Von Arno Orzessek
Der „Tagesspiegel“ bespricht das auf Deutsch erschienene Debüt „Bitterfotze“ der schwedischen Autorin Maria Sveland. Wer dahinter eine verschärfte Version des Bestsellers „Feuchtgebiete“ vermute, liege falsch, schreibt die Zeitung. Die „Welt“ beschäftigt sich mit einem kürzlich entdeckten Shakespeare-Porträt und lobt eine neue „Don Quijote“-Übersetzung.
Die aktuellen Feuilletons gerade im Berliner TAGESSPIEGEL, in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und in der Tageszeitung DIE WELT haben eine schöne, klare Tendenz: Sie handeln überwiegend nicht von Politik, von Zeitgeist oder von der Krise – sie handeln von Kunst und namentlich von Literatur. Und es fürchte bitte keiner, dass es jetzt betulich wird.
„Hölle, Hölle, Hölle“
heißt die Überschrift, unter der Sonja Pohlmann im TAGESSPIEGEL schreibt:
„Schnell eine Warnung: Hier geht es nicht um „Muschis“, in die Avocadokerne und Grillzangen eingeführt werden, auch nicht um Hämorrhoiden, Analverkehr und Intimrasur. Zwar liegt es nah, hinter „Bitterfotze“ die verschärfte Version von Charlotte Roches „Feuchtgebieten“ zu vermuten, doch der Debütroman der schwedischen Autorin Maria Sveland, 34, provoziert […] nicht mit weiterer Pipi-Kacka-Prosa, sondern mit einem wütenden, verzweifelten Hilfeschrei: nach mehr Gleichberechtigung.“
„Bitterfotze“ also, schwedisch: „Bitterfittan“: ein weiteres Codewort des postfeministischen Feminismus. Debütantin Maria Sveland hat den drastischen Begriff laut TAGESSPIEGEL gewählt,
„damit es niemand anderes tut.“
Und Kiepenheuer & Witsch hat nichts entschärft. Sonja Pohlmann vermutet ohnehin: Der Kölner Verlag hoffe, mit „Bitterfotze“
„die Scharte auswetzen zu können, die er sich zufügte, als er „Feuchtgebiete“ als zu pornografisch ablehnte.“
Wir sagen jetzt natürlich nicht, dass der im Folgenden zitierte Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu der gerade zitierten „Bitterfittan“-Rezension im TAGESSPIEGEL wie der Präser auf den… Sie wissen schon… passt.
Aber tatsächlich lassen sich gewisse Verbindungen zu Jörg Häntzschels Bericht über die Reaktion der amerikanischen Literaturkritik auf Jonathan Littels Roman „Die Wohlgesinnten“ ziehen. Das Buch, auf Amerikanisch „The Kindly Ones“, wurde im „Wall Street Journal“ mit den noch ungeschriebenen Memoiren von Britney Spears gleichgesetzt:
„Sie sind beide fixiert auf das Sexuelle; und ihre Verleger hoffen und zählen auf den scheinbar unbegrenzten […] Appetit auf den Skandal“, "
hat Sara Nelson, Autorin des „Wall Street Journal“, gestänkert, wie die SZ berichtet.
Michiko Kakutani von der „New York Times“ nannte „The Kindly Ones“ laut SZ
" „absichtlich sensationalistisch und bewusst abstoßend“. "
Aber damit nicht genug. Kakutani beschimpfte Jonathan Littell als
" „schlechten Imitator von Genet oder de Sade“
und beklagte:
„Dass ein solcher Roman zwei der wichtigsten französischen Literaturpreise gewinnt, ist nicht nur ein Beispiel für den gelegentlich perversen französischen Geschmack, sondern auch ein Anzeichen dafür, wie drastisch sich das Verhältnis von Literatur zum Holocaust gewandelt hat.“
Dass man Jonathan Littells Roman in den USA ausdrücklich zum sogenannten Shoa-Business zählen würde, davon berichtet die SZ nichts – aber so wie es klingt, hat mancher Kritiker in diese Richtung gedacht.
Womit wir vom Heiklen, Umstrittenen und Schlüpfrigen zum Solidesten kommen, nämlich zu zwei Artikeln in der WELT, in denen es um Shakespeare und Miguel de Cervantes geht – um die beiden Paten aller modernen europäischen Literatur.
Alan Posener schreibt unter dem Titel
„Schon wieder der echte William Shakespeare entdeckt“
über die Behauptung des englischen Shakespeare-Forschers Stanley Wells, ein kürzlich ans Tageslicht gefördertes Porträt aus der Sammlung der Familie Cobbe stelle den Autor des „Hamlet“ dar.
WELT-Autor Posener macht kurzen Prozess mit Wells’ These und schließt süffisant:
„Dass dieses Porträt kaum ernsthafter Prüfung standhalten dürfte, ist […] eine gute Nachricht: Die Suche nach dem wahren Shakespeare kann weitergehen und alle Jahre ein neuer, sensationeller Fund dem Publikum präsentiert werden.“
Damit hier wenigstens ein Mal die Kunst über die Knetemacherei triumphiert, nun noch kurz zu Cervantes. Im Hanser Verlag ist eine neue Übertragung des nach wie vor herrlich zu lesenden „Don Quijote“ erschienen.
