Von Arno Orzessek

Die "SZ" berichtet über die geplante Künstlerakademie in der deutschen Botschaft in der Türkei. Die "Welt" bespricht Egon Flaigs Buch "Weltgeschichte der Sklaverei". Mehrere Tagezeitungen befassen sich mit Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds".
"In der Istanbuler Sommerresidenz des deutschen Botschafters in der Türkei soll die Künstlerakademie Tarabya entstehen","

informiert die Unterzeile eines schönen Artikels von Kai Strittmatter in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.

"Schön" nennen wir den Artikel, weil Strittmatter bei der Behandlung des kulturpolitischen Themas wie gewohnt viel Istanbuler Atmosphäre überträgt – und Istanbul zu unseren Favoriten unter den turbulentesten Städten der Welt gehört.

So geht es wohl auch dem Deutsch-Türken Erdogan Altindis, Vermieter des "Atelier Galata" am Bosporus. Ihn zitiert SZ-Autor Strittmatter mit den wahrhaft Istanbul-verliebten Sätzen:

""Hier öffnen sich deine Poren. Das ist, wie wenn du ins Hamam gehst und abgeschrubbt wirst. Danach kommst du raus, und deine Haut atmet wieder."

Ein umstrittener Kritiker des Islam ist hierzulande der Rostocker Althistoriker Egon Flaig, dessen neues Werk "Weltgeschichte der Sklaverei", erschienen im Verlag C. H. Beck, Berthold Seewald in der Tageszeitung DIE WELT bespricht.

Flaigs provokante These vor einigen Jahren lautete, der Islam sei keine Religion wie alle anderen, sondern vor allem gewaltsam auf Weltherrschaft aus. Seine neue These nun: Muslime waren historisch die größten Sklavenhalter.

Seewald billigt Flaig zu, ein Desiderat der Sklaverei-Forschung bearbeitet zu haben – doch "ein differenzierter Umgang mit dem Stoff [wäre] angemessener gewesen."

"Statt jeden Fund, jede Beobachtung seiner These vom erobernden Islam einzufügen, wäre dabei zum Beispiel herausgekommen, dass die Rayas, die christlichen Untertanen im osmanischen Reich, zwar der "Knabenlese" unterworfen waren, gleichwohl aber über Rechte verfügten, die eine gewisse Partizipation und Integration ermöglichten","

zeigt sich WELT-Autor Seewald als Kritiker Egon Flaigs selbst historisch beschlagen.

Auf geschichtliche Korrektheit gepfiffen hat Regisseur Quentin Tarantino in seinem Film "Inglourious Basterds", den zu besprechen die begeisterten Feuilletonisten seit dem Filmfestival von Cannes nicht müde werden.

"Sieg Hollywood! Hitler goes kaputt" jubelt in der TAGESZEITUNG Christina Nord, auf die Mehrsprachigkeit des Film-Originals anspielend, und fragt nach dem verborgenen Sinn des Streifens, in dem jede Menge Nazi-Größen a-historisch niedergemetzelt und ausgemerzt werden.

""Ist ’Inglourious Basterds’ […] eine jüdische Rachefantasie? Eine nachträgliche antifaschistische Wunscherfüllung im Gewand des B-Pictures […]? Dafür spricht vieles","

meint TAZ-Autorin Christina Nord.

In der SZ denkt Tobias Kniebe über Tarantinos Neigung zum filmischen Zitieren alter Filme nach.

""Ist das nicht zu viel? Na klar. Nach sicher. Na und? Auf diese Stimmung muss man sich erst einmal einlassen. Fröhlich. Redundant. Exzessiv. Unbesorgt. Quentin Tarantino schwingt filmische Tautologien, als seien es Baseballschläger. Er haut sein Publikum damit über den Kopf, sooft er Lust hat. Und er hat wahnsinnig Lust","

freut sich SZ-Autor Kniebe – und wir fragen uns, ob in der notorischen Verbeugung vor dem fraglos talentierten Tarantino nicht auch viel selbstläuferischer Hype steckt.

Seinerseits gehypt wird Horst Schlämmer, Hape Kerpelings ekliges Alter ego als Kanzlerkandidat. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU listet Jörg Schindler Beobachtungen zum "Gestaltwandler Kerkeling" und dessen Film "Isch kandidiere" auf.

""Wenn […] Ursula Kwasny, immerhin CDU-Bürgermeisterin von Grevenbroich, von finanziellen ’Rückenlagen’ spricht und ihre Familienministerin als ‚Vanderlein’ verballhornt, wenn sich Claudia Roth […] Biogurken aufs Auge drücken lässt […] – dann muss die Frage erlaubt sein, wer hier der Komiker ist. Hotte oder die anderen? So willig hat eine Kaste noch selten bei ihrer Demontage mitgewirkt."

Die Überschrift des FR-Artikels erkennt die Grenze zwischen Ernst und Unernst übrigens selbst nicht an. Sie lautet – krude und grob, aber dem Zeitgeist sicher zum Wohlgefallen: "Horsts willige Vollstrecker."