Von Arno Orzessek

Die "Welt" widmet sich einem für Deutschlands Osten schmeichelhaften Orchester-Ranking, während "Die Zeit" über den französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss reflektiert. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" geht der Geschichte des Vergleichs zwischen Hiroshima und Auschwitz nach.
Vorab eine weitere schöne Anerkennung für Deutschlands Osten – verbreitet von der WELT in einem Artikel von Kai Luehrs-Kaiser.

Nachdem die neue Pisa-Studie jüngst gute Noten für die Leistung ostdeutscher Schüler vergeben hat, zählt die britische Zeitschrift GRAMMAPHONE in ihrem Orchester-Ranking nun die Sächsische Staatskapelle Dresden und das Gewandhaus-Orchester Leipzig zu den besten 20 Klangkörpern weltweit.

Ebenfalls im Ranking tauchen das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Berliner Philharmoniker auf, die den zweiten Platz hinter den Siegern aus Amsterdam belegen, also fast auf Karajanscher Höhe agieren - wenn denn solche Rankings irgendetwas bedeuten.

WELT-Autor Luehrs-Kaiser glaubt offenbar daran und lästert:

"Der berühmt unangestrengte Christian Thielemann mit den Münchener Philharmonikern [darf] die Nichtbeachtung als saftige Abwatschung werten."

Ansonsten geht es im aktuellen Feuilleton beklemmend oft um das Krisen-, Kriegs- und Untergangswesen Mensch – über das der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss einflussreiche Bücher geschrieben hat.
In dunkel funkelndem und munkelndem Ton reflektiert in der ZEIT Thomas Assheuer auf den 100. Geburtstag des französischen Naturvolkforschers am Ende des Monats.

"Auf seinen Forschungsreisen stieß Lévi-Strauss [so Assheuer] auf eine Stammeskultur, die ihm reizbar und brandgefährlich erschien. Sie plünderte die Natur, verwüstete ganze Landstriche, verehrte affige Götzen, massakrierte ihresgleichen und war berüchtigt für ihre historischen Gemetzel. [ ... ] Ihr Name lautet "Zivilisation"."

Diese Zivilisation – um einen mörderischen Übergang zu wählen – hat auch Atombomben hervorgebracht und abgeworfen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet von einer Ausstellung im Marbacher Literaturarchiv der Moderne, die dokumentiert, wie Hiroshima die Literatur beeinflusst hat.

FAZ-Redakteur Andreas Platthaus geht auf die Geschichte des Vergleichs von Hiroshima und Auschwitz in der Nachkriegszeit ein, in dem die Spurlosigkeit des Verschwindens der Opfer eine Rolle gespielt hat. Nach und nach sei der Vergleich unter nicht-jüdischen Autoren tabuisiert worden, während jüdische Autoren wie Nelly Sachs und Paul Celan lange daran festhielten.

"Doch wenn [so Platthaus] ein Deutscher wie Hans Magnus Enzensberger 1965 mit Bezug auf die Atomrüstung an Hannah Arendt schreibt: "die Planung der Endlösung von morgen geschieht öffentlich", muss er sich von seiner Adressatin harsche Kritik gefallen lassen, weil sich Auschwitz wiederholen könne ohne katastrophale Folgen für alle Beteiligten, ein Atomkrieg dagegen setze alles aufs Spiel."

Mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki indessen siegten die USA auf dem pazifischen Schauplatz des Zweiten Weltkriegs. Ihr Aufstieg begann.

Heute reden die Auguren vom Abstieg. So auch der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs, der in der FRANKFURTER RUNDSCHAU die "desaströse Gesamtsituation" der USA analysiert und lakonisch feststellt:

"Wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, unsere Rechnungen selbst zu bezahlen. Es stehen dringende nationale und internationale Investitionen an. [ ... ] Die einzige unmittelbare Geldquelle besteht in höheren Steuereinnahmen. Dafür muss das Reagan-Bush-Modell endlich aufgegeben werden."

Damit zur Frage, ob auch das Autofahren aufgegeben werden muss. Genauer gesagt: In welcher Marke man sich am besten nicht erwischen lässt.

Der ausgewiesene Opel-Interpret Niklas Maak erinnert in der FAZ unter dem Titel "Ein neues Mantra für den alten Manta" daran, wie die einst angesehene deutsche GM-Tochter in den 70er und 80er Jahren ihr Renommee verloren hat – der Anfang der heutigen Krise:

""Was gibt es schöneres als eine Überlandpartie?", fragte die Opel-Rekord-Werbung noch brav, aber plötzlich schallte aus dem BMW- und Mercedes-Lager die hämische Antwort: Luxusurlaub auf den Seychellen, Vorweihnachtsshopping in New York, 240 Stundenkilometer auf der Autobahn Nürnberg-München, zum Beispiel, Freunde."

Zuletzt sei erwähnt, dass in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Diedrich Diederichsen über "Chinese Democracy" schreibt, das erste Album der kalifornischen Hard-Rock-Band Guns N-Roses seit 15 Jahren.

Diederichsens Urteil über Guns N' Roses könnte auch Levi-Strauss' Urteil über die Zivilisation sein: Ein "interessanter Trümmerhaufen der Ambitionen".