WELT-Autor Martin Ebel erteilt der Übersetzerin Susanne Lange dickes Lob: Sie habe
„den denkbar besten „Don Quijote“ für unsere Zeit vorgelegt.“
Übrigens: Dass der heutige Blick in die Feuilletons nur auf Literatur stieß – obwohl doch auch „Hilde“, Kai Wessels Film über Hildegard Knef mit Heike Makatsch, überall so wunderbar verrissen wird – sei als kleine Hommage auf die beginnende Leipziger Buchmesse verstanden.
„Hölle, Hölle, Hölle“
heißt die Überschrift, unter der Sonja Pohlmann im TAGESSPIEGEL schreibt:
„Schnell eine Warnung: Hier geht es nicht um „Muschis“, in die Avocadokerne und Grillzangen eingeführt werden, auch nicht um Hämorrhoiden, Analverkehr und Intimrasur. Zwar liegt es nah, hinter „Bitterfotze“ die verschärfte Version von Charlotte Roches „Feuchtgebieten“ zu vermuten, doch der Debütroman der schwedischen Autorin Maria Sveland, 34, provoziert […] nicht mit weiterer Pipi-Kacka-Prosa, sondern mit einem wütenden, verzweifelten Hilfeschrei: nach mehr Gleichberechtigung.“
„Bitterfotze“ also, schwedisch: „Bitterfittan“: ein weiteres Codewort des postfeministischen Feminismus. Debütantin Maria Sveland hat den drastischen Begriff laut TAGESSPIEGEL gewählt,
„damit es niemand anderes tut.“
Und Kiepenheuer & Witsch hat nichts entschärft. Sonja Pohlmann vermutet ohnehin: Der Kölner Verlag hoffe, mit „Bitterfotze“
„die Scharte auswetzen zu können, die er sich zufügte, als er „Feuchtgebiete“ als zu pornografisch ablehnte.“
Wir sagen jetzt natürlich nicht, dass der im Folgenden zitierte Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu der gerade zitierten „Bitterfittan“-Rezension im TAGESSPIEGEL wie der Präser auf den… Sie wissen schon… passt.
Aber tatsächlich lassen sich gewisse Verbindungen zu Jörg Häntzschels Bericht über die Reaktion der amerikanischen Literaturkritik auf Jonathan Littels Roman „Die Wohlgesinnten“ ziehen. Das Buch, auf Amerikanisch „The Kindly Ones“, wurde im „Wall Street Journal“ mit den noch ungeschriebenen Memoiren von Britney Spears gleichgesetzt:
„Sie sind beide fixiert auf das Sexuelle; und ihre Verleger hoffen und zählen auf den scheinbar unbegrenzten […] Appetit auf den Skandal“, "
hat Sara Nelson, Autorin des „Wall Street Journal“, gestänkert, wie die SZ berichtet.
Michiko Kakutani von der „New York Times“ nannte „The Kindly Ones“ laut SZ
" „absichtlich sensationalistisch und bewusst abstoßend“. "
Aber damit nicht genug. Kakutani beschimpfte Jonathan Littell als
" „schlechten Imitator von Genet oder de Sade“
und beklagte:
„Dass ein solcher Roman zwei der wichtigsten französischen Literaturpreise gewinnt, ist nicht nur ein Beispiel für den gelegentlich perversen französischen Geschmack, sondern auch ein Anzeichen dafür, wie drastisch sich das Verhältnis von Literatur zum Holocaust gewandelt hat.“
Dass man Jonathan Littells Roman in den USA ausdrücklich zum sogenannten Shoa-Business zählen würde, davon berichtet die SZ nichts – aber so wie es klingt, hat mancher Kritiker in diese Richtung gedacht.
Womit wir vom Heiklen, Umstrittenen und Schlüpfrigen zum Solidesten kommen, nämlich zu zwei Artikeln in der WELT, in denen es um Shakespeare und Miguel de Cervantes geht – um die beiden Paten aller modernen europäischen Literatur.
Alan Posener schreibt unter dem Titel
„Schon wieder der echte William Shakespeare entdeckt“
über die Behauptung des englischen Shakespeare-Forschers Stanley Wells, ein kürzlich ans Tageslicht gefördertes Porträt aus der Sammlung der Familie Cobbe stelle den Autor des „Hamlet“ dar.
WELT-Autor Posener macht kurzen Prozess mit Wells’ These und schließt süffisant:
„Dass dieses Porträt kaum ernsthafter Prüfung standhalten dürfte, ist […] eine gute Nachricht: Die Suche nach dem wahren Shakespeare kann weitergehen und alle Jahre ein neuer, sensationeller Fund dem Publikum präsentiert werden.“
Damit hier wenigstens ein Mal die Kunst über die Knetemacherei triumphiert, nun noch kurz zu Cervantes. Im Hanser Verlag ist eine neue Übertragung des nach wie vor herrlich zu lesenden „Don Quijote“ erschienen.
WELT-Autor Martin Ebel erteilt der Übersetzerin Susanne Lange dickes Lob: Sie habe
„den denkbar besten „Don Quijote“ für unsere Zeit vorgelegt.“
Übrigens: Dass der heutige Blick in die Feuilletons nur auf Literatur stieß – obwohl doch auch „Hilde“, Kai Wessels Film über Hildegard Knef mit Heike Makatsch, überall so wunderbar verrissen wird – sei als kleine Hommage auf die beginnende Leipziger Buchmesse verstanden.