Von Arno Orzessek
Die FAZ und die WELT rezensieren Andreas Kriegenburgs Inszenierung von "Am Schwarzen See" am Deutschen Theater in Berlin, allerdings mit unterschiedlichem Tenor. Auch der Tod des Komponisten Hans Werner Henze beschäftigt die Feuilletons.
Heute wird’s ernst. Wir beginnen mit Krankheit, kommen zum Tod und enden auf dem Friedhof.
Es ist ja Grippe-Zeit, so mancher möchte sich impfen - allein, der Pharmariese Novartis musste zwei Impfstoffe wegen möglicher Nebenwirkungen zurückziehen.
Vor diesem Hintergrund fragt die TAGESZEITUNG in ihrer Kolumne:
"Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?"
den Pointen-Krösus:
"Angst vor der Epidemie?"
Antwort Küppersbusch:
"Nein, Vorfreude."
Dabei ist Küppersbusch gar nicht in suizidal drauf, sondern erklärt:
"Habe soeben entschieden, lieber Grippe zu bekommen, als mir ein Serum 'aus speziell präparierten Tumorzellen von Hunden’ spritzen zu lassen: Optaflu, das Novartis als Ersatz für die verunreinigten Begripal und Fluad anbietet. Letztere stammen aus mit Grippe kontaminierten Hühnereiern. Wow bzw. gack."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fordert:
"Alle bitte ihre Tabletten nehmen!",
denkt dabei aber nicht an Grippe, sondern Dea Lohers Stück "Am Schwarzen See". Es wurde im Deutschen Theater Berlin in der Regie von Andreas Kriegenburg uraufgeführt.
Irene Bazinger erklärt, worum es geht:
"Zwei Ehepaare, ein Kummer: Ihre Kinder hatten sich ineinander verliebt und […] gemeinsam Selbstmord begangen. Vier Jahre ist das her, und nun trifft man sich erstmals wieder, und zwar genau dort, wo das Unglück geschah […]. Doch wenn man die Uraufführung […] überstanden hat, ist man fast so weit, den armen Jugendlichen in ihrer Todessehnsucht beizupflichten: In diesem Umfeld möchte man wirklich nicht leben."
Was man so deuten könnte, als finde FAZ-Autorin Bazinger das Loher-Stück überzeugend - tut sie aber nicht:
"Selbst aller routiniert aufgefahrene Bombast hilft der Inszenierung nicht, den dramatisch verfahrenen Karren flottzumachen."
Etwas anderes hat Matthias Heine gesehen. Der Autor der Tageszeitung DIE WELT lobt unter der finsteren Überschrift
"Wenn Eltern ihre Kinder in den Selbstmord treiben"
die
"vielschichtige Meisterleistung"
am Deutschen Theater.
Keine Glanzleistung scheint der Libretto-Debütant Peter Sloterdijk abgeliefert zu haben.
Die Münchener Uraufführung der Oper "Babylon", zu der Jörg Widmann die Musik komponiert hat, fällt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG übel durch.
"Großes war eben angesagt. Geworden ist daraus ein Schuss in den Ofen. […] Sloterdijks Problem […] liegt im Formalen. Bei den verquasten Gedankengängen, beim eitlen bildungsbürgerlichen Blendwerk, vor allem aber bei einer Sprache, die wichtig tut und doch nur nachahmt. Es ist, als hätte Slotderdijk, bevor er zu einem neuen Kapitel ansetzt, einen Blick in den ‚Ring des Nibelungen’ geworfen, nur findet sich bei ihm keine Spur von Wagners subtiler Ironie",
spottet NZZ-Autor Peter Hagmann.
Reinhard J. Brembeck gebraucht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG das adipöse Wort
"Oktoberfestbreitbandformat"
und lästert über Widmanns Komposition:
"Versatzstücke aus bayersicher Folklore, Music Hall, Betriebsfeier-Cancan, Faschingsball werden grell durcheinander gewürfelt und gipfeln in ‚Die Affen rasen durch den Wald’. So etwas gibt’s nur bei RTL und der manchmal von allen dramaturgischen Geistern verlassenen Bayerischen Staatsoper."
Das mit den Affen wäre dem Komponisten Hans Werner Henze, der im Alter von 86 Jahren gestorben ist, wohl nicht unterlaufen.
"Er suchte die Schönheit und den Glanz der Wahrheit",
überschreibt Eleonore Büning ihren Nachruf in der FAZ und charakterisiert Henze so:
"Ein chronisch unangepasster Einzelgänger, ein scheuer, bockig-schillernder Regent in seinem eigenen Reich und ein Künstler, der sich vom Rest der Avantgarde isolierte, weil er nie aufgegeben hat, um das allgemein Verständliche zu ringen."
In der WELT verbeugt sich Klaus Geitel:
"[Henze] war ein Aufrüttler, nicht nur der erlauchten Künstler um sich herum, sondern auch seiner selbst. Seine Leben, seine Lieben, seine Leidenschaften waren in seiner Musik stets hörbar." -
In stillem Gedenken fällt unser Blick auf eine FAZ-Überschrift. Sie beschreibt, wo wir unsere letzte Ruhe lieber nicht finden wollen, nämlich:
"Auf dem Friedhof der elektronischen Kuscheltiere."
