Von Arno Orzessek

Die "Faz" blickt auf das Holocaust-Gedenken im Bundestag. An den verstorbenen Schauspieler Vadim Glowna erinnern die "Welt" und die "FR". Freuen tun sich fast alle über das erste Album von Lana del Rey – nur nicht die "SZ".
"Es gilt das erlebte Wort."

Was so klingt wie der neue Werbe-Slogan dieses Senders, ist tatsächlich eine Überschrift in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.

Frank Schirrmacher macht sich Gedanken über die Rede, mit der Marcel Reich-Ranicki an diesem Freitag im Bundestag an die Befreiung von Auschwitz 1945 erinnern wird, sodann über die Rede Richard von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Kriegsendes im Mai 1985 und schließlich über das Reden überhaupt.

"Je zynischer eine Gesellschaft wird, die wichtige politische Reden nur noch als Sonntagsreden wahrnimmt, je abgestumpfter sie auf Bekenntnisse und öffentliche Versprechungen reagiert, desto wichtiger ist es, daran zu erinnern, dass der Staat dort, wo er öffentlich redet oder reden lässt, im tiefsten Sinne des Wortes Gutes tun kann. Die öffentliche Rede ist fast der einzige Moment, wo das kalte Ungeheuer des Staates dem Bürger seine Seele zeigt","

schreibt in gewohnt großen Worten FAZ-Autor Frank Schirrmacher.

""Und was sagt eigentlich Gott?" fragt sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, bezieht sich damit aber nicht auf den FAZ-Mitherausgeber.

Christine Dössel lobt Christian Stückls Inszenierung von Hochhuths Papst-Drama "Der Stellvertreter" am Münchener Volkstheater - und drückt ihre Begeisterung in einem Kurzsatz-Stakkato aus:

"Da ist eine Dringlichkeit, die sich vermittelt. Hier geht es um etwas. Denen geht es um etwas. Das hat man nicht jeden Tag im Theater."

Nimmermehr auf dem Theater noch sonst lebendig wird man den Schauspieler und Regisseur Vadim Glowna sehen, der 70-jährig in Berlin gestorben ist.

"Mit Mitte dreißig hatte er alles: einen Ruf (eine Art seriöser Kinski), eine tolle Frau (die Schauspielerin Vera Tschechowa, die Elvis Presley vergeblich umgarnt hatte , ein tolles Kind, zwei Häuser, zwei Autos, zwei Hunde, zwei Katzen. Was sollte nun noch kommen?"

fragt sich Hanns-Georg Rodek in der Tageszeitung DIE WELT. Und resümiert, da ja noch einiges kam:

"Bei all den verschlossenen, zwiespältigen Charakteren, die Vadim Glowna in fünf Jahrzehnten gab, hatte man immer das Gefühl, nicht einem brillanten Schauspieler zuzusehen, sondern jemandem, der aus Erfahrung schöpft und Schuldbeladene spielt, keine Bösen."

Dem Verstorbenen besonders nah kommt Daniel Kothenschulte in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Wenn man sich oft fragte, wie [Vadim Glowna] als Schauspieler auch unscheinbaren Filmfiguren zu so außergewöhnlicher Intensität und Eindringlichkeit verhalf, dann war das wohl die Sehnsucht, die ihn selber trieb: Eine Zärtlichkeit, die auch bei Rückschlägen nicht verstummte. Und die auch im Aussichtslosen noch auf Gegenliebe hoffte. Sie blitzte fast unentwegt aus seinen verschmitzten blauen Augen."

Mit der Beerdigung von Charles Bukowski endet "Manhattan Muffdiver", der Roman des Autors und Übersetzer Carl Weissner, der unter anderen William Burroughs, Allen Ginsberg und Bob Dylan ins Deutsche übertragen hat.

Warum "Manhattan Muffdiver" unbedingt mit Bukowski Beerdigung enden musste, hat Weissner laut Berliner TAGESSPIEGEL einmal so erklärt:

"Ich brauchte noch zwanzig Seiten Text."

Um nicht mit dem Tod zu enden, enden wir mit Lana del Rey. Das Pop-Wunderkind, das jetzt sein erstes Album - "Born to die" - veröffentlicht hat, sieht dermaßen verschärft aus, dass kein Feuilleton auf ein gebührendes Foto verzichtet.

Weil wir aber Fotos hier nicht vorzeigen können, wollen wir die junge Dame aus New York durch Überschriften näher charakterisieren:

"Ein Geist aus Fleisch und Blut","

beobachtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, "Lady Lolita", meint der TAGESSPIEGEL. "Für dich, für dich, es ist alles für dich!", lechzt DIE WELT.

Die SZ indessen macht die Musik del Reys verächtlich und beklagt nicht etwa die Banalität des Bösen, sondern

"Die Banalität des Dösens."

Was uns an den Anfang zurückbringt, als wir zitierten:

"Es gilt das erlebte Wort."