Von Arno Orzessek

20.12.2012
"Bedenkenlos vorwärts in den Untergang", kommentiert die "Berliner Zeitung" die Vorhersagen des Maya-Kalenders. Die "Frankfurter Rundschau" gratuliert Reinhard Mey zum 70. Geburtstag, der seinen Hit "Über den Wolken" inzwischen in "Männer im Baumarkt" umgedichtet hat.
Eine wahre "Wollust des Untergangs",

konstatiert nicht etwa die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, sondern das Literaturhaus München.

Es hat unter dem Wollust-Slogan eine Anzeige in der SZ geschaltet und lädt zu der Ausstellung "100 Jahre Thomas Manns Der Tod in Venedig" ein.

Uns aber diktiert die Anzeige das Thema, zumal auch die BERLINER ZEITUNG titelt:

"Bedenkenlos vorwärts in den Untergang."

"Vielleicht ist die Welt bei Erscheinen dieses Textes ja bereits untergegangen - wenn nicht, dann hat sie es auf jeden Fall heute noch vor", "

grübelt Jörg Scheller - offenbar unsicher, ob er noch auf Leser hoffen darf - in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG und spielt natürlich auf die grassierende Maya-Kalender- und Apokalypse-Folklore an.

Dabei könnte sich Scheller in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG darüber informieren, ob - und wenn ja: wann und warum - die Geschichte von Himmel und Erde vorbei geht.

" "Astronomischer Prüfbericht zum Ende der Welt", "

heißt der Artikel, in dem der Astrophysiker Ben Moore die Wahrscheinlichkeit kosmischer Katastrophen errechnet.

Da wäre zum Beispiel die Kategorie "Entartete Schwarze Löcher".

Unser Planet wird von einem solchen Loch laut FAZ zwar nur mit der Wahrscheinlichkeit von "0,00000 00000 00000 00000 01 Prozent" heimgesucht. Aber sollte das Loch uns kriegen, geht's übel aus - wie Ben Moore weiß:

" "Sie würden fühlen, wie diese intensive Gravität Sie streckt wie ein altertümliches Folterinstrument - die Gravitation an Ihrem Kopf wäre viel stärker als an Ihren Füßen. Das Schwarze Loch reißt alles buchstäblich auseinander wie Spaghettistränge. Binnen Sekunden hätte seine Gravitationskraft die gesamte Erdoberfläche aufgebrochen, was zu globalen Fluten von Lavaströmen führen würde. Alles Leben endet augenblicklich."

Nun werden Sie vielleicht denken: Was juckt mich das - bei einer Wahrscheinlichkeit von
"0,00000 00000 00000 - puh! - 00000 01 Prozent"?

Nun denn, Sie Zocker! Dann interessiert Sie vielleicht, dass der "Hitzetod durch die Sonne" hundertprozentig eintritt. Und zwar schon in "etwa einer Milliarde Jahre". Die geliebte Lampe an unserem Firmament wird dann - rummms - verlässlich explodieren.

Und wenn Sie meinen: Schade drum, aber meine Ururururur- und so weiter-Enkel, die leben dann längst irgendwo anders auf einem heimeligen Planeten in den Weiten der Galaxie ... würde das Ihren Stammbaum auch nicht ewig verlängern.

Denn merke, mit FAZ-Autor Moore:

"Die langlebigsten Sterne werden etwa eine Billion Jahre lang scheinen, aber letzten Endes wird eine Zeit kommen, wo der letzte Stern in unserer Galaxie sich abschaltet und eine ewige Dunkelheit eintritt. [ ... ] Und das ist das Ende allen Lebens überall."

Ob dieser Ben Moore - jetzt, wo die Tage am kürzesten sind - wohl unter einer Lichtmangeldepression leidet? Er klingt etwas trostbedürftig ... .

Vielleicht sollte er eine Platte von Reinhard Mey auflegen.

Unter dem Titel "Der gute 68er" gratuliert Elmar Kraushaar in der FRANKFURTER RUNDSCHAU Mey zum 70. Geburtstag - der dem Liedermacher wiederum nichts bedeutet:

"Ein Uhrzeiger, der eine Ziffer weiter springt, das ist alles."

Indessen erfahren die FR-Leser, dass Mey seinen Hit "Über den Wolken" geerdet hat. Zumindest diejenigen unter uns, die "Über den Wolken" noch im Koma mitsingen könnten, dürfte es interessieren, dass der neue Text lautet:

"Männer, im Baumarkt / muss die Freiheit wohl grenzenlos sein! / Alle Nägel, alle Schrauben sagt man, / man muss ganz fest dran glauben und dann / würde, was uns klein und wacklig erscheint, / riesengroß - und bricht ein."

Ach übrigens - falls Sie den 21. Dezember überleben: Kurz vor Mitternacht läuft auf Arte die Doku "99 Gründe, warum die Welt nicht untergehen darf".

Der Apokalypse-Skeptiker Immanuel Kant hätte wohl eingeschaltet.

Für ihn war nämlich, wie die NZZ schreibt, das "Ende aller Dinge"

"… eigentlich ein Begriff, mit dem zugleich der Verstand ausgeht und alles Denken selbst ein Ende hat."

Genau diesen Zustand, liebe Hörer, wollen wir jetzt mithilfe von Scotch Single Malt erreichen. Und dann mag es kommen, wie es wolle.