Von Arno Orzessek

Die „FAZ“ gibt dem griechischen Publizisten Yianis Makridakis das Wort, um über sein Land, die EU, Deutschland und die Krise zu schimpfen. Die „FR“ rezensiert empört Gertrud Höhlers Anti-Merkel-Buch „Die Patin“ und die „Welt“ verteidigt die amerikanische Philosophin Judith Butler.
Falls Sie ermüdet sind von der EU- und Euro-Krise, liebe Hörer: Finger weg von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG! Das FAZ-Feuilleton versammelt nämlich unter dem Titel „Meine Krise“ viele besorgte, frustrierte und zornige Autoren-Stimmen aus allen Gegenden Europas.

Nach Ansicht des griechischen Publizisten Yianis Makridakis stand die Gesellschaft seines Landes vor einem Jahr „Kurz vorm Kannibalismus“. Inzwischen sei sie voller Hass auf sich selbst und vor allem auf alle anderen: „Deutsche Politiker bilden da keine Ausnahme, vor allem aufgrund ihrer beispiellosen Heuchelei und ihrer wiederholt vorgetragenen imperialistischen Ansichten. Es war in der Architektur der EU nie vorgesehen, dass Deutschland eine so dominierende Stellung einnimmt und sich anschickt, andere Länder zu kolonisieren.“

Heuchelei, Imperialismus, Kolonisation – Griechischer Diplomat in Berlin will der FAZ-Autor Makridakis offenbar nicht mehr werden.

Dass sein Land vielleicht eine gewisse Mitverantwortung für die Situation haben könnte, das interessiert Makridakis am wenigsten: „Griechenland ist zu Europas Versuchskaninchen geworden. Die Demütigung der griechischen Bürger, die Entbehrungen, die uns abverlangt werden mit dem absurden Ziel, in diesem Spiel höhere Wachstumsraten zu erreichen – solch eine Politik widerspricht dem europäischen Ethos. Es ist absolut schädlich. Es ist Wahnsinn.“

Yianis Makridakis wurde 1971 geboren, ist also schon über vierzig Jahre alt. Aber was er da in der FAZ zusammenschreibt, könnte auch in einer linken Schülerzeitung stehen.

Was Gertrud Höhler in ihrem Anti-Merkel-Buch „Die Patin“ zusammengeschrieben hat, könnte nach Ansicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU auch in einem Band Pulp Fiction stehen:

„Gertrud Höhler hat die Chance, glaubwürdig aufzuklären und aufzurütteln, kläglich verspielt. Nicht unbedingt der Wiederholungen wegen, obwohl sie dazu führen, dass man sich gelegentlich fühlt wie im Gehirnwaschgang. Auch nicht wegen des radikal wirtschaftsliberalen Weltbildes. [ ... ] Nein, verspielt hat dieses Buch seine Chance, weil Gertrud Höhler das Objekt ihrer Wut nicht zum Gegenstand einer Analyse macht, sondern zur Schurkin eines Trivialromans stilisiert“, kritisiert FR-Autor Stephan Hebel.

Zank und Streit auch um Judith Butler, die amerikanische Philosophin, die demnächst mit dem Theodor-W.-Adorno-Preis ausgezeichnet werden soll.

Wie Volker Breidecker in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet, wurde die Jüdin Butler von Stephan J. Kramer, dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, „'eine bekennende Israel-Hasserin‘ genannt“.

Außerdem bemängelte Kramer, dass das Kuratorium des Adorno-Preises „'Butlers Beitrag zur Philosophie von ihrer moralischen Verderbtheit‘ getrennt“ habe.

Kramers krasser Vorwurf hat laut SZ einen konkreten Hintergrund: Vor einigen Jahren hatte Judith Butler an der Universität Berkeley die gewalttätigen palästinensischen Organisationen Hamas und Hisbollah als „'progressive‘ und der ‚globalen Linken‘ zugehörige ‚soziale Bewegungen‘“ bezeichnet.

Christian Schlüter ist der Sache nachgegangen und korrigiert in der Tageszeitung DIE WELT:

„Mal langsam: Wer sich die Veranstaltung in Berkeley anschaut (auf Youtube verfügbar), wird bemerken, dass Butler keineswegs Stellung bezogen hat zu den politischen Zielen von Hamas und Hisbollah, sondern nur [ ... .] zugestimmt hat, dass beide Organisationen als ‚soziale Bewegungen‘ zu verstehen sind [ ... ]. Was Butler hingegen nicht tat: Irgendwelche Sympathien für Hamas oder Hisbollah zu äußern. Im Gegenteil, deutlich vernehmbar sprach sie von der notwendigen Kritik an beiden Organisationen.“

Zuletzt das: Bekanntlich wurde Wikileaks-Gründer Julian Assange ausgerechnet vom pressefeindlichen Ecuador Asyl gewährt. Und nun zeigt sich, wie die FAZ schreibt, Julians Mutter Christiane Assange sehr angetan von Präsident Rafael Correa. Sie hat ihn mit den Worten gelobt: „'Sie sind ein guter Diktator.‘“

Um nicht selbst moralisch zu werden, delegieren wir unser Urteil an eine SZ-Überschrift, die lautet: „So etwas Verderbtes.“