Von Arno Orzessek

Seitdem Hans Barlach vor Gericht einen Erfolg gegen Ulla Unseld-Berkéwicz im Streit um den Suhrkamp-Verlag verzeichnete, kritisiert das Feuilleton ihn zum Teil scharf.
„Böse sind, nein, werden wir alle, von Zeit zu Zeit, wenn's der Fall ist! Recht so. Aber da, da ist, nein, handelt ein von Grund auf Böser, ein Abgrundböser. Ein Unhold. Und der steht auf dem Boden des Rechts? Er wühlt darin, lässt darin wühlen die Horde der schwerbezahlten Mit-Unholde. Nicht recht so“,

wütete – unterdessen ein krudes Zwiegespräch mit seinem Bleistift führend – Peter Handke in der Wochenzeitung DIE ZEIT.

Adressat des Bannfluchs war ein Kürzel namens HB, das Zeit-Autor Alexander Cammann in seinem Vortext nicht unerwartet als ‚Hans Barlach‘ auflöste – seines Zeichens Suhrkamp-Mitgesellschafter –, erfolgreicher Kläger gegen die Geschäftsführung samt Ulla Unseld-Berkéwicz und meistkritisierter Deutscher, seit Joachim Löw das EM-Halbfinale gegen Italien vercoacht hat.

Mal kam Handkes Barlach-Beschimpfung infantil oder pseudo-infantil daher, dann wieder überwog dunkelrote Zornaderngeschwelltheit.

„Wirklich und wahr ist: Der leibhaftige HB hat, als Neueinsteiger in unseren Verlag, in unser Haus, von Anfang an keinen guten Willen gezeigt. Und nicht nur war er bar jeden guten Willens, oder meinetwegen jeder bona fide, vielmehr voll, prall, aufgeblasen prall des bösen Willens, oder der mala fide. Und das ist, Moment für Moment, bis zum heutigen Tag so geblieben, womöglich noch verstärkt: weit weit ärger als ein böses Märchen samt dessen wirklichkeitsverschleiernden Stereotypen – die nackte böse Wirklichkeit.“

So Peter Handke. Er hat einst Jura studiert und geht offenbar davon aus, dass sein Wutgetrampel in der ZEIT keine justiziable Beleidigung darstellt.

Ähnlich der Schriftsteller Rainald Goetz, der den Suhrkamp-Prozess im Gerichtssaal beobachtet hat und sein Barlach-Bashing unter dem fiesen Titel „Das Recht ist die Niederlage der Vernunft“ in der SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in salzsäuerlicher Diktion vortrug.

„Es gibt nur schlimme Geschichten über [Barlach]. Und wenn man ihn sieht, glaubt man sie alle. Die blaue Blumenhändler-Rolex, das schütter gewellte, mittelbraun getönte Haar, die dicke, glasig gespannte Sonnenstudiohaut im Gesicht. Ich habe ihn in einer Prozesspause angesprochen, was er seine Anwälte da für einen wahrheitswidrigen Unsinn erzählen lässt. Da reagiert er wie ein stumpfer Automat, redet sofort von seinen Rechten, die er ja nur in Anspruch nimmt. Er ist auch noch ein Wimp, nicht nur ein Rechtsquerulant, ein Feigling, ein unsicherer Mensch.“

Bevor Sie jetzt googeln, liebe Hörer: Wir haben's gerade getan und bei Wikipedia gelernt, dass Wimp so viel wie ‚Schwächling‘ heißt.

Auch Richard Kämmerlings tummelte sich auf dem Feuilleton-Boulevard. Der Autor der Tageszeitung DIE WELT nahm jedoch nicht Barlach, sondern die abberufene Geschäftsführerin Ulla Berkéwicz ins Visier.