Es ist ja Grippe-Zeit, so mancher möchte sich impfen - allein, der Pharmariese Novartis musste zwei Impfstoffe wegen möglicher Nebenwirkungen zurückziehen.
Vor diesem Hintergrund fragt die TAGESZEITUNG in ihrer Kolumne:
"Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?"
den Pointen-Krösus:
"Angst vor der Epidemie?"
Antwort Küppersbusch:
"Nein, Vorfreude."
Dabei ist Küppersbusch gar nicht in suizidal drauf, sondern erklärt:
"Habe soeben entschieden, lieber Grippe zu bekommen, als mir ein Serum 'aus speziell präparierten Tumorzellen von Hunden’ spritzen zu lassen: Optaflu, das Novartis als Ersatz für die verunreinigten Begripal und Fluad anbietet. Letztere stammen aus mit Grippe kontaminierten Hühnereiern. Wow bzw. gack."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fordert:
"Alle bitte ihre Tabletten nehmen!",
denkt dabei aber nicht an Grippe, sondern Dea Lohers Stück "Am Schwarzen See". Es wurde im Deutschen Theater Berlin in der Regie von Andreas Kriegenburg uraufgeführt.
Irene Bazinger erklärt, worum es geht:
"Zwei Ehepaare, ein Kummer: Ihre Kinder hatten sich ineinander verliebt und […] gemeinsam Selbstmord begangen. Vier Jahre ist das her, und nun trifft man sich erstmals wieder, und zwar genau dort, wo das Unglück geschah […]. Doch wenn man die Uraufführung […] überstanden hat, ist man fast so weit, den armen Jugendlichen in ihrer Todessehnsucht beizupflichten: In diesem Umfeld möchte man wirklich nicht leben."
Was man so deuten könnte, als finde FAZ-Autorin Bazinger das Loher-Stück überzeugend - tut sie aber nicht:
"Selbst aller routiniert aufgefahrene Bombast hilft der Inszenierung nicht, den dramatisch verfahrenen Karren flottzumachen."
Etwas anderes hat Matthias Heine gesehen. Der Autor der Tageszeitung DIE WELT lobt unter der finsteren Überschrift
"Wenn Eltern ihre Kinder in den Selbstmord treiben"
die
"vielschichtige Meisterleistung"
am Deutschen Theater.
Keine Glanzleistung scheint der Libretto-Debütant Peter Sloterdijk abgeliefert zu haben.
Die Münchener Uraufführung der Oper "Babylon", zu der Jörg Widmann die Musik komponiert hat, fällt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG übel durch.
"Großes war eben angesagt. Geworden ist daraus ein Schuss in den Ofen. […] Sloterdijks Problem […] liegt im Formalen. Bei den verquasten Gedankengängen, beim eitlen bildungsbürgerlichen Blendwerk, vor allem aber bei einer Sprache, die wichtig tut und doch nur nachahmt. Es ist, als hätte Slotderdijk, bevor er zu einem neuen Kapitel ansetzt, einen Blick in den ‚Ring des Nibelungen’ geworfen, nur findet sich bei ihm keine Spur von Wagners subtiler Ironie",
spottet NZZ-Autor Peter Hagmann.
Reinhard J. Brembeck gebraucht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG das adipöse Wort
"Oktoberfestbreitbandformat"
und lästert über Widmanns Komposition:
"Versatzstücke aus bayersicher Folklore, Music Hall, Betriebsfeier-Cancan, Faschingsball werden grell durcheinander gewürfelt und gipfeln in ‚Die Affen rasen durch den Wald’. So etwas gibt’s nur bei RTL und der manchmal von allen dramaturgischen Geistern verlassenen Bayerischen Staatsoper."
Das mit den Affen wäre dem Komponisten Hans Werner Henze, der im Alter von 86 Jahren gestorben ist, wohl nicht unterlaufen.
"Er suchte die Schönheit und den Glanz der Wahrheit",
überschreibt Eleonore Büning ihren Nachruf in der FAZ und charakterisiert Henze so:
"Ein chronisch unangepasster Einzelgänger, ein scheuer, bockig-schillernder Regent in seinem eigenen Reich und ein Künstler, der sich vom Rest der Avantgarde isolierte, weil er nie aufgegeben hat, um das allgemein Verständliche zu ringen."
In der WELT verbeugt sich Klaus Geitel:
"[Henze] war ein Aufrüttler, nicht nur der erlauchten Künstler um sich herum, sondern auch seiner selbst. Seine Leben, seine Lieben, seine Leidenschaften waren in seiner Musik stets hörbar." -
In stillem Gedenken fällt unser Blick auf eine FAZ-Überschrift. Sie beschreibt, wo wir unsere letzte Ruhe lieber nicht finden wollen, nämlich:
"Auf dem Friedhof der elektronischen Kuscheltiere."