Von Arno Orzessek
In der "Süddeutschen Zeitung" begründet Karl Heinz Bohrer, weshalb der Widerstandskämpfer Claus Graf von Stauffenberg durchaus zum Vorbild taugt. In Frankreich wird ebenfalls über die Wiederaufnahme von Bischöfen aus der Pius-Brüderschaft in die katholische Kirche debattiert, berichtet die FAZ. Im selben Blatt gratuliert Marcel Reich-Ranicki Rachel Salamander zum 60. Geburtstag.
Am liebsten liest man doch immer Artikel, die mit jungen, schönen Frauen bebildert sind – wovon auch immer die Artikeln handeln.
So oder ähnlich könnte die Feuilleton-Redaktion der Tageszeitung DIE WELT während der Arbeit an der aktuellen Ausgabe gedacht haben.
Der WELT-Autor Manuel Brug berichtet davon, dass private Opern-Agenturen mittlerweile auch "subventionierte Häuser mit Rundum-Sorglos-Paketen vom Sänger bis zum Regisseur" versorgen.
Und über die halbe Zeitungsseite erscheint – schmachtend weich gezeichnet, marien- oder lulugleich, mit Rosen in der Hand, die Lippen leicht geöffnet – die russische Sopranistin Anna Netrebko.
"Auch sie wäre ohne ihren machtbewussten Agenten Jeffrey Vanderveen nicht dort wo sie ist" heißt die Bildunterschrift, die den feinen Chauvinismus des Arrangements mehr oder weniger subtil unterstreicht.
Zwei WELT-Seiten weiter liest man das Interview, dass Holger Kreitling mit dem amerikanischen Comic-Zeichner und Regisseur Frank Miller geführt hat, der bekennt:
"Ich will die innere Düsternis."
Man liest das Interview, sofern man den Blick von Eva Mendes abwenden kann, die katzenäugig, schmollmündig, mit nackten Schultern und lackierten Fingernägeln, vier Assen im Blatt in ihrer Hand und anderen Männertraum-Klischees ausgestattet, sechsspaltig die Zeitungsseite dominiert, teils Furie, teils Femme fatale, teils Sex-Vamp.
Das Porträtfoto von Frank Miller, in dessen neuem Film "The Spirit" Eva Mendes mitspielt, ist so klein wie eine Briefmarke und zeigt einen irgendwie verstörten Typen.
Aber Schluss mit den Bildern, nun zum Diskurs.
Wer auf starke Rhetorik steht, der schlage die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf, in der Merkur-Herausgeber und Ästhetikfachmann Karl Heinz Bohrer den britischen Historikers Richard J. Evans angreift.
Evans hatte im SZ-Magazin auseinander gesetzt, warum die Männer des 20. Juli um Widerstandskämpfer Claus Graf von Stauffenberg heutzutage nicht zum Vorbild taugen.
Bohrer schwillt darüber der Kamm.
"[Die Verschwörer] waren Leute mit enormer Zivilcourage, das heißt mit der Fähigkeit und Bereitschaft zur absoluten Isolation. […] Man möchte Vergleichbares von den politisch korrekten, relativ konformistischen Nachkommen der Nazis in einer postheroischen Gesellschaft gar nicht fordern. Es steht die Wette, dass dieser politisch korrekte Konformismus damals das Attentat lauthals verdammt hätte."
Man hört es sicher heraus: Wie eh und je vertraut der SZ-Gastautor Karl Heinz Bohrer seinen tiefen Ressentiments, denen politische Korrektheit seit Jahrzehnten der allergrößte Graus ist.
Aber dürfte man als engagierter politisch Unkorrekter auch dem Papst dafür Beifall zollen, dass er im Dienste der Einheit der Kirche die Exkommunikation einiger Bischöfe der Pius-Brüderschaft aufgehoben hat, darunter Holocaust-Leugner Richard Williamson?
Jürg Altwegg berichtet in der FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, dass sich in Frankreich René Girard, Rémi Brague und andere von der Entscheidung Benedikts XVI. distanzieren. Die konservativen Denker haben in der Wochenzeitschrift "La Vie" (das Leben) einen "Appell der katholischen Intellektuellen" veröffentlicht, dessen Hauptforderung lautet: "Keinen Negationismus in der Kirche" – was meint: keine Holocaust-Leugnung.
Jürg Altwegg resümiert:
"Man mag den Pius-Brüdern ihre Folklore lassen und auch die Messe auf Lateinisch nicht verbieten. Aber an diesem extremen Rand der Kirche, im Sumpf der unbelehrbaren Ultratraditionalisten, blieb der Antisemitismus latent präsent. […] Gott mag jeder verirrten Seele gnädig sein. Der Papst aber, sein Stellvertreter auf Erden, darf die Schleusen nicht öffnen."
Wir möchten den verstockten Pius-Brüdern abschließend den Besuch einer der sieben "Literaturhandlungen" Rachel Salamanders empfehlen – Buchhandlungen mit deutsch-jüdischem Schwerpunkt, die von der als Displaced Person geborenen Jüdin seit den 80er Jahren betrieben werden.
Weil Salamander nun sechzig wird und eine Freundin von Marcel Reich-Ranicki ist, gratuliert ihr dieser in der FAZ.