Laut der in dieser Woche veröffentlichten Urteilsbegründung des Landgerichts Berlin hat Berkéwicz im Zuge der schmucken Einrichtung ihrer Berliner Villa dem Verlag 100.000 Euro in Rechnung gestellt – was Kämmerlings zum Blick ins Archiv veranlasste.

„Dass Ulla Berkéwicz den Verlag stets als Privateigentum verstanden hat, zeigt ein anderer Fall. In den Jahren 2003 und 2004 wurden insgesamt mehr als 1000 Stunden ‚Einzelcoaching im Bereich mentales Coaching‘ auf Berkéwiczs Namen dem Verlag in Rechnung gestellt. Stundenpreis: 100 Euro, also insgesamt mehr als 100.000 Euro. Das Unternehmen bietet Kurse an wie ‚Heilende Kommunikation mit Deinem inneren Kind‘ oder ‚Entdecke die Wolfsfrau/den Wolfsmann in Dir‘ – aber auch ‚Programmierung des eigenen Unterbewusstseins auf vermehrten Geldfluss und Selbstwert‘.“

So Richard Kämmerlings, der für seine diversen süffisanten Suhrkamp-Artikel prompt Watschen bekam. In der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sah sich der bekanntlich stets sachliche und gerechte Frank Schirrmacher zu dem Notschrei veranlasst:

„Dies ist kein Schundroman. Man kann gewiss viel Kritisches über die Verlegerin sagen, aber was hier geschieht, geht gegen die bürgerliche Ehre.“

Womit sich der Kreis schließt. Denn was Peter Handke und Rainald Goetz – wie eingangs zitiert – gegen Hans Barlach zu sagen hatten, geht gewiss gegen jede Ehre, sie sei bürgerlich oder blanke Gaunerehre.

Ach ja. Kulturstaatsminister a. D. Michael Naumann wollte zwischendurch zwischen Barlach und Berkéwicz vermitteln. Allerdings schwadronierte er zeitnah im Radio: „Wenn man den Suhrkamp Verlag mit einer Bachschen Fuge vergleicht, dann ist Herr Barlach der Mann mit der Fahrradklingel.“

Da mochte der Herr Barlach dann nicht mehr. Und man könnte den Herrn Naumann fragen, ob er noch alle Tassen und so weiter ...

Dass wir das alles hier so vergnügt berichten können, liebe Hörer, hängt natürlich unmittelbar damit zusammen, dass am 21. die Welt nicht untergegangen ist.

Und obwohl die Feuilletons diese Möglichkeit – dass wir noch einmal davon kommen – durchaus erwogen hatten, wollten sie sich der grassierenden Apokalypse-Folklore nicht restlos verschließen.

In seinem astronomischen „Prüfbericht zum Ende der Welt“ taxierte der Astrophysiker Ben Moore Eintrittswahrscheinlichkeiten diverser Untergangsszenarien.

Die Chance, dass uns eine mörderische „Invasion von Außerirdischen“ bevorsteht, liegt laut Moore bei immerhin 0,01 Prozent, ist also weitaus wahrscheinlicher, als dass Ulla Berkéwicz diesen Hans Barlach heiratet.

„Unsere ersten [Signal-]Ausstrahlungen [so Moore, könnten] bereits die Augen und Ohren Tausender möglicher außerirdischer Zivilisationen in unserer Nähe erreicht haben. Vielleicht könnte ein sehr fortschrittlicher aber unfreundlicher Alien uns auch für eine zukünftige Bedrohung halten. Ein Hochgeschwindigkeitsraumschiff mit Pulsantrieb könnte bereits auf dem Weg sein – wenn es vor 60 Jahren gestartet ist, dann könnte es bereits morgen bei uns eintreffen. Halten Sie saubere Handtücher bereit.“

Solch ein Alien-Besuch wird uns natürlich weiterhin und eigentlich immer drohen, liebe Hörer.

Aber solange da draußen noch nichts gelandet ist, bleiben wir den alten Sitten treu und wünschen Ihnen: Frohes Fest!