Von Arno Orzessek

Die "Frankfurter Rundschau" bilanziert die Trauerfeier für Nationaltorhüter Robert Enke. Der ägyptische Starautor Alaa al-Aswani schreibt in der "Neuen Zürcher Zeitung" über die Unverständlichkeit von Literatur. Und die "Frankfurter Allgemeine" mokiert sich über das Spitzenpersonal der FDP.
"Deutschland weint: So viel echte Trauer und falsche Nähe, so viel richtiges Leben im falschen war selten …"

… bilanzierte am Anfang der Woche Christian Schlüter in der FRANKFURTER RUNDSCHAU die Trauerfeier für Nationaltorhüter Robert Enke im Stadion von Hannover 96.

Angerührt zeigte sich in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG Edo Reents, der die Feier offenbar live unter den 40.000 Trauernden miterlebt hatte.

"Es ist schwer zu sagen, welche Impulse von diesem Volkstrauertag auf den Profifußball ausgehen werden; wesentlich verändern wird er sich vermutlich nicht. Aber die Trauerfeier fand, indem sie die Öffentlichkeit auf eine Art, die nichts Heuchlerisches hatte, zur Revision ihrer selbst zwang, ihren Zweck in sich."

Depression, Freitod und Verklärung Enkes: Das war in der ZEIT natürlich ein Thema für den Ernsthaftigkeits-Spezialisten Thomas Assheuer. Unter dem Titel "Die neue Sichtbarkeit des Todes" – sie ist frech abgekupfert von dem Kulturwissenschaftler Thomas Macho – holte Assheuer kulturphilosophisch ganz weit aus, um schlicht zu resümieren:

"Der Tod hat seine moderne Verdrängung überdauert, er ist zurück und hat seinen Sitz wieder mitten im Spiel des Lebens."

Wie wir wissen, mündete die Woche nach der Beerdigung Robert Enkes höhnischerweise in einen neuen Fußball-Wettskandal, der alle hehren Worte nun schon wieder übertönt.

Weil es um nicht weniger geht als den Besitz an der Gutenberg-Galaxis im digitalen Zeitalter, wurde der jüngste Einigungsversuch zwischen dem Internetkonzern Google und den Autoren- und Verlegerverbänden Nordamerikas auch hierzulande viel beachtet.

In der Tageszeitung DIE WELT ackerte sich Hendrik Werner durch die juristischen Einzelheiten, die das Thema trotz aller Bedeutung etwas unsexy machen. Für die bisher wehrhafte Büchergemeinde Alt-Europas konnte Werner keine Entwarnung geben:

"Obwohl der literarische Krake Google in seine Schranken gewiesen worden ist, hält er an seinem Streben nach globaler Buchmarktherrschaft fest […]."

"Literatur muss für alle da sein", forderte in einem Interview mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG der ägyptische Starautor Alaa al-Aswani. Dabei ging es ihm allerdings um die leichte Lesbarkeit seiner Bücher, die ihm Kritiker vorhalten.

"Nach 25 Jahren Schreiberfahrung [möchte ich] behaupten, dass es nicht allzu schwierig ist, einen unverständlichen Text zu produzieren. Die wirkliche Herausforderung der Literatur besteht darin, dass ein Buch von allen gelesen und verstanden werden kann, aber auf unterschiedlichen Ebenen."

Wir glauben, dass man Bücherfreunde in zwei Gruppen teilen kann: Jene, die al-Aswanis Forderung nach Verständlichkeit unterschreiben würden – und die anderen.

In seinem Heimatland verstanden worden ist Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz, der kürzlich gesagt hatte: "Die alten Laster der Ungarn, ihre Verlogenheit und ihr Hang zum Verdrängen, gedeihen wie eh und je."

In der WELT berichtete Paul Lendvai, dass die ungarischen Rechten nun zur "Errichtung einer Kulturpolizei" aufgerufen haben.

"Diese [so Lendvai] sollen die Bücher 'linksliberaler Landesverräter' […] aus den Bibliotheken entwenden und, wenn dies nicht möglich ist, die Blätter zumindest beschmieren und zerreißen. 'Wir sollten keine moralischen Hemmungen haben. Diese Leute sind Mörder, ihre Gifte sind aus unserem Organismus auszurotten', forderte der Redakteur des Blattes [Ungarischer Demokrat] und rief 'zum Kampf, zum heiligen Krieg' auf."

Bevor wir zur Kunst kommen, sei vermerkt, dass das FDP-Spitzenpersonal vom FAZ-Feuilleton regelrecht gefleddert wird.

Jürgen Kaube ging unter der Überschrift "Blindflieger" gedanklich-rhetorische Torheiten von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle durch und stempelte diesen als "Fatalitätsminister" ab.

Guido Westerwelle bekam es mit FAZ-Autor Christian Geyer zu tun. Geyer schrieb mit Blick auf den Steinbach-, Polen- und Zentrum-für-Vertreibung-Streit eine politische Verhaltenskunde, in der es hieß:

"Der Brustton, jener Habitus des Kategorialen, mit dem Westerwelle die Sache der Versöhnung betreibt, hat etwas definitiv Unversöhnliches. Versöhnung ist das Geschäft des Über-den-Schatten-Springens. Was aber tut der Außenminister? Statt über den Schatten Erika Steinbachs zu springen, macht er ihn schwärzer, als er ist …"

… metaphorisierte ungezügelt FAZ-Autor Geyer.

Auf Seiten der Malerei – jetzt sind wir endlich bei der Kunst – fand die Botticelli-Ausstellung im Frankfurter Städel Museum den größten Widerhall. In der TAGESZEITUNG sinnierte Ulf Erdmann Ziegler über die griechische Schönheit der Frauen bei Botticellis:

"Gerade jene Kreise, die ihre Frauen den Prinzipien von Territorialgewinn und Kapitalmaximierung unterwarfen, sie Ehemännern zuführten wie Zuchtpferde, zelebrierten einen Liebeskult, dessen Antikensehnsucht Botticelli aufs Originellste bebildert hat."

Für die Angstbegierigen unter den Cineasten war es die Woche, in der Oren Pelis Film "Paranormal Acitivity" in die deutschen Kinos kam. In der SZ unkte Tobias Kniebe:

"Am Ende eines wirklich guten Horrorfilms bleibt das Böse nicht im Kino zurück. Es geht, zusammen mit den Zuschauern, hinaus in die Welt. Und dort draußen ist es noch immer."

Aber neuerdings wohl weniger in Frankfurt am Main – wenn man selbiger SZ glauben will.

"Die böse Seifenoper um den Suhrkamp-Verlag geht zu Ende", behauptete Thomas Steinfeld, fasste den Zoff um das Erbe des Verlegers Siegfried Unseld und den Suhrkamp-Umzug nach Berlin zusammen und jubelte zum Schluss, "dass man fortan wieder Bücher lesen muss, wenn man über Verlage reden will".

Unser Lieblingsartikel samt Eisbrecher-Foto stand in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Weil am Nordpol das Eis schmilzt und die ewig unpassierbare Nordostpassage schiffbar geworden ist, fragte der dänische Schriftsteller Jens Christian Grøndahl: "Was bedeutet es für die Völker des Nordens, wenn ihnen die Erde erst jetzt ganz rund wird?"

Für die Antwort bleibt hier keine Zeit mehr. Wer den Norden liebt und die Natur nicht weniger als die Kultur, der sollte sich die NZZ besorgen. Aber Achtung: Fernweh im November kann unerträglich sein!