Von Arno Orzessek

Die Suhrkamp-Neuigkeiten der Woche sorgten in der "Welt" eher für Spott, in der "Süddeutschen" war der Autor der "Rausch und Ekstase"-Kritik leicht angeheitert und die "FAZ" hat eine "Ätsch-Zunge" entdeckt. Deutschlandweit trauerten Kritiker und Weggefährten in den Feuilletons der Zeitungen um den Regisseur Dimiter Gotscheff. Und natürlich findet Sibylle Lewitscharoffs Schaffen eine breite Würdigung.
"Na dann Prost",

begrüßte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG am frühen Montagmorgen ihre Leser ...

Und besprach unter der Abbildung von Lovis Corinths "Heimkehrende Bacchanten" - die ungefähr drei Promille intus haben - die Ausstellung "Rausch und Ekstase". Sie erzählt im Hamburger Bucerius Kunst Forum die Wirkungsgeschichte des griechischem Weingottes Dionysos.

Der "Restalkohol" dieser Story, so der leicht beschwipst formulierende SZ-Autor Johan Schloeman, reicht bis in die Gegenwart.

"Noch im zweiten Namen des Party-Gottes, Iakchos oder Bakchos - den die Römer als Bacchus übernahmen -, steckt das extreme Außersichsein: Es sind nämlich die unartikulierten, schrillen Laute der umherziehenden Bacchanten, deren Ruf dann zur Bezeichnung des Gottes selbst wurde. Ein Dionysos-Experte spricht vom 'schleichenden Verlust auf der Signifikatsebene‘. Und er schiebt zwei heutige [ ... ] Begriffe hinterher, um das dionysische Treiben angemessen zu beschreiben: Nonsense und Flow."

Ähnliche Kräfte waren am Zürcher Schauspielhaus am Werk, wo Herbert Fritsch das Irrenhausspektakel "Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt inszeniert hat.

"Wenn einer den 'Physikern‘ noch Beine machen kann, dann Herbert Fritsch, der Leitende Irrenarzt am Krankenbett des deutschen Literatur- und Kopftheaters",

hob Martin Halter in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG hoffnungsvoll an - fand aber letztlich, dass Fritsch nur seine "Ätsch-Zunge" zeige:

"Fritsch jagt Dürrenmatt so lang durch die Nebelkammern und Teilchenbeschleuniger seiner hochtourigen Farce, bis ihm die Hicks- und Higgs-Teilchen glucksend um die Ohren fliegen. Er bringt den 'Mut zum letzten Übermut‘ auf [ ... ], aber er rennt mit Mummenschanz und Tourette-Gekasper nur offene Türen ein."

Lassen wir also den Quatsch ... Und gedenken des Regisseurs Dimiter Gotscheff, der im Alter von 70 Jahren in Berlin gestorben ist.

"Der Witz war sein Brandsatz", diagnostizierte die Wochenzeitung DIE ZEIT und gab einen Lieblingswitz Gotscheffs zum Besten ... Den auch wir gern zitieren - aber erst am Ende.

Unter dem Titel "Das Lachen am Abgrund der Geschichte" erwähnte Rüdiger Schaper im Berliner TAGESSPIEGEL, dass Gotscheff nächstes Jahr Becketts "Warten auf Godot" inszenieren wollte.

"Gotscheff, Godot! Schöne Witze wären das geworden. Gottscheff liebte Witze, da war er nah bei Shakespeare. In einem Interview sagte er einmal, Heiner Müller zitierend und laut auflachend: 'Regisseure sind Penner, sie leben von den Almosen der Schauspieler. Und ich füge immer hinzu, man muss gut betteln können.‘"

Der Nachruf in der TAGESZEITUNG hieß "Monster erforschen".

"Gotscheff war jemand, der das Theater als pathologisches Institut verstand, in dem man die Monstrositäten der Welt erforschen [ ... ] konnte - und darin war er ganz ein Kind des 20. Jahrhunderts. Je größer das Monster, desto ergiebiger seine Analyse: Der Zucker, den der Affe Publikum am liebsten hat, ist das Blut. Sodass Gotscheff auf die großen Monster- und Mörderlieferanten der Welttheaterliteratur zurückgreifen konnte: Shakespeare, Aischylos oder Heiner Müller",

erklärte die TAZ-Autorin Esther Slevogt.

