Von Arno Orzessek
"Savages", der neue Film von Oliver Stone, erregt die Gemüter der Kritiker. Während die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ihn vollends zerreißt, findet "Die Zeit" noch etwas gutes. Die "Berliner Zeitung" erinnert an das Zweite Vatikanische Konzil und stellt die Frage nach Demokratie in der Kirche.
"Widerlich, Alter",
schnauzt Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Regisseur Oliver Stone an.
Zur Anschnauze fühlt sich Dath durch Stones neuen Film "Savages" motiviert, in dem es um High Tech-Drogenkrieg und die gute alte Liebe zu dritt geht:
"Wer Oliver Stone unbedingt seine Selbstverkennung als gesellschaftskritischer Sittenchronist abkaufen möchte, mag in 'Savages' manchmal etwas wie Kritik des sogenannten 'kognitiven Kapitalismus', der dummen Gleichung 'Ideen sind das neue Geld', vorüberhuschen sehen","
konzediert Dath, um ""diese wohlmeinende Lesart" dann sofort zu desavouieren.
Die richtige, die intelligente, die Dathsche Lesart führt nämlich zu dem Ergebnis, dass "Savages" "Abschiebeknastkino für smarte weiße Jungs" ist, in dem "rassistische Action-Pirouetten auf unfruchtbarem Bilderboden" gedreht werden.
Bezeichnenderweise versteht Hanns-Georg Rodek in der Tageszeitung DIE WELT "Savages" exakt so, wie es der hochmütige Dath den cineastischen Dummerchen zugeschrieben hat.
"Es gibt kaum einen anderen Film" [lobt Rodek], "der die Mechanismen des Kettensägenkapitalismus derart bloß legt, und sind sie nicht willig, gebraucht er Gewalt. [ ... ] Einen so spielerischen und gleichzeitig analytischen Film aus Hollywood haben wir lange nicht mehr gesehen."
Und auch Jens Jessen äußert in der Wochenzeitung DIE ZEIT Hochachtung für "Savages" - jedoch allein auf konstruktiver Ebene.
"Der Film, wenn man ihn interpretiert, kann nur Bewunderung auslösen. Etwas anderes stellt sich allerdings ein, wenn man ihn anschaut. Als Zuschauer, im unmittelbaren Erleben, kann man nur sagen: Die Konstruktion wird vergessen. Sie geht unter, sie verschwindet und ersäuft in Strömen von Blut, sie erstickt an platzendem Fleisch und spritzendem Hirn."
Beschreibungen Jens Jessens, die uns - gewollt ungewollt - zu Anders Breivik führen.
Der dänische Theaterregisseur Christian Lollike und sein Schweizer Kollege Milo Rau haben aus Äußerungen des norwegischen Attentäters Bühnenstücke gemacht, die in diesem Oktober in Kopenhagen, Arhus, Oslo, Weimar und Berlin aufgeführt werden.
Unter der Überschrift "Der Mörder hat das Wort" konstatiert der ZEIT-Autor Peter Kümmel:
"Lollikes und Raus Verdacht ist: Die Masse der Bürger müsste sich zu Breiviks Aussagen bekennen, wenn sie ehrlich wäre. Da oben auf der Bühne, so die Suggestion, erfahren wir die Wahrheit über uns."
Doch der ZEIT-Autor Kümmel betrachtet die Projekte von Lollike und Rau insgesamt skeptisch:
"Wir lauschen den Einfällen des Mörders Breivik. Es ist gerade so, als folgten wir der Logik eines Diskurses. Kein Wort mehr über die Opfer und deren Gedankenwelten. Die Gesellschaft geht mit Breivik um, wie mit einem, dem die Bühne gehört, weil er das machtvollste Argument vorgelegt hat, anders gesagt: weil er überlebt hat. Weil er [ ... ] eine Geschichte verkörpert, die nicht zu Ende ist. Und seine Tat wird, da sie legendär schon ist, nun auch noch Kunst."
"Die Wunde schmerzt noch", titelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG - in anderem Zusammenhang.
Matthias Drobinski hat in Tübingen Hans Küng besucht, den Theologen und Kirchenkritiker, dem Papst Johannes Paul II. 1979 die kirchliche Lehrbefugnis entzogen hat:
"Als am 15. Dezember "[1979]" die Nachricht durchs katholische Deutschland eilt, wissen dort viele: Jetzt ist die Aufbruchszeit des Konzils vorbei. Es ist kein Platz mehr für Unbequeme und Strittige."
Jenes Konzil, nämlich das Zweite Vatikanische, begann vor exakt fünfzig Jahren, am 11. Oktober 1962 - und mit dabei war auch Bischof Luigi Bettazzi.
In der BERLINER ZEITUNG will Joachim Frank von Bettazzi wissen, ob das Konzil mit dem päpstlichen Auftrag "instauratio" - 'Erneuerung' - quasi Willy Brandts Motto "Mehr Demokratie wagen" auf die Kirche anwenden wollte.
Bettazzi antwortet diplomatisch ausgebufft:
"Die Kirche ist keine Demokratie, sondern Gemeinschaft. Ich pflege zu sagen, in dieser 'Communio' gebührt der Hierarchie das letzte Wort. Aber vor dem letzten gibt es eben viele vorletzte Worte. Da hat die Hierarchie nicht als einzige etwas zu sagen."
