Von Arno Orzessek

'Josef Stalin' ist ein Kalauer im engeren Sinne – wenn in Wirklichkeit gemeint ist, das irgendein Josef etwas gestohlen hat. Wer den Kalauer 'Karl Auer' nennt, kalauert sogar über den Kalauer als solchen. Doch es hat sich eingebürgert, fast jeden sprachreflexiven Flachwitz als Kalauer zu bezeichnen. Der Scherz des Kabarettisten Willy Astor über "Radkäppchen und der böse Golf" wäre ein Schmuckstück dieser Kategorie. Und damit zu der Menge der Kalauer, die in den aktuellen Feuilletons als Überschriften dienen. Ziemlich gut gefällt uns "Nathan, der Naseweise"
'Josef Stalin' ist ein Kalauer im engeren Sinne – wenn in Wirklichkeit gemeint ist, das irgendein Josef etwas gestohlen hat. Wer den Kalauer 'Karl Auer' nennt, kalauert sogar über den Kalauer als solchen. Doch es hat sich eingebürgert, fast jeden sprachreflexiven Flachwitz als Kalauer zu bezeichnen. Der Scherz des Kabarettisten Willy Astor über "Radkäppchen und der böse Golf" wäre ein Schmuckstück dieser Kategorie. Und damit zu der Menge der Kalauer, die in den aktuellen Feuilletons als Überschriften dienen. Ziemlich gut gefällt uns "Nathan, der Naseweise".

So überschreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Christopher Schmidt seine freche Gratulation zum 80. Geburtstag des Schauspielers Traugott Buhre und verleiht diesem den – allerdings zweifelhaften – Ehrentitel "König der Käuze".

Die TAGESSPIEGEL-Überschrift "Posen ohne Hosen" ist bestens geeignet, um die Aufmerksamkeit auf einen Artikel zu lenken, in dem es um die Ausstellung "Helmut Newton: Sumo" im Berliner Museum für Fotografie geht.

Der TAGESSPIEGEL druckt gleich auch noch ein Newton-Foto ab, auf dem die langbeinige Stylistin Jenny Capitain eine Pose ohne Hose vorführt – womit sich das Nackt-Foto und der Kalauer auf etwas einfältige Art kommentieren lässt.

In der "Literarischen Welt" der Tageszeitung DIE WELT hat Peter Zander seine Rezension der Autobiografie von James Bond-Darsteller Roger Moore mit "Gerüttelt und geschüttelt" überschrieben – was uns eher geschüttelt als gerührt hat.

Für Stilkritik und ästhetisches Bewusstsein gerühmt wird seit langem der Stuttgarter Literaturwissenschaftler Heinz Schlaffer. Zu dessen 70. Geburtstag schreibt Thomas Steinfeld in der SZ bemerkenswert umständlich:

"Wenn Heinz Schlaffer in den deutschen Geisteswissenschaften nicht nur der Partisan der ästhetischen Urteilskraft ist, sondern auch der Partisan der schönen, aber rücksichtsvoll auftretenden Sprache, dann ist hier, im vertrauten Umgang mit Dichtung eine Form des akademischen Umgangs mit ästhetischen Gegenständen zurückgekehrt, wie es sie im neunzehnten Jahrhundert gegeben haben mag."

Wir behaupten, dieses Satz-Ungetüm würde Heinz Schlaffer selbst weder sich noch seinen Studenten durchgehen lassen.

In der WELT bringt Tilman Krause Schlaffers Leben auf die Formel "Der Germanist als Held" und erläutert:

"Die charmante, gern auch sarkastische Streitkultur, die sich unweigerlich entfaltet, wenn Heinz Schlaffer irgendwo das Wort ergreift, möchte man mal im behäbigen München oder im herunterproletarisierten Berlin erleben."

Überall in Deutschland bekannt ist der Quelle-Katalog. Ihm und seinesgleichen hat Hans Magnus Enzensberger mit dem bitter-bissigen Essay "Das Plebiszit der Verbraucher" einst zu quasi-literarischen Weihen verholfen.

"Das deutsche Proletariat und das deutsche Kleinbürgertum lebt heute, 1960, in einem Zustand, der der Idiotie näher ist denn je zuvor", zog Enzensberger gnadenlos vom Leder.

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zitiert nun Hubert Spiegel aus dem in der Tat etwas hochmütigen Essay – um brav dagegenzuhalten:

"Mit dem Katalog holte man sich eine ganze Welt ins Haus. Was es dort nicht gab, durfte zu Recht als überflüssig gelten. Im Vergleich zu der Allverfügbarkeit, mit der das Internet auftrumpft, sind die Versprechen der Versandhauskataloge von einem menschlichen Maß."

Auch bei noch so genauer Lektüre lässt sich nicht feststellen, ob die Unterzeile des Artikels von FAZ-Autor Hubert Spiegel eine Realität beschreibt oder ein Kalauer sein soll. Sie lautet: "Der Warenversandhauskatalog [ ... ] braucht Druckkostenzuschuss."

Kalauer am Anfang, zum Schluss Lebensweisheiten. In der WELT porträtiert Hannes Stein den Booker-Preisträger Junot Diaz, der ein Nerd ist und einen Roman über einen Nerd geschrieben hat – nämlich Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao.

Junot Diaz lässt sich mit dem Spruch zitieren: "Wenn ich als Teenager gewusst hätte, wie schlimm das Leben einmal wird, ich hätte sofort aufgehört, mich zu beschweren."

Björn Rosen und Esther Kogelboom vom Berliner TAGESSPIEGEL haben mit der quicklebendigen Liza Minelli in New York telefoniert. Diese hatte nach drei geschiedenen Ehen betont, nie wieder heiraten zu wollen, es dann aber doch noch ein viertes Mal mit David Gest versucht. Auch diese Ehe zerbrach ...

... weshalb Liza Minelli im TAGESPIEGEL schließt:

"Ich hätte auf mich hören sollen."