Von Arno Orzessek

Die Feuilletons befassen sich mit dem Thema Rechtsradikalismus. "SZ" und "FAZ" monieren über die Tatoos von Bayreut-Bariton Evgeny Niki, die "Welt" fragt dagegen, wie wichtig die Persönlichkeit des Künstlers ist, um gute Kunst zu machen. Auch Anders Breivik und der Aurora-Mörder kommen vor.
Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist Evgeny Nikitin "Der Hautverdächtige".

Bitte schön: nicht der Hauptverdächtige, sondern "Der Hautverdächtige", sonst wäre die Überschrift ja witzlos.

Der Oberkörper des russischen Bassbaritons, der in Bayreuth den "Fliegenden Holländer" singen sollte, ist nämlich mit allerlei Tattoos verziert. Darunter auch: Hakenkreuz und SS-Runen.

Deshalb haben die Chefinnen vom Grünen Hügel nun, kurz vor der "Holländer"-Premiere, Nikitin rausgeworfen und den koreanischen Bariton Samuel Youn engagiert.

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG wundert sich Eleonore Brüning über das Timing:

"Unbekannt war Nikitins Körperbemalung den Festspielen jedenfalls nicht. Hatte man ihm nicht in den Werkstätten ein Holländer-Kostüm auf den Leib geschneidert? Waren die Tattoos nicht Thema in diversen Interviews gewesen?"

So oder so hat die FAZ-Autorin keine gute Meinung vom Grünen Hügel:

"Versagt hat nicht der russische Sänger. Versagt haben, wieder einmal, die Festspiele. Auch noch 2012 ist der Mythos Bayreuth ein kranker Mythos [ ... ]. Solange jedenfalls, wie noch Brekerbüsten im Park herumstehen, solange, wie die Familie der Wagners [ ... ] die Aufarbeitung ihrer braunen Vergangenheit extern an Wissenschaftler delegiert; solange, wie man verdruckst, verkorkst mit doppelter Zunge spricht und taktiert: Solange wird es in Bayreuth immer wieder hässlich stinken und krachen","

zürnt Eleonore Brüning in der FAZ.

In der Tageszeitung DIE WELT fragt Udo Badelt:

""Natürlich kann man dort, wo Hitler ein- und ausging, nicht mit Hakenkreuz auftreten. Oder doch?" ... .

und schwelgt dann in gröbsten Analogien:

"Ernst Jünger war bestimmt kein Demokrat, Gottfried Benn flirtete mit den Nazis, [ ... ] Knut Hamsun schrieb noch 1945 einen lobenden Nachruf auf Hitler, Pablo Picasso soll die Frauen verachtet haben, Rainer Werner Fassbinder am Set ein unerträglicher Tyrann gewesen sein. Bedeutet das irgendetwas für die Bilder, für die Filme? [ ... ] Jemand kann ein Kotzbrocken sein und doch großartige Kunst schaffen."

Einerseits hat WELT-Autor Badelt irgendwie recht. Andererseits würde sein Argument besser in die BILD passen als in die WELT. -

Nur so nebenbei: Wie die TAZ berichtet, lässt sich auch die amerikanische Bundespolizei Nachhilfe in punkto Tätowierungen geben:

"Am 13. Juli stellte das FBI an die Polizei und andere Behörden eine Anfrage zur Datenlage bezüglich 'Tattoos und Symbolbildern und ihrer möglichen Bedeutung für die Zugehörigkeiten zu Gangs, terroristischen Vereinigungen und anderen kriminellen Organisationen."

Ob James Holmes tätowiert ist und ob ihn etwaige Tattoos als Mörder in spe verraten hätten, das wissen wir nicht. Sicher ist: Die Feuilletonisten sind geschockt und inspiriert von dieser Verdichtung ...

Dass der Kino-Attentäter von Aurora, Colorado, sein Werk während der Premiere von Christopher Nolans Batman-Film "The Dark Knight Rises" vollbrachte und dabei - laut WELT - gerufen haben soll: "'Ich bin der Joker, der Feind von Batman'.

"Ja, der Mörder von Aurora inszenierte sich als Joker" [schreibt Anke Westphal in der FR]. "Seit alles medial, liquid und virtuell ist, scheinen Fiktion und Realität immer mehr zu verschmelzen. Die Grenzen nicht allein zu erkennen, sondern auch zu wahren, wird künftig sicher eine der existenziellen Herausforderungen sein. Der Joker ist indes nur eine Maske und kein Motiv."

Fremdenfeindlichkeit war das Motiv von Anders Breivik, dem Attentäter von Oslo und Ütoya. Ins Lob auf den Umgang der Norweger mit Täter und Tat mischt sich zum Jahrestag des Blutbads nun die Kritik der Schriftstellerin Asne Seierstad.

Sie berichtet in der SZ, dass jüngst einige hundert Roma nach Norwegen gekommen sind - und überall beschimpft und verjagt wurden.

"Wir sollten nicht mit unserer Toleranz angeben" [mahnt Seierstad]. "Die Wahrheit ist: Wir haben den Test vielleicht nicht bestanden." -"

Zuletzt das: In der TAZ führt Doris Akrap vor, wie eine Vollblut-Journalistin voll mit Blut-Alkohol arbeitet, und beginnt mit den Worten:

""Ausgerechnet nach Jena fahren, um saufen zu gehen? Warum nicht!"

Wir freuen uns, sogleich eine kürzere Anfahrt zu haben, und wünschen Ihnen eine schöne Woche!