Unsere vorletzten Worte kündigen das letzte Wort an.
Es lautet: Tschüss!
schnauzt Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Regisseur Oliver Stone an.
Zur Anschnauze fühlt sich Dath durch Stones neuen Film "Savages" motiviert, in dem es um High Tech-Drogenkrieg und die gute alte Liebe zu dritt geht:
"Wer Oliver Stone unbedingt seine Selbstverkennung als gesellschaftskritischer Sittenchronist abkaufen möchte, mag in 'Savages' manchmal etwas wie Kritik des sogenannten 'kognitiven Kapitalismus', der dummen Gleichung 'Ideen sind das neue Geld', vorüberhuschen sehen","
konzediert Dath, um ""diese wohlmeinende Lesart" dann sofort zu desavouieren.
Die richtige, die intelligente, die Dathsche Lesart führt nämlich zu dem Ergebnis, dass "Savages" "Abschiebeknastkino für smarte weiße Jungs" ist, in dem "rassistische Action-Pirouetten auf unfruchtbarem Bilderboden" gedreht werden.
Bezeichnenderweise versteht Hanns-Georg Rodek in der Tageszeitung DIE WELT "Savages" exakt so, wie es der hochmütige Dath den cineastischen Dummerchen zugeschrieben hat.
"Es gibt kaum einen anderen Film" [lobt Rodek], "der die Mechanismen des Kettensägenkapitalismus derart bloß legt, und sind sie nicht willig, gebraucht er Gewalt. [ ... ] Einen so spielerischen und gleichzeitig analytischen Film aus Hollywood haben wir lange nicht mehr gesehen."
Und auch Jens Jessen äußert in der Wochenzeitung DIE ZEIT Hochachtung für "Savages" - jedoch allein auf konstruktiver Ebene.
"Der Film, wenn man ihn interpretiert, kann nur Bewunderung auslösen. Etwas anderes stellt sich allerdings ein, wenn man ihn anschaut. Als Zuschauer, im unmittelbaren Erleben, kann man nur sagen: Die Konstruktion wird vergessen. Sie geht unter, sie verschwindet und ersäuft in Strömen von Blut, sie erstickt an platzendem Fleisch und spritzendem Hirn."
Beschreibungen Jens Jessens, die uns - gewollt ungewollt - zu Anders Breivik führen.
Der dänische Theaterregisseur Christian Lollike und sein Schweizer Kollege Milo Rau haben aus Äußerungen des norwegischen Attentäters Bühnenstücke gemacht, die in diesem Oktober in Kopenhagen, Arhus, Oslo, Weimar und Berlin aufgeführt werden.
Unter der Überschrift "Der Mörder hat das Wort" konstatiert der ZEIT-Autor Peter Kümmel:
"Lollikes und Raus Verdacht ist: Die Masse der Bürger müsste sich zu Breiviks Aussagen bekennen, wenn sie ehrlich wäre. Da oben auf der Bühne, so die Suggestion, erfahren wir die Wahrheit über uns."
Doch der ZEIT-Autor Kümmel betrachtet die Projekte von Lollike und Rau insgesamt skeptisch:
"Wir lauschen den Einfällen des Mörders Breivik. Es ist gerade so, als folgten wir der Logik eines Diskurses. Kein Wort mehr über die Opfer und deren Gedankenwelten. Die Gesellschaft geht mit Breivik um, wie mit einem, dem die Bühne gehört, weil er das machtvollste Argument vorgelegt hat, anders gesagt: weil er überlebt hat. Weil er [ ... ] eine Geschichte verkörpert, die nicht zu Ende ist. Und seine Tat wird, da sie legendär schon ist, nun auch noch Kunst."
"Die Wunde schmerzt noch", titelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG - in anderem Zusammenhang.
Matthias Drobinski hat in Tübingen Hans Küng besucht, den Theologen und Kirchenkritiker, dem Papst Johannes Paul II. 1979 die kirchliche Lehrbefugnis entzogen hat:
"Als am 15. Dezember "[1979]" die Nachricht durchs katholische Deutschland eilt, wissen dort viele: Jetzt ist die Aufbruchszeit des Konzils vorbei. Es ist kein Platz mehr für Unbequeme und Strittige."
Jenes Konzil, nämlich das Zweite Vatikanische, begann vor exakt fünfzig Jahren, am 11. Oktober 1962 - und mit dabei war auch Bischof Luigi Bettazzi.
In der BERLINER ZEITUNG will Joachim Frank von Bettazzi wissen, ob das Konzil mit dem päpstlichen Auftrag "instauratio" - 'Erneuerung' - quasi Willy Brandts Motto "Mehr Demokratie wagen" auf die Kirche anwenden wollte.
Bettazzi antwortet diplomatisch ausgebufft:
"Die Kirche ist keine Demokratie, sondern Gemeinschaft. Ich pflege zu sagen, in dieser 'Communio' gebührt der Hierarchie das letzte Wort. Aber vor dem letzten gibt es eben viele vorletzte Worte. Da hat die Hierarchie nicht als einzige etwas zu sagen."
Unsere vorletzten Worte kündigen das letzte Wort an.
Es lautet: Tschüss!