Von Arno Orzessek

Ein Mediator für den Streit beim Suhrkamp Verlag wird fieberhaft gesucht, aber die jüngsten Vorschläge lösten sofort neue Attacken aus. "Friede sei mit Bin Laden", predigt hingegen einer, der die Feindesliebe kennt.
Peter Handkes rhetorische Spezialität ist bekanntlich das samtene Niemandsbuchten-Deutsch, das die Ohren streichelt, das Sprachzentrum betört und aufs Gemüt wirkt wie ein Martini zur blauen Stunde.

Aber Handke kann auch anders. In der Wochenzeitung DIE ZEIT knüpft sich der Suhrkamp-Autor ein Kürzel namens "HB" vor. HB steht erkennbar für Suhrkamp-Mitgesellschafter Hans Barlach, der die Suhrkamp-Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkéwicz wegen Kompetenzüberschreitung und Veruntreuung verklagt und Recht bekommen hat.

"Aber da, da ist, nein handelt ein von Grund auf Böser, ein Abgrundböser. Ein Unhold. Und der steht auf dem Boden des Rechts? Er wühlt darin, lässt darin wühlen die Horde der schwerbezahlten Mit-Unholde. Nicht recht so."

… zürnt Handke in der ZEIT. Und weiter: "HB" alias Hans Barlach habe

"als Neueinsteiger in unseren Verlag, in unser Haus, von Anfang an keinen guten Willen gezeigt, und nicht nur war er bar jeden guten Willens, oder meinetwegen jeder bona fide, vielmehr voll, prall, aufgeblasen prall des bösen Willens, oder der male fide, und das ist, Moment für Moment, bis zum heutigen Tag so geblieben, womöglich noch verstärkt."

Wie man heraushört, gäbe es in der Kampfzone Suhrkamp für einen Schlichter manches zu tun. Und so hat Ulla Berkéwicz den Publizisten und Kulturstaatsminister a. D. Michael Naumann vorgeschlagen. Aber nicht mit Hans Barlach! Wie die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet, hat der Medienunternehmer den Mittler in spe Naumann sofort attackiert:

"’Mit Ihren einseitigen Krawall-Stellungnahmen in der Öffentlichkeit nehmen Sie offen für die Familienstiftung und die Geschäftsführung der Suhrkamp Verlagsgruppe Stellung. Damit machen Sie sich selbst als Mediator ungeeignet.’"

Okay. Michael Naumann ist also genauso raus wie Bundespräsident Joachim Gauck, den Adolf Muschg zum Suhrkamp-Schlichter bestellen wollte. Aber wie wäre es – um hier auch mal einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken – mit dem Publizisten Franz Alt, zu dessen Erfolgsbüchern "Friede ist möglich" zählt?

Unter dem Titel "’Friede sei mit bin Laden’" erklärt Franz Alt in der ZEIT-Beilage CHRIST & WELT, warum zu Weihnachten die Friedenssehnsucht regelmäßig anschwillt.

"Weil das Kind, das Weihnachten geboren wurde, der bedeutendste Friedensheld der Weltgeschichte ist. Weil dieses Kind eine Botschaft für die ganze Menschheit hatte, die einfach umwerfend war, nämlich: Nicht nur Frieden ist möglich, sondern Feindesliebe müsst ihr lernen. Feindesliebe, das ist für mich die Magna Charta für eine andere und bessere Welt","

predigt Franz Alt in CHRIST&WELT.

Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat schon den Heiligen Abend und den Paket-Berg unterm Baum im Auge. Oder warum küren auf drei von sechs Feuilleton-Seiten Künstler, Intellektuelle und Gelehrte die ""Bücher des Jahres" – die man ja jetzt noch rasch für seine Lieben besorgen könnte?

Peter Sloterdijk fallen natürlich Bücher noch und noch ein. Thomas Machos Werk "Vorbilder" will er bei aller Begeisterung aber nicht empfehlen, denn er ist mit Macho befreundet.

Von Angelika Neuwirths Buch "Der Koran als Text der Spätantike" schwärmt Sloterdijk, es werde "die Beziehungen zwischen Europa und der islamischen Welt früher oder später verändern".

Trotzdem wird es nicht Sloterdijks Buch des Jahres. Es ist nämlich in dem Verlag erschienen, in dem er selbst publiziert, bei Suhrkamp. Und genauso Sari Nusseibehs "Es war einmal ein Land", die – wie Sloterdijk betont – "grandios erzählte Lebensgeschichte eines palästinensischen Philosophen".

Nachdem Sloterdijk also drei Werke durch Nicht-Nominierung in den Rang "Buch des Jahres" erhoben hat, kommt’s zum Finale.

"Ich ziehe meine letzte Waffe", beteuert der Gedankenschütze Sloterdijk und kommt auf "Kongo. Eine Geschichte" von David Van Reybrouck zu sprechen:

"Für Belgien das Buch des Jahrhunderts, für Europa das Buch des Jahrzehnts. Warum? Wer es liest, kennt die Antwort. Und wieder die innere Stimme: Abgelehnt, erneut ein Suhrkamp-Buch. Aber diesmal sage ich zu der Stimme: Halt endlich die Klappe!"

Und das, liebe Hörer, beziehen wir auch auf uns.