe ich für mich abgehakt. Man findet auch immer weniger Leute, die noch wissen, wer die Nazis waren. Die Generation stirbt weg."

- behauptet im TAGESSPIEGEL Harald Schmidt, der den Eindruck erweckt, als giere er nach Beifallsbekundungen im oft etwas dämlichen Internet-Blog "Political Incorrect", kurz: "PI", in dem die ganz einfachen Wahrheiten ihr Asyl finden.

Tatsächlich laufen laut SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die Autoren von "PI" gerade mal wieder Sturm gegen Muslime überhaupt und aus aktuellem Anlass auch gegen solche Personen, die sich vom Schweizer Volksentscheid gegen den Minarett-Bau distanziert haben.

SZ-Autor Johannes Boie, dessen Leitfrage lautet "Was unterscheidet, was eint islamkritische Gruppierungen?", hat beim Surfen festgestellt, dass die Positionen von "Political Incorrect" zum Minarett-Streit den Positionen im rechtsradikalen Internetportal "Altermedia" entsprechen. Allerdings findet Boie auch unerwartete Meinungskoalitionen:

"Was würden sich die Nazis ärgern, wenn sie wüssten, dass sie sich in ihrer Ablehnung der Minarette mit einer aktiven Feministin einig sind? Die politisch gewiss nicht rechts denkende Feministin Julia Onken hält Vorträge zum Thema 'Wechseljahre - Lust statt Frust'. Im Vorfeld der Anti-Minarett-Initiative sprach sie sich aber klar gegen die Türme aus: 'Moscheen sind Männerhäuser. Minarette sind männliche Machtsymbole'."

- referiert in der SZ – offenbar mit Spaß an schrägen Bezügen – Johannes Boie ...

... und wir tun es ihm gleich, wechseln auf der SZ-Seite nur die Spalte und sind damit beim unbestreitbar männlichsten aller Männer, Til Schweiger, dessen neuen Film Zweiohrküken Tobias Kniebe eher belächelt als bespricht.

Nur am Ende des Films, als Til Schweiger als Transvestit verkleidet eher wie 65 als wie 45 aussieht, als er auch lange und ausgiebig weint – da kam SZ-Autor Kniebe der Gedanke, er könne etwas übersehen haben:

"Stecken in diesem Film vielleicht doch seine wahren Erkenntnisse über Mann und Frau, über Liebe und Verlust, Erfolg und Vergänglichkeit? Ist 'Zweiohrküken' sein 'Szenen einer Ehe', versteckt unter einer dünnen Hülle aus Pups- und Peniswitzen wie unter eierschalfarbenen Schutzbezügen?"

Wirklich wahr! SZ-Autor Kniebe schlägt einen Bogen von Zweiohrküken zu Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe. Cineasten dürfen sich also verpflichtet fühlen.

"Wo ist Papa?", fragt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG Christian Geyer, spendet lauten Beifall für das Straßburger Urteil, nachdem unverheiratete Väter unabhängig vom Willen der Mutter Kontakt zu ihren Kindern haben dürfen, und schließt geradezu triumphal:

"Es gibt kein Kindeswohl, es sei denn mit Vater."

"Ich habe diesen Mann geliebt", hat nicht etwa eine Frau, sondern der Verleger Siegfried Unseld mit Blick auf Thomas Bernhard gesagt – aber nicht eher, als bis dieser tot war.

Martin Lüdke bespricht in der FRANKFURTER RUNDSCHAU den oft spektakulären Briefwechsel zwischen Unseld und Bernhard, der naturgemäß im Suhrkamp Verlag erschienen ist.

"Thomas Bernhard ist, grob gesagt, die arme Sau, die sich immer wieder wie ein Schwein verhält. Dieser literaturgeschichtliche Glücksfall, ein menschliches Desaster, wird hier in allen Einzelheiten ausgebreitet, faszinierend und erschütternd"," zeigt sich FR-Autor Martin Lüdke angetan.

Wir begannen mit Hitler und Schmidt, wir enden mit Unseld und Bernhard.

"Ich kann nicht mehr", schrieb einmal der gequälte Verleger an seinen Autor – und das wäre schon ein gutes Schlusswort. Aber Thomas Bernhards Antwort war noch rigoroser:

""Streichen Sie mich aus dem Gedächtnis!"