Von Arno Orzessek
Die "Süddeutsche Zeitung" hält den neuen Roman von Daniel Kehlmann für misslungen. Die "Neue Zürcher Zeitung" reagiert mit Unverständnis auf das Vorhaben von Barack Obama, bei seiner Amtseinführung ein Gedicht vortragen zu lassen. Und die "Welt" erläutert, warum die Kulturschaffenden in den USA große Hoffnungen in Obama setzen.
Während die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Daniel Kehlmanns neuen Roman "Ruhm" gerade auch im Internet bewirbt, als habe sie einen Vermarktungsvertrag mit dem Bestseller-Autor, ertönt aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG eine profunde Gegenstimme.
Unter der erstaunlich bösartigen Überschrift "Der zweitklassige Gott" urteilt Lothar Müller über das Werk, das durch originelle Erzähltechnik glänzen will: "Ein Sodoku ist noch kein Roman."
"[Kehlmanns Buch, so erklärt Müller] ist auf bemerkenswerte Weise misslungen. Denn es offenbart, erstens, eine Schwäche dieses Autors, seine Grenze: Er kann keine Figuren erfinden, die ihrem Autor ernsthaften Widerstand entgegensetzen, die ihm gegenüber Geheimnisse bewahren, die er nicht auflösen kann. Und es gründet, zweitens, seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationswissenschaften, allzu einfach macht."
Je gründlicher man die vierspaltig ausgreifende und passagenweise umständliche Kritik auf der ersten Feuilletonseite der SZ liest, desto stärker wird der Verdacht, das Lothar Müller Daniel Kehlmann auf einen intellektuell-wissenschaftlichen Sockel hebt, auf dem sich dieser vielleicht gar nicht sieht – um ihn mehr oder weniger hämisch hinabzustoßen.
Mag sein, dass das der Preis des Ruhms ist, der Preis der Popularität und des globalen Beifalls.
Barack Obama – in all diesen Aspekten selbst einem Kehlmann noch ein Stück voraus – rüstet sich zur Amtseinführung mit Gebet und Gedicht. Dass die Lyrikerin Elisabeth Alexander dabei ein "occasional poem" vortragen soll, ein Gelegenheitsgedicht, bereitet der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG einige Sorgen.
"So 'ehrenvoll' dieser Antrag auch sein mag [schreibt Andrea Köhler], der historische und politische Anlass überfordert – und unterschätzt – die fürs Offiziöse wenig geeignete lyrische Form. Auch der emotionale Druck, der auf einem solchen Werk lastet, ist der Inspiration, die jedes Gedicht zum Atmen braucht, nicht eben förderlich."
Nun, alle Welt wird es an den Bildschirmen erleben, ob Obama von großer oder von peinlicher Lyrik umflort ins Amt befördert wird.
Schon jetzt steht fest, dass die amerikanische Kunst- und Kulturszene Hoffnungen in den neuen Präsidenten setzt, die an George W. Bush womöglich abgeprallt wären. Per Online-Petition unterstützen bisher 103.000 Personen den Komponisten, Produzenten und Jazz-Trompeter Quincy Jones, der einen "US-Kulturminister" von Obama fordert.
In der Tageszeitung DIE WELT erklärt Uwe Schmitt:
"Was Jones will und was 'Americans for the Arts' und 16 weitere Organisationen von Obama wollen, ist ein Gesicht. Jemanden, der sich offen, gewappnet mit dem Prestige des Präsidenten, im Weißen Haus für die Künste schlägt. Sind ein paar Millionen für den Posten und eine Mannschaft zuviel verlangt?"
WELT-Autor Schmitt zieht schließlich einen Vergleich, der an dieser Stelle unpassend und schmierig wirkt:
"Larry 'The Hustler' Flint forderte jüngst Staatstütze für die erschlaffte Pornoindustrie. Fünf Milliarden Dollar, um 'Amerikas sexuellen Appetit wieder anzuregen'. Ein Kommentar Obamas ist nicht überliefert."
Und noch ein Obama, ein letzter. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fragt Jörg Häntzschel, ob mit dem neuen Präsidenten in Amerika "ein grünes Zeitalter" anbreche. Bruce Katz, einer der führenden Urbanisten in den USA, hat bereits einen offenen Brief an den "Präsident elected" geschrieben und darin Millionen grüne Jobs gefordert.
SZ-Autor Häntzschel findet die unverbindlichen Ziele, die Katz formuliert, weniger überraschend als die anvisierten Wege dorthin – dabei sind die gar nicht so überraschend:
"Katz [so Häntzschel] fordert 'kühne Visionen' und globales Denken, schlägt vor, die besten Aspekte von Europas Umweltpolitik zu übernehmen; mahnt Entscheidungen auf der Basis von wissenschaftlicher Evidenz statt Ideologie, Politik und Proporz an und fordert, den Augiasstall der Washingtoner Steuergeldvergabepraxis auszumisten."
