Von Arno Orzessek
Gestritten wird in den Feuilletons über Philipp Stölzls neuen Film „Nordwand“. Ist es ein großes Werk über Menschenlichkeit und Nächstenliebe oder fehlt „das Berggefühl“? Ein weiteres „Berg“-Thema: der Bildungsgipfel.
Im zurückliegenden Sommer hörte man sie reichlich: Die mythischen Geschichten von den großen Bergen, an denen die Menschen zuschanden werden oder tollkühn triumphieren. Am Mount Everest, am Nanga Parbat, am K2 und am Mont Blanc gingen Abenteuer jeweils tödlich aus, frische Heldenleichen liegen nun dort oben.
Was man hören kann, während man im Berg umkommt, das schildert im TAGESSPIEGEL Christine Lemke-Matwey in ihrer Kritik zu Philipp Stölzls neuem Film „Nordwand“:
„Der Weltuntergang findet in den Ohren statt. Es schreit und heult und faucht und beißt sich mit heißkalten Zähnen in jedem Muskel, jeder Sehne, jeder Nervenfaser einzeln fest, es knallt und kracht, poltert, pfeift und prasselt (…), als würde die absehbare Totalerosion unserer schönen Alpenwelt nicht etwa in den nächsten Jahrzehnten (…) stattfinden, sondern in diesen zwei einsamen Höllennächten in der Eigernordwand Anno 1936.“
Aller rhetorische Alpinismus ändert allerdings nichts daran, dass TAGESSPIEGEL-Autorin Lemke-Matwey an Stölzls „Nordwand“ insgesamt „das Berggefühl“ vermisst. Mit Blick auf den historischen Überlebenskampf der Bergsteiger Toni Kurz und Andreas Hinterstoisser, gespielt von Benno Führmann und Florian Lukas, lästert Lemke-Matwey:
„Das haben Leni Riefenstahl und Arnold Fanck seinerzeit in der ‚Weißen Hölle vom Piz Palü‘ packender, unkitschiger, weniger lätschert ins Bild gebannt.“
Restlos anderer Meinung ist Peter Zander, der in der WELT lobt:
„'Nordwand‘ ist ein großer Film über die Menschlichkeit und Nächstenliebe. Das war nicht unbedingt zu erwarten in diesem Genre. Philipp Stölzl hat es kühn erweitert. Nun mögen die nächsten diesem Pfade folgen.“
Nur nebenbei sei angemerkt, dass die Formulierung „Nun mögen die nächsten diesem Pfade folgen“ eher klingt, als stamme sie aus einer zeitgenössischen Riefenstahl-Kritik als aus einer Zeitung vom 23. Oktober 2008.
Wir bleiben im Gebirge, nehmen es jetzt aber metaphorisch.
„Das ist der Gipfel“, heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, in der Jürgen Kaube am Dresdner Bildungsgipfel erwartungsgemäß – denn was könnte vor dem Dauernörgler Kaube schon bestehen? – kein Zipfelchen Gutes findet.
„Bildung muss Chefsache sein. Wir müssen in einer Bildungsrepublik leben. Einen Bildungsdialog führen. Bildung und Wissenschaft gebührt Vorfahrt. Bildungsnetzwerke müssen gebildet, ‚Häuser für kleine Forscher‘ gegründet werden. Und so weiter, eine endlose Abfolge von Phrasen niederschmetterndster Machart.“
Weil Jürgen Kaube den ganzen FAZ-Artikel so schön schlechtgelaunt in die Tastatur gekloppt hat, sei ihm die Nachfrage nach konstruktiven Vorschlägen erlassen. Zumal Bildungsbeschimpfung momentan zum guten Ton gehört.
In einer Polemik in der WELT behauptet der Soziologe Wolfgang Sofsky:
„Im Nebel einer illusionären Bildungsideologie wird Deutschland zur Erziehungsanstalt.“
Sofskys weitere Begründung:
„Die ‚Bildung durch Wissenschaft‘“ ist längst von der ‚Wissenschaft als Beruf‘ ersetzt worden. Immerzu redet man von Bildung und meint bestenfalls Berufsausbildung. In Schulen und Hochschulen, diesen unwirtlichen Orten freudloser Erziehungspflicht, wurde der Stoff so verdichtet, dass niemand mehr zu einem eigenen Gegenstand findet.“
Außerhalb der Bildungsanstalten sieht es offenbar besser aus. „Das Kapital kollabiert, ‚Das Kapital‘ floriert“, schreibt der TAGESSPIEGEL – wobei das erste „Kapital“ auf den Zaster der Banken und Börsen gemünzt ist, das zweite auf Marx’ Hauptwerk.
Dieses verkauft sich in der Ausgabe des Berliner Karl Dietz Verlag neuerdings wieder ziemlich gut, wie TAGESSPIEGEL-Autor Jens Mühling von Verlagschef Jörn Schütrumpf erfuhr:
„Arbeitslose Manager, die sich auf ihre Studieninhalte besinnen, sieht Schütrumpf nun ebenso zu Marx greifen wie die Generation der 20- bis 25-Jährigen, denen man von klein auf gesagt habe: ‚Wir brauchen euch nicht, seht zu, wie ihr klarkommt.‘“
Im RHEINISCHEN MERKUR empