Von Arno Orzessek
Sehr finstere Themen in den heutigen Feuilletons: Auf der Spur eines KZ-Kommandanten, Alltag im russischen Straflager und postdemokratische Zustände in Deutschland.
Eins vorab, liebe Hörer: Für Lustiges und Laxes ist heute keine Zeit. Die frischen Feuilletons enthalten viele Bitterstoffe.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bespricht Alex Rühle das Buch "Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen" von Jennifer Teege und Nikola Sellmair…
Durch einen Zufall hat die Hamburger Werbetexterin Teege erfahren, dass sie die Enkelin Amon Göths ist – und wer Göth war, erklärt der SZ-Autor Rühle wie folgt:
"Amon Göth tötete liebend gern nach dem Prinzip Zufall, morgens trat der KZ-Kommandant während des Frühstücks oft auf den Balkon seines Hauses, das direkt an das Lager von Plaszow grenzte, und schoss auf einen oder auch mehrere Häftlinge, die er dann von seiner Dogge und seinem Schäferhund zerfleischen ließ. Nach dem Frühstück […] veranlasste [er] die Ermordung aller Verwandten, weil er keine ‚unzufriedenen Menschen‘ im Lager haben wollte."
Mit Göth verwandt zu sein, das hat seine Enkelin zunächst nicht verkraftet, berichtet Alex Rühle:
"Jennifer Teege brach nach der Entdeckung ihrer Herkunft zusammen. Schwere Depressionen. Apathische Monate. Therapie. Dann begab sie sich auf Spurensuche."
Teeges Buch ist bei Rowohlt erschienen.
Unter der Überschrift "Du kannst weiter ackern, du Pferd!" berichtet die Pussy Riot-Musikerin Nadeschda Tolokonnikowa in der Tageszeitung DIE WELT über ihren Alltag im russischen Straflager.
"Meine Brigade in der Nähwerkstatt arbeitet 16 bis 17 Stunden am Tag. Von 7.30 bis 0.30 Uhr. Für Schlaf haben wir im besten Fall vier Stunden am Tag. […] Vor einem Jahr wurde eine Zigeunerin zu Tode geprügelt. […] Die Frau ist im Lagerkrankenhaus gestorben. Als Todesursache wurde ein Schlaganfall angegeben."
Tolokonnikowa ist mittlerweile in den Hungerstreik getreten.
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG greift den Fall auf und titelt bündig: "Nachrichten aus dem GULag".
"Man muss mit den Russen reden", fordert John Neumeier, der Direktor des Hamburger Balletts, der 2014 am Bolschoi die "Kameliendame" inszenieren wird, in der SZ.
Und zwar in einem Gespräch über das "homophobe Klima in Russland".
"Wenn ich nach Russland gehe, dann als der, der ich bin – also schwul, also mit meinem Lebenspartner. […] Aber ich schwinge nicht demonstrativ die Regenbogenflagge, denn als Künstler kann ich in meiner Arbeit eine Aussage treffen und so ein klares Zeichen der Humanität setzen."
Von Russland nach Nahost.
Unter dem Titel "Der rechte Glaube und der Rechtsstaat" schreibt die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer in der BERLINER ZEITUNG:
"Die Frage lautet nicht, ob Musliminnen und Muslime in einer säkularen Ordnung leben können: Die Frage ist hinlänglich beantwortet, und zwar positiv, indem Millionen von ihnen in säkularen Gesellschaften leben, die sie nicht im Sinne der Scharia umzugestalten wünschen. […] Die Frage lautet, ob Muslime in der arabischen Welt das säkulare Prinzip, das zwischen religiösen und nicht-religiösen Sphären unterscheidet, als legitimes Mittel zur Organisation ihrer eigenen Staaten und Gesellschaften sehen."
Die Antwort – um Gudrun Krämer zu paraphrasieren – lautet: Jein.
Und bei uns? Herrschen "postdemokratische Zustände". Das hat jüngst Hans Magnus Enzensberger im Blick auf die Geheimdienstmachenschaften behauptet.
Nun stimmt ihm Gerhard Baum, Bundesinnenminister a. D., in der FAZ zu, hofft indessen auf einen Ruck.
"Fukushima hat eine Energiewende bewirkt. Könnte der Fall [des Whistleblowers Edward] Snowden nicht dazu führen, dass wir das Menschenrecht auf Privatheit zu einem zentralen Thema der Politik machen? Es muss bei den kommenden Koalitionsverhandlungen […] ganz oben auf die Tagesordnung."
Wer’s glaubt, wird selig! … sagen wir mit Blick auf Mutti Angelas Arglosigkeit in Sachen Datenschutz.
Aber mit wem will Merkel überhaupt regieren? In der SZ vermutet der Staatsrechtler Christoph Möllers, es werde mal wieder keine Minderheitsregierung sein, denn das sei "nichts für deutsche Nerven".
