Von Arno Orzessek
Es geht um Grass und die SPD, Meese und Hitler, Müntefering und Twitter: Unser Blick in die Feuilletons.
"In freiem Fall Harakiri zu begehen, ist ein Kunststück, das noch keinem Selbstmörder gelungen ist. Bis vorgestern", "
behauptet in der Tageszeitung DIE WELT Henryk M. Broder…
Der aber keineswegs von einem Championat für künstlerisch wertvolle Selbstmordtechniken berichtet, sondern über den Auftritt von Günter Grass und Peer Steinbrück in der Berliner SPD-Parteizentrale.
Wie es lief, lässt Broder im Dunkeln – ein klares Urteil bleibt er aber nicht schuldig:
""Wie einst Liz Taylor und Richard Burton, die es miteinander nicht konnten, aber voneinander nicht loskamen, bleiben auch Grass und die SPD einander in verzweifelter Hassliebe verbunden. Und die SPD muss sehr verzweifelt sein, wenn sie sich wieder mit Grass einlässt. Seine Generation, die der Flakhelfer und Waffen-SS-Unfreiwilligen, ist längst nicht mehr Wahl entscheidend. Alles, was die SPD und Grass verbindet, ist: Beide haben ihre besten Tage lange hinter sich.","
So WELT-Autor Broder in einem für seine Verhältnisse milden Grass-und-SPD-Verriss – Broder ist bekanntlich ein Großmeister der Ausfälligkeit.
Indessen kann Grass – man ahnt es – auch bei der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG nicht punkten.
""All dieses Gerede vom Querdenken, vom Unbequemen – als wäre die Politik ein Sofa, auf dem es sich alle anderen gemütlich machen wollen, nur Grass nicht, der sitzt dauernd auf einem Nagelbrett, er war ja auch oft in Indien. Man ist also chancenlos und schaut dem Nobelpreisträger dabei zu, wie er noch einmal sein Selbstverständnis vorführt und beklatscht wird dafür: der unkritisierbare Kritiker zu sein. Das Anti-Establishment-Establishment."
Der FAZ-Artikel von Tobias Rüther heißt "Wer ist so unbequem wie ich?"…
Und diese Frage führt uns zu dem Alles-Künstler Jonathan Meese, der sich wieder mal daneben benommen hat – nämlich bei den Mannheimer Schillertagen, wie die BERLINER ZEITUNG berichtet.
"Während seiner 165-minütigen Ein-Mann-Aufführung ‚Generaltanz den Erzschiller‘ zeigte er unaufhörlich den Hitlergruß, beschmierte eine Außerirdischen-Gummipuppe mit einem Hakenkreuz oder deutete mit dieser Oral-Sex an. […] Die Zuschauer beschimpfte er als ‚Form-Fleisch-Menschenklone‘, die sich von ‚Demokratie-Terroristen‘ regieren ließen."
Ist Ihnen der hölzern-nüchterne Tonfall des Vorgesagten aufgefallen, liebe Hörer? Bingo! Die BERLINER ZEITUNG druckt einfach eine dpa-Meldung ab.
Zurück ins original feuilletonistische Artistengehege.
Unter dem Titel "Bonn amour" schreibt Ulrich Schulte in der TAGESZEITUNG eine "leicht sentimentale Würdigung der Generation Mettigel"…
Was, bitte schön, Wikipedia, ist "Mettigel"? Wir haben keine Ahnung!
"Mettigel (auch Hackepeterigel oder Hackepeterschwein) sind ein klassischer Bestandteil von kalten Platten bzw. kalten Buffets. Sie bestehen aus Mett mit entsprechender Garnierung."
Danke, Wikipedia!
Nachdem das geklärt ist, sei der TAZ-Artikel selbst empfohlen. Schulte verabschiedet Franz Müntefering und andere coole Figuren, die den Bundestag in diesem Sommer verlassen.
"Auch du, Münte, hattest mit manchen Erscheinungen des 21. Jahrhunderts deine Probleme. […] Niemals hättest du getwittert, obwohl du auf 140 Zeichen wahrscheinlich die Bibel erzählen kannst. Deine Twitterabstinenz kommentierst du, knapp wie immer: ‚Nein, nie selbst getwittert – ich genieße persönlich die Gnade der frühen Geburt.‘ Ach, Münte, allein dafür, für die Ablehnung der Dauergeschwätzigkeit, gebührt euch [offenbar sind hier die Müntes-Gleichen gemeint] Dank, Lob und Ehre." –"
Grass und die SPD, Meese und Hitler, Münte und Twitter: Schön und gut.
Trotzdem haben wir den Eindruck, dass die Feuilletons von den ersten Spatenstichen zum Ausheben des Sommerlochs gezeichnet sind.
Auch Navid Kermani ist mit seinem Latein am Ende. Er schreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – man höre, denke mit und staune:
""Es gibt keine Lösungen mehr für die Syrienkrise, doch von allen falschen Optionen ist Nichtstun die gefährlichste."
Ein wahrhaft pessimistischer Satz – mit Anspruch auf Niveau.
