Von Arno Orzessek

Die FAZ verreißt eine Ausstellung eine Ausstellung zum Thema "Entschleunigung" in Wolfsburg und wettert gegen die Apologeten dieser Lebenshaltung. Ansonsten sind die Feuilletons uneinig über David Finchers Neuverfilmung des Romans "Verblendung" von Stig Larsson.
Wer als Motorradfahrer über mehr als 100 PS regiert - unsere eigene Maschine gewährt uns dieses Vergnügen -, wird folgender Überschrift in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG leicht zustimmen:

"Beschleunigung ist nicht das Problem - und Entschleunigung nicht die Lösung."

Da der Autor des FAZ-Artikels allerdings der vergeistigte Christian Geyer ist, haben wir uns die Hoffnung auf ein bisschen Benzin-Poesie gleich wieder abschminkt.

Tatsächlich will Geyer laut Unterzeile erklären, "warum es ein Trugschluss ist, all unsere Sorgen auf eine angeblich beschleunigte Kultur zurückzuführen."

In der Hauptsache wettert Geyer dann gegen den "Unfug sogenannter Zeitdiagnosen" - namentlich von dem Philosophen Hartmut Böhme, der Schriftstellerin Katja Kullmann und dem Soziologen Hartmut Rosa.

Auch das Hauptargument gegen die Verherrlicher der Entschleunigung entwickelt Geyer nicht selbst, sondern leiht es sich bei dem in Karlsruhe lehrenden Philosophen Byung-Chul Han aus:

"Die Entschleunigung allein erzeugt kein Bild, kein narratives Gebilde. Sie verhindert nicht den Sturz in die Leere."

Wen wundert's da, dass in der FAZ auch "Die Kunst der Entschleunigung" verrissen wird - jene Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg, für deren Katalog, man ahnt es fast, die Entschleunigungsfreunde Böhme und Rosa Beiträge geschrieben haben.

"Es ist sinnlich unergiebig und begrifflich platt, Langsamkeit und Geschwindigkeit gegeneinander auszuspielen. Leider macht die Ausstellung genau das", beschwert sich FAZ-Autorin Swantje Karich.

Um endlich auch andere Blätter aufzublättern, zitieren wir aus dem FAZ-Interview mit der Schauspielerin Birgit Minichmayr nur diesen einen, pathetischen, gegen Facebook und die sogenannte Internet-Gemeinde gemünzten Satz mit zwei Genitiven:

"Ich bin für die Stabilisierung des Rückgrats des Einzelnen."

An diesem Mittwoch kann man Minichmayr in der ARD-Produktion "Die Verführte. Adele Spitzender" sehen. Es geht um Leben und Tricks der Schauspielerin, Hochstaplerin und Betrügerin Spitzender, die bereits im 19. Jahrhundert das Schneeballsystem aus dem ff beherrscht hat.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG würdigt Eva Rose Rüthli - die Autorin heißt wirklich so - Birgit Minichmayr "als glamouröses Miststück in einem [ansonsten] flachen Film".

Klaudia Wick hingegen äußert sich in der FRANKFURTER RUNDSCHAU recht zufrieden:

"Das Milieu der kleinen Leute, angeführt von Marianne Sägebrecht als Spitzenders patenter Wirtin, ist glaubwürdig in Szene gesetzt und bildet den angemessenen Resonanzboden für diese schillernde Hauptfigur und ihre unerhörte Geschichte."

Schillernde Hauptfigur, unerhörte Geschichte: Das passt auch auf Lisbeth Salander und den Stieg Larsson-Roman "Verblendung". Im Jahr 2009 hatte der schwedische Regisseur Niels Arden Oplev den Bestseller für das Fernsehen verfilmt und als Spielfilm fürs Kino geschnitten. Nun folgt Hollywoodregisseur David Fincher - dessen "Verblendung" FAZ-Autor Andreas Kilb den Vorzug gibt:

"David Fincher hat fast nichts an der Geschichte verändert. Dennoch ist sein Film ein Spur raffinierter als das Original."

Susan Vahabzadeh drückt in der SZ dagegen Hollywoodskepsis aus:

"Wenn man zehnmal so viel für einen Film ausgibt, bedeutet das noch lange nicht, dass das Resultat auch das Zehnfache wert ist."

Ein dickes - und doppelbödiges - Lob zollt Barbara Schweizerhof in der TAGESZEITUNG:

"David Finchers Film-Remake von 'Verblendung' ist so gut, dass die Schwächen des Stoffs und die Klischeehaftigkeit des Buchs von Stieg Larsson deutlich zutage treten."

Zum Schluss ein Dialog von zwei Überschriften, beide SZ.

"Ohnmacht macht" heißt es dort. Und da drunter: "Macht schweigt."

Und nun raten Sie bitte, liebe Hörer, welches "macht" die SZ klein geschrieben hat, damit das Macht-Spiel Sinn macht.