Mit 70 Jahren putzmunter ist die französische Schauspielerin Catherine Deneuve, die "Belle de jour" im gleichnamigen Film Luis Buñuels - und für die SZ schlechterdings "Die Unbesitzbare".

Zum runden Geburtstag Deneuves gratulierte Tobias Kniebe:

"Immer wieder hat sie sich formbar gemacht in den Händen der Kinomeister. Und doch gleichzeitig ihr Schicksal als Schauspielerin ganz allein in die Hand genommen, ihre Entscheidungen, ihren Stil - ja, selbst die Laufzeiten ihrer Beziehungen, von Francois Truffaut bis zu Marcello Mastroianni. Nur in diesem Wechselspiel konnte eine solche Karriere entstehen - diese Verehrung, dieser göttinnengleiche Status, der ihr nicht nur in Frankreich zugesprochen wird." -

Die zurückliegende war auch - und schon wieder - eine Suhrkamp-gegen-Barlach-Woche. Was Wieland Freund in der Tageszeitung DIE WELT zum Stöhnen fand.

"Neuigkeiten gibt es natürlich immer - diesmal hat die [ ... ] Gläubigerversammlung der Umwandlung des Suhrkamp-Verlags in eine Aktionengesellschaft zugestimmt. Auf jedes 'Jetzt‘ allerdings folgt in der Suhrkamp-Causa sogleich ein 'aber‘, ohne das sich beides zu einem 'Jetzt aber!‘ summiert",

spottete Wieland Freund.

Derweil hat Sibylle Lewitscharoff den Büchner-Preis erhalten.

Schon vor der Preisverleihung tat sie in der ZEIT ihre Freude kund - und zwar mit dem Ausruf: "Freude! Freude! Freude!" ...

Um dann - in einer seltsamen Formulierung - einzuschränken:

"Obwohl ich ja auch die gierige Diskussion kenne, eine Gier, die ich als solche nicht teile. Mir ist vollkommen wurscht, ob Mann, ob Frau oder ein Krokodil ausgezeichnet wird, wenn es nur gut ist."

Woraufhin ihr Gesprächspartner, der Dichter Durs Grünbein, einwarf: "Vielleicht wurdest du ja als Krokodil nominiert."

"Oh ja, das wäre natürlich das Allerbeste!" scherzte das Wahl-Krokodil, die Büchner-Preisträgerin Lewitscharoff in der ZEIT. -

Kein Scherz übrigens ist, dass die WELT, die angesichts der Ausspähung von Angela Merkels Handy kurzfristig in ihrer Pro-NSA-Berichterstattung irritiert gewesen zu sein schien, zum Wochenende wieder voll auf Sollen-sie-uns-doch-ausspionieren-bis-der-Arzt-kommt-Kurs lag und behauptete:

"Die jetzt bekannt gewordene US-Freundschaftsspionage ist [ ... ] nicht viel mehr als eine Art Kollateralschaden, eine Art 'friendly fire‘."

Dass Freund-Feuer genauso umbringt wie Feind-Feuer, schien Ulrich Clauß nicht zu interessieren. Hauptsache, die NSA darf weiter schießen, also spionieren ... -

Nun aber, wie versprochen, einer von Dimiter Gottscheffs Lieblingswitzen, den die ZEIT in ihrem Nachruf zitierte:

"Der Arzt sagt zum Patienten: 'Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Welche wollen Sie zuerst hören?‘ Der Patient sagt: 'Die schlechte.‘ Der Arzt: 'Sie sind sehr krank und haben nur noch wenige Tage zu leben.‘ Der Patient: 'Und was ist die gute?‘ Der Arzt: ‘Sehen Sie die Krankenschwester da drüben? Mit der habe ich gerade geschlafen.‘"

Viel Spaß drüben, Dimiter Gotscheff!