Andererseits gibt es da einen hübschen Ratschlag von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, er lautet:
"Schöpferisch mit dem Leben von heute jonglieren."
Jonglieren Sie schön, liebe Hörer! Bis dann.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bespricht Alex Rühle das Buch "Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen" von Jennifer Teege und Nikola Sellmair…
Durch einen Zufall hat die Hamburger Werbetexterin Teege erfahren, dass sie die Enkelin Amon Göths ist – und wer Göth war, erklärt der SZ-Autor Rühle wie folgt:
"Amon Göth tötete liebend gern nach dem Prinzip Zufall, morgens trat der KZ-Kommandant während des Frühstücks oft auf den Balkon seines Hauses, das direkt an das Lager von Plaszow grenzte, und schoss auf einen oder auch mehrere Häftlinge, die er dann von seiner Dogge und seinem Schäferhund zerfleischen ließ. Nach dem Frühstück […] veranlasste [er] die Ermordung aller Verwandten, weil er keine ‚unzufriedenen Menschen‘ im Lager haben wollte."
Mit Göth verwandt zu sein, das hat seine Enkelin zunächst nicht verkraftet, berichtet Alex Rühle:
"Jennifer Teege brach nach der Entdeckung ihrer Herkunft zusammen. Schwere Depressionen. Apathische Monate. Therapie. Dann begab sie sich auf Spurensuche."
Teeges Buch ist bei Rowohlt erschienen.
Unter der Überschrift "Du kannst weiter ackern, du Pferd!" berichtet die Pussy Riot-Musikerin Nadeschda Tolokonnikowa in der Tageszeitung DIE WELT über ihren Alltag im russischen Straflager.
"Meine Brigade in der Nähwerkstatt arbeitet 16 bis 17 Stunden am Tag. Von 7.30 bis 0.30 Uhr. Für Schlaf haben wir im besten Fall vier Stunden am Tag. […] Vor einem Jahr wurde eine Zigeunerin zu Tode geprügelt. […] Die Frau ist im Lagerkrankenhaus gestorben. Als Todesursache wurde ein Schlaganfall angegeben."
Tolokonnikowa ist mittlerweile in den Hungerstreik getreten.
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG greift den Fall auf und titelt bündig: "Nachrichten aus dem GULag".
"Man muss mit den Russen reden", fordert John Neumeier, der Direktor des Hamburger Balletts, der 2014 am Bolschoi die "Kameliendame" inszenieren wird, in der SZ.
Und zwar in einem Gespräch über das "homophobe Klima in Russland".
"Wenn ich nach Russland gehe, dann als der, der ich bin – also schwul, also mit meinem Lebenspartner. […] Aber ich schwinge nicht demonstrativ die Regenbogenflagge, denn als Künstler kann ich in meiner Arbeit eine Aussage treffen und so ein klares Zeichen der Humanität setzen."
Von Russland nach Nahost.
Unter dem Titel "Der rechte Glaube und der Rechtsstaat" schreibt die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer in der BERLINER ZEITUNG:
"Die Frage lautet nicht, ob Musliminnen und Muslime in einer säkularen Ordnung leben können: Die Frage ist hinlänglich beantwortet, und zwar positiv, indem Millionen von ihnen in säkularen Gesellschaften leben, die sie nicht im Sinne der Scharia umzugestalten wünschen. […] Die Frage lautet, ob Muslime in der arabischen Welt das säkulare Prinzip, das zwischen religiösen und nicht-religiösen Sphären unterscheidet, als legitimes Mittel zur Organisation ihrer eigenen Staaten und Gesellschaften sehen."
Die Antwort – um Gudrun Krämer zu paraphrasieren – lautet: Jein.
Und bei uns? Herrschen "postdemokratische Zustände". Das hat jüngst Hans Magnus Enzensberger im Blick auf die Geheimdienstmachenschaften behauptet.
Nun stimmt ihm Gerhard Baum, Bundesinnenminister a. D., in der FAZ zu, hofft indessen auf einen Ruck.
"Fukushima hat eine Energiewende bewirkt. Könnte der Fall [des Whistleblowers Edward] Snowden nicht dazu führen, dass wir das Menschenrecht auf Privatheit zu einem zentralen Thema der Politik machen? Es muss bei den kommenden Koalitionsverhandlungen […] ganz oben auf die Tagesordnung."
Wer’s glaubt, wird selig! … sagen wir mit Blick auf Mutti Angelas Arglosigkeit in Sachen Datenschutz.
Aber mit wem will Merkel überhaupt regieren? In der SZ vermutet der Staatsrechtler Christoph Möllers, es werde mal wieder keine Minderheitsregierung sein, denn das sei "nichts für deutsche Nerven".
Andererseits gibt es da einen hübschen Ratschlag von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, er lautet:
"Schöpferisch mit dem Leben von heute jonglieren."
Jonglieren Sie schön, liebe Hörer! Bis dann.