Von Arno Orzessek

Die "Süddeutsche Zeitung" beschäftigt sich mit der Misswirtschaft in der Berliner Landespolitik. Die "NZZ" beschreibt, warum die "Polen-Meldestelle" des niederländischen Rechtspopulisten Gert Wilders zum Misserfolg wurde. Und die "Frankfurter Rundschau" gibt sich enttäuscht über den neuen Roman von "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling.
Die Woche begann mit Vermischtem. Und so beginnen auch wir - froh darüber, dass uns die vertrauten deutschsprachigen Feuilletons zumindest vorläufig erhalten bleiben.

In Schweden nämlich, so berichtete die TAGESZEITUNG, schafft das "Svenska Dagbladet" aus ökonomischen Gründen das tägliche Feuilleton ab. Mit Kultur werden die Leser künftig nur noch sonntags versorgt.

Gleich am Montag ging bei uns die Debatte über die Zusammenlegung der Berliner Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung auf der Museumsinsel weiter. Zwei Auswärtige verteidigten die geplante Paarung im Bodemuseum, die im Feuilleton sonst eher bekrittelt wird:

"Der enorme Wert der Berliner Gemälde- und Skulpturensammlungen ist ihre relative Gleichwertigkeit. Sie bietet die einmalige Chance, die natürliche Verbindung beider Kunstformen wiederherzustellen. [ ... ] Bildhauer entwickeln neue künstlerische Konzepte, die Maler inspirieren - und umgekehrt …"

… schrieb Ian Wardropper, Leiter der New Yorker Frick Collection, in der Tageszeitung DIE WELT.

Und Neil Mac Gregor, der Direktor des British Museums, erklärte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG die Museumsinsel unter dem Titel "Vom deutschen Genius" quasi zur Mitte der Menschheit:

"Berlin hat [ ... ] vielleicht den größten Beitrag zum Verständnis der Kulturen der Welt geleistet. [ ... ] Die Probleme eines so großen Projekts [wie dem Umzug der Gemäldegalerie] sind nicht von der Hand zu weisen, aber es ist eine Unternehmung, die für alle Menschen auf der Welt ein großer Gewinn wäre."

Indessen bekam Berlin nicht nur gute Presse. Jens Bisky schickte in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG seiner Hauptstadt-Schelte einen starken Spruch voraus, aufgespießt auf einer Postkarte, die das Konterfei Walter Ulbrichts zeigt:

"Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu errichten."

"Das Unbehagen [der Berliner] bleibt vorpolitisch, provoziert keine wutbürgerlichen Aktionen, Empörung verrauscht im sarkastischen Witz. Warum?"

… fragte SZ-Autor Bisky - und antwortete:

"Besonders 'sexy', um es im Berliner Idiom zu sagen, sind Verwaltungsprobleme [ ... ] nicht, daher pflegen ihnen gegenüber Alt- wie Neuberliner eine Haltung der Indifferenz. Die Grenze zur Gleichgültigkeit gegenüber dem Gemeinwohl, das wesentlich auf guter Verwaltung beruht, ist leicht überschritten."

Lassen wir Berlin, ziehen wir in die Berge. In einem typisch NZZ-igen Artikel schrieb Peter Egloff in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über alte und neue Nationalparks in der Schweiz.

Der erste Park, 1914 im Unterengadin eröffnet, sollte nach den Worten von Park-Förderer Walter Bissegger, dem damaligen NZZ-Chefredakteur, ein "Rütli der Natur" und "vaterländisches Heiligtum für die Schöpfung" werden, in dem die Schweizer allen "menschlichen Vergewaltigungsgelüsten" zu entsagen hätten. Das ist die NZZ, die allerliebst nach Ricola-Lutschbonbons riecht.

Doch das Blatt kann auch anders. Es ließ den Amsterdamer Schriftsteller Abdelkader Benali über die Wahl in den Niederlanden schreiben, bei der die rechtspopulistische "Partei für die Freiheit" von Gert Wilders abgewatscht worden war:

"Wohl versuchte er es im Glauben an den eigenen Erfolg noch einmal [hielt NZZ-Autor Benali fest]. Doch seine 'Polen-Meldestelle', eine Hotline, wo besorgte Bürger ihr Missfallen über Arbeitsmigranten aus Osteuropa kundtun konnten, war ein Schlag ins Kontor. Dies rief Assoziationen an den Zweiten Weltkrieg wach: die Denunziation von Juden bei der Besatzungsmacht."

Obwohl Wilders' Polen-Meldestelle ein Misserfolg war, darf man keinen Frieden unter den Völkern erwarten, schon gar nicht im Internet. "Im globalen Medien-Raum tobt ein symbolischer Weltbürgerkrieg", ereiferte sich die Wochenzeitung DIE ZEIT. Thomas Assheuer formulierte anlässlich der digitalen Kampfhandlungen um den Müll-Film "Die Unschuld der Muslime" tiefe Medien-Melancholie:

"Auch wenn es nur hysterisierte Minderheiten sind, die mit dem Feuer spielen - den globalen Medien-Raum hatte man sich anders vorgestellt, es gibt nun die one world, aber sie erstickt unter den Megatonnen von Verachtung, sie ist zerfurcht von Text- und Bilderkriegen, denen ganz reale Selbstbehauptungskämpfe zugrunde liegen, Kämpfe um den Reichtum der Nationen, um weltpolitischen Einfluss und - nicht zu vergessen - Ängste vor der Machtübernahme einer 'gottlosen Westkultur'."

Zur gottlosen Westkultur haben auch die sieben "Harry Potter"-Bände von Joanne K. Rowling gehört. Nun hat die Schriftstellerin den Roman "Ein plötzlicher Todesfall" vorgelegt - und lässt darin viel geschehen, wie Sylvia Staude in der FRANKFURTER RUNDSCHAU bemerkte:

"[Sie] lässt Schüler eine Sikh-Mitschülerin auf Facebook mobben, weil sie ein Damenbärtchen hat. Lässt diese sich regelmäßig mit Rasierklingen ritzen. Lässt eine 16-Jährige schnell und umstandslos vergewaltigt werden. Lässt spritzen, rauchen, saufen, vögeln. Lügen, betrügen, denunzieren und intrigieren. Und, hier und da, dann doch ein bisschen Herz zeigen."

Jede Menge Action also - gleichwohl meinte die FR-Autorin Staude:

"Ein Buch, nach dem wenige Hähne krähen würden, stünde nicht J. K. Rowling auf dem Titel: Formal dann doch zu konventionell für die Hochliteratur-Fans, inhaltlich zu trostlos für die Unterhaltungsliteratur-Leser."

"Eine Enttäuschung" - fand auch Felicitas von Lovenberg in der FAZ.

Indessen ist deren ehemaliger Literaturchef Karl Heinz Bohrer 80 Jahre alt geworden. In der WELT verband Thomas Schmid den Geburtstag Bohrers mit dem 30. Jahrestag von Helmut Kohls Wahl zum Bundeskanzler:

"Es ist schade, dass Bohrer immer den ästhetisch verletzten Feind des angeblich formlosen Helmut Kohl gegeben hat. Der Bundesrepublikaner Kohl und der im Degout ertrinkende Antibundesdeutsche Bohrer haben mehr gemein, als es den Anschein hat [ ... ]. Beide sind sie Unerschütterliche."

Wir sind am Ende. Und falls Sie sich fragen, liebe Hörer, was Sie jetzt mit dem Wochenende machen sollen, hier ein Vorschlag der SZ:

"Raus aus dem Hamsterrad."