Man beachte, worauf es dem Gockel und gealterten Literatur-Papst dabei ankommt:
"[Rachel Salamander] [schreibt Reich-Ranicki] gefällt mir immer noch. Denn obwohl sie inzwischen eine Institution geworden ist, ein dolle, eine einzigartige, ist sie glücklicherweise schön und charmant geblieben."
So oder ähnlich könnte die Feuilleton-Redaktion der Tageszeitung DIE WELT während der Arbeit an der aktuellen Ausgabe gedacht haben.
Der WELT-Autor Manuel Brug berichtet davon, dass private Opern-Agenturen mittlerweile auch "subventionierte Häuser mit Rundum-Sorglos-Paketen vom Sänger bis zum Regisseur" versorgen.
Und über die halbe Zeitungsseite erscheint – schmachtend weich gezeichnet, marien- oder lulugleich, mit Rosen in der Hand, die Lippen leicht geöffnet – die russische Sopranistin Anna Netrebko.
"Auch sie wäre ohne ihren machtbewussten Agenten Jeffrey Vanderveen nicht dort wo sie ist" heißt die Bildunterschrift, die den feinen Chauvinismus des Arrangements mehr oder weniger subtil unterstreicht.
Zwei WELT-Seiten weiter liest man das Interview, dass Holger Kreitling mit dem amerikanischen Comic-Zeichner und Regisseur Frank Miller geführt hat, der bekennt:
"Ich will die innere Düsternis."
Man liest das Interview, sofern man den Blick von Eva Mendes abwenden kann, die katzenäugig, schmollmündig, mit nackten Schultern und lackierten Fingernägeln, vier Assen im Blatt in ihrer Hand und anderen Männertraum-Klischees ausgestattet, sechsspaltig die Zeitungsseite dominiert, teils Furie, teils Femme fatale, teils Sex-Vamp.
Das Porträtfoto von Frank Miller, in dessen neuem Film "The Spirit" Eva Mendes mitspielt, ist so klein wie eine Briefmarke und zeigt einen irgendwie verstörten Typen.
Aber Schluss mit den Bildern, nun zum Diskurs.
Wer auf starke Rhetorik steht, der schlage die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf, in der Merkur-Herausgeber und Ästhetikfachmann Karl Heinz Bohrer den britischen Historikers Richard J. Evans angreift.
Evans hatte im SZ-Magazin auseinander gesetzt, warum die Männer des 20. Juli um Widerstandskämpfer Claus Graf von Stauffenberg heutzutage nicht zum Vorbild taugen.
Bohrer schwillt darüber der Kamm.
"[Die Verschwörer] waren Leute mit enormer Zivilcourage, das heißt mit der Fähigkeit und Bereitschaft zur absoluten Isolation. […] Man möchte Vergleichbares von den politisch korrekten, relativ konformistischen Nachkommen der Nazis in einer postheroischen Gesellschaft gar nicht fordern. Es steht die Wette, dass dieser politisch korrekte Konformismus damals das Attentat lauthals verdammt hätte."
Man hört es sicher heraus: Wie eh und je vertraut der SZ-Gastautor Karl Heinz Bohrer seinen tiefen Ressentiments, denen politische Korrektheit seit Jahrzehnten der allergrößte Graus ist.
Aber dürfte man als engagierter politisch Unkorrekter auch dem Papst dafür Beifall zollen, dass er im Dienste der Einheit der Kirche die Exkommunikation einiger Bischöfe der Pius-Brüderschaft aufgehoben hat, darunter Holocaust-Leugner Richard Williamson?
Jürg Altwegg berichtet in der FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, dass sich in Frankreich René Girard, Rémi Brague und andere von der Entscheidung Benedikts XVI. distanzieren. Die konservativen Denker haben in der Wochenzeitschrift "La Vie" (das Leben) einen "Appell der katholischen Intellektuellen" veröffentlicht, dessen Hauptforderung lautet: "Keinen Negationismus in der Kirche" – was meint: keine Holocaust-Leugnung.
Jürg Altwegg resümiert:
"Man mag den Pius-Brüdern ihre Folklore lassen und auch die Messe auf Lateinisch nicht verbieten. Aber an diesem extremen Rand der Kirche, im Sumpf der unbelehrbaren Ultratraditionalisten, blieb der Antisemitismus latent präsent. […] Gott mag jeder verirrten Seele gnädig sein. Der Papst aber, sein Stellvertreter auf Erden, darf die Schleusen nicht öffnen."
Wir möchten den verstockten Pius-Brüdern abschließend den Besuch einer der sieben "Literaturhandlungen" Rachel Salamanders empfehlen – Buchhandlungen mit deutsch-jüdischem Schwerpunkt, die von der als Displaced Person geborenen Jüdin seit den 80er Jahren betrieben werden.
Weil Salamander nun sechzig wird und eine Freundin von Marcel Reich-Ranicki ist, gratuliert ihr dieser in der FAZ.
Man beachte, worauf es dem Gockel und gealterten Literatur-Papst dabei ankommt:
"[Rachel Salamander] [schreibt Reich-Ranicki] gefällt mir immer noch. Denn obwohl sie inzwischen eine Institution geworden ist, ein dolle, eine einzigartige, ist sie glücklicherweise schön und charmant geblieben."