Von Arno Orzessek

Steven Soderberghs Film "Che – Revolución" stößt in den Feuilletons auf ein geteiltes Echo. Die "Süddeutsche Zeitung" widerlegt die Unterstellung, "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein und "Zeit"-Verleger Gerd Bucerius könnten die "Enteignet-Springer"-Kampagne der 68er-Generation bezahlt haben. Die "Zeit" gratuliert Jürgen Habermas zum 80. Geburtstag.
"Che – Revolución" heißt Steven Soderberghs Film, dessen erster Teil nun in die Kinos kommt. In der Tageszeitung DIE WELT ergötzt sich Barbara Schweizerhof daran, dass Che Guevara, obwohl in fast jeder Szene anwesend, zugleich der große Abwesende ist – und lobt den Darsteller:
"Das Geniale an Benicio del Toros Schauspiel […] besteht im perfekten Verkörpern dieser vorbildlichen Zurückhaltung, […] die zur idealen Projektionsfläche für andere wird."

WELT-Autorin Schweizerhof ergibt sich der Schönheit des Protagonisten. Unklar bleibt allein, ob ihr Benicio del Toro oder, in memoriam, Che Guevara selbst so gut gefällt.

Michael Althen dagegen verspottet in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, wovon die WELT singt: Benicio del Toro habe den Darstellerpreis bei den Filmfestspielen in Cannes im letzten Jahr wohl "für die entbehrungsreiche Arbeit [bekommen], seine Ausstrahlung vollständig herunterzudimmen." FAZ-Autor Althen grimmig:

"So ist das Einzige, was inmitten dieser Undurchdringlichkeit aus Dschungelgrün und Bartgewirr interessiert, die Frage, was Soderbergh und del Toro wohl bewogen haben mag, sich diesem Projekt jahrelang so hingebungsvoll zu widmen."

Damit zu den Aufmüpfigen, die 1968 hierzulande ihren Dschungelkampf im Blätterwald geführt haben, in dem die Springer-Presse – um das Gleichnis voll auszukosten – den urdeutschen Eichenhain abgab.

Jüngst hat die BILD-Zeitung suggeriert, SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein und ZEIT-Verleger Gerd Bucerius könnten die "Enteignet-Springer"-Kampagne einschlägiger 68er bezahlt haben.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG widerlegt Hans Leyendecker diese Unterstellung, erklärt aber, warum die Enteignungsidee in der Linken tatsächlich virulent war:

"[Axel] Springer hatte damals einen Trust gezimmert, der in der Welt fast ohne Beispiel war. Aus seinem Haus stammten 1967 […] rund 88 Prozent der verkauften Sonntagszeitungen, 81 Prozent aller Straßenverkaufszeitungen, je 70 Prozent der in Berlin und Hamburg vertriebenen Zeitungen […]. Und einige dieser Blätter schrieben über studentische Demonstranten ("Ausmerzen"), als führte ihnen der Schah von Persien die Feder."

Die Wochenzeitung DIE ZEIT lässt von Ex-Chefredakteur Theo Sommer über den ehemaligen Protestler Bernhard Blanke bis zum Schriftsteller Peter Schneider, der den hitzigen Diskurs mit einer inkorrekten Bemerkung in der FAZ ausgelöst hatte, gleich drei Zeugen wider BILD auftreten.

Schneider betont, dass Bucerius den Protestlern das Geld nur für das geplante Institut für Gegenöffentlichkeit gegeben habe – einige der Beschenkten hätten sogar abgelehnt.

"Ich höre schon das Hohnlachen der Springer-Presse. Aber wenn dieser Satz erlaubt ist, der in Zeiten des Kasino-Kapitalismus wie ein Ammenmärchen klingt: Wir lebten damals von sehr wenig Geld und fühlten uns wie die Könige. Die meisten von uns ehemaligen Aktivisten leben übrigens immer noch von wenig Geld – nur das Königsgefühl, das ist verschwunden."

Ansonsten ist das ZEIT-Feuilleton voller Gratulationen – Jürgen Habermas wird am 18. Juni 80 Jahre alt.

"Ich habe immer das Bedürfnis verspürt, mit ihm zu sprechen", schreibt der New Yorker Soziologe Richard Sennet, "Habermas ist es, mit dem man denken und vielleicht sogar übereinstimmen will."

Peter Sloterdijk, der Habermas im Streit um die Elmauer Menschenpark-Rede zur "Starnberger Fatwa" provoziert hat, würde über solche Streicheleinheiten vermutlich sophistische Witzchen reißen.

Ein Zufall will es nun, dass Sloterdijk in der FAZ über die linke Manier schimpft, die Ausbeutung des Steuerzahlers als "soziale Marktwirtschaft" zu verherrlichen.

""Ob Abschreibung, ob Insolvenz, ob Währungsreform, ob Inflation – die nächsten Großenteignungen sind unterwegs. Schon jetzt ist klar, unter welchem Arbeitstitel das Drehbuch der Zukunft steht: Die Ausplünderung der Zukunft durch die Gegenwart. Die nehmende Hand [des Staates] greift nun sogar ins Leben der kommenden Generation voraus","

wettert Peter Sloterdijk in der FAZ.

Seine Diagnose klingt so, als ob ein neuer Che Guevara eher von rechts als von links zu erwarten ist. Ob er ähnlich gut aussehen muss wie Benicio del Toro in "Che" – das ist noch unklar.