Wir schließen mit einem optimistischen Satz – ohne Niveau. Er steht im Berliner TAGESSPIEGEL und lautet:
"Bange machen gilt nicht."
behauptet in der Tageszeitung DIE WELT Henryk M. Broder…
Der aber keineswegs von einem Championat für künstlerisch wertvolle Selbstmordtechniken berichtet, sondern über den Auftritt von Günter Grass und Peer Steinbrück in der Berliner SPD-Parteizentrale.
Wie es lief, lässt Broder im Dunkeln – ein klares Urteil bleibt er aber nicht schuldig:
""Wie einst Liz Taylor und Richard Burton, die es miteinander nicht konnten, aber voneinander nicht loskamen, bleiben auch Grass und die SPD einander in verzweifelter Hassliebe verbunden. Und die SPD muss sehr verzweifelt sein, wenn sie sich wieder mit Grass einlässt. Seine Generation, die der Flakhelfer und Waffen-SS-Unfreiwilligen, ist längst nicht mehr Wahl entscheidend. Alles, was die SPD und Grass verbindet, ist: Beide haben ihre besten Tage lange hinter sich.","
So WELT-Autor Broder in einem für seine Verhältnisse milden Grass-und-SPD-Verriss – Broder ist bekanntlich ein Großmeister der Ausfälligkeit.
Indessen kann Grass – man ahnt es – auch bei der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG nicht punkten.
""All dieses Gerede vom Querdenken, vom Unbequemen – als wäre die Politik ein Sofa, auf dem es sich alle anderen gemütlich machen wollen, nur Grass nicht, der sitzt dauernd auf einem Nagelbrett, er war ja auch oft in Indien. Man ist also chancenlos und schaut dem Nobelpreisträger dabei zu, wie er noch einmal sein Selbstverständnis vorführt und beklatscht wird dafür: der unkritisierbare Kritiker zu sein. Das Anti-Establishment-Establishment."
Der FAZ-Artikel von Tobias Rüther heißt "Wer ist so unbequem wie ich?"…
Und diese Frage führt uns zu dem Alles-Künstler Jonathan Meese, der sich wieder mal daneben benommen hat – nämlich bei den Mannheimer Schillertagen, wie die BERLINER ZEITUNG berichtet.
"Während seiner 165-minütigen Ein-Mann-Aufführung ‚Generaltanz den Erzschiller‘ zeigte er unaufhörlich den Hitlergruß, beschmierte eine Außerirdischen-Gummipuppe mit einem Hakenkreuz oder deutete mit dieser Oral-Sex an. […] Die Zuschauer beschimpfte er als ‚Form-Fleisch-Menschenklone‘, die sich von ‚Demokratie-Terroristen‘ regieren ließen."
Ist Ihnen der hölzern-nüchterne Tonfall des Vorgesagten aufgefallen, liebe Hörer? Bingo! Die BERLINER ZEITUNG druckt einfach eine dpa-Meldung ab.
Zurück ins original feuilletonistische Artistengehege.
Unter dem Titel "Bonn amour" schreibt Ulrich Schulte in der TAGESZEITUNG eine "leicht sentimentale Würdigung der Generation Mettigel"…
Was, bitte schön, Wikipedia, ist "Mettigel"? Wir haben keine Ahnung!
"Mettigel (auch Hackepeterigel oder Hackepeterschwein) sind ein klassischer Bestandteil von kalten Platten bzw. kalten Buffets. Sie bestehen aus Mett mit entsprechender Garnierung."
Danke, Wikipedia!
Nachdem das geklärt ist, sei der TAZ-Artikel selbst empfohlen. Schulte verabschiedet Franz Müntefering und andere coole Figuren, die den Bundestag in diesem Sommer verlassen.
"Auch du, Münte, hattest mit manchen Erscheinungen des 21. Jahrhunderts deine Probleme. […] Niemals hättest du getwittert, obwohl du auf 140 Zeichen wahrscheinlich die Bibel erzählen kannst. Deine Twitterabstinenz kommentierst du, knapp wie immer: ‚Nein, nie selbst getwittert – ich genieße persönlich die Gnade der frühen Geburt.‘ Ach, Münte, allein dafür, für die Ablehnung der Dauergeschwätzigkeit, gebührt euch [offenbar sind hier die Müntes-Gleichen gemeint] Dank, Lob und Ehre." –"
Grass und die SPD, Meese und Hitler, Münte und Twitter: Schön und gut.
Trotzdem haben wir den Eindruck, dass die Feuilletons von den ersten Spatenstichen zum Ausheben des Sommerlochs gezeichnet sind.
Auch Navid Kermani ist mit seinem Latein am Ende. Er schreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG – man höre, denke mit und staune:
""Es gibt keine Lösungen mehr für die Syrienkrise, doch von allen falschen Optionen ist Nichtstun die gefährlichste."
Ein wahrhaft pessimistischer Satz – mit Anspruch auf Niveau.
Wir schließen mit einem optimistischen Satz – ohne Niveau. Er steht im Berliner TAGESSPIEGEL und lautet:
"Bange machen gilt nicht."