Der SZ-Artikel über das im besten Fall ergrünende Amerika endet mit einem Satz, der einstmals hoffentlich auch über die allzu ernst waltende Gegenwart zu sagen sein wird. Er lautet:
"So gesund können Krisen sein."
Unter der erstaunlich bösartigen Überschrift "Der zweitklassige Gott" urteilt Lothar Müller über das Werk, das durch originelle Erzähltechnik glänzen will: "Ein Sodoku ist noch kein Roman."
"[Kehlmanns Buch, so erklärt Müller] ist auf bemerkenswerte Weise misslungen. Denn es offenbart, erstens, eine Schwäche dieses Autors, seine Grenze: Er kann keine Figuren erfinden, die ihrem Autor ernsthaften Widerstand entgegensetzen, die ihm gegenüber Geheimnisse bewahren, die er nicht auflösen kann. Und es gründet, zweitens, seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationswissenschaften, allzu einfach macht."
Je gründlicher man die vierspaltig ausgreifende und passagenweise umständliche Kritik auf der ersten Feuilletonseite der SZ liest, desto stärker wird der Verdacht, das Lothar Müller Daniel Kehlmann auf einen intellektuell-wissenschaftlichen Sockel hebt, auf dem sich dieser vielleicht gar nicht sieht – um ihn mehr oder weniger hämisch hinabzustoßen.
Mag sein, dass das der Preis des Ruhms ist, der Preis der Popularität und des globalen Beifalls.
Barack Obama – in all diesen Aspekten selbst einem Kehlmann noch ein Stück voraus – rüstet sich zur Amtseinführung mit Gebet und Gedicht. Dass die Lyrikerin Elisabeth Alexander dabei ein "occasional poem" vortragen soll, ein Gelegenheitsgedicht, bereitet der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG einige Sorgen.
"So 'ehrenvoll' dieser Antrag auch sein mag [schreibt Andrea Köhler], der historische und politische Anlass überfordert – und unterschätzt – die fürs Offiziöse wenig geeignete lyrische Form. Auch der emotionale Druck, der auf einem solchen Werk lastet, ist der Inspiration, die jedes Gedicht zum Atmen braucht, nicht eben förderlich."
Nun, alle Welt wird es an den Bildschirmen erleben, ob Obama von großer oder von peinlicher Lyrik umflort ins Amt befördert wird.
Schon jetzt steht fest, dass die amerikanische Kunst- und Kulturszene Hoffnungen in den neuen Präsidenten setzt, die an George W. Bush womöglich abgeprallt wären. Per Online-Petition unterstützen bisher 103.000 Personen den Komponisten, Produzenten und Jazz-Trompeter Quincy Jones, der einen "US-Kulturminister" von Obama fordert.
In der Tageszeitung DIE WELT erklärt Uwe Schmitt:
"Was Jones will und was 'Americans for the Arts' und 16 weitere Organisationen von Obama wollen, ist ein Gesicht. Jemanden, der sich offen, gewappnet mit dem Prestige des Präsidenten, im Weißen Haus für die Künste schlägt. Sind ein paar Millionen für den Posten und eine Mannschaft zuviel verlangt?"
WELT-Autor Schmitt zieht schließlich einen Vergleich, der an dieser Stelle unpassend und schmierig wirkt:
"Larry 'The Hustler' Flint forderte jüngst Staatstütze für die erschlaffte Pornoindustrie. Fünf Milliarden Dollar, um 'Amerikas sexuellen Appetit wieder anzuregen'. Ein Kommentar Obamas ist nicht überliefert."
Und noch ein Obama, ein letzter. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fragt Jörg Häntzschel, ob mit dem neuen Präsidenten in Amerika "ein grünes Zeitalter" anbreche. Bruce Katz, einer der führenden Urbanisten in den USA, hat bereits einen offenen Brief an den "Präsident elected" geschrieben und darin Millionen grüne Jobs gefordert.
SZ-Autor Häntzschel findet die unverbindlichen Ziele, die Katz formuliert, weniger überraschend als die anvisierten Wege dorthin – dabei sind die gar nicht so überraschend:
"Katz [so Häntzschel] fordert 'kühne Visionen' und globales Denken, schlägt vor, die besten Aspekte von Europas Umweltpolitik zu übernehmen; mahnt Entscheidungen auf der Basis von wissenschaftlicher Evidenz statt Ideologie, Politik und Proporz an und fordert, den Augiasstall der Washingtoner Steuergeldvergabepraxis auszumisten."
Der SZ-Artikel über das im besten Fall ergrünende Amerika endet mit einem Satz, der einstmals hoffentlich auch über die allzu ernst waltende Gegenwart zu sagen sein wird. Er lautet:
"So gesund können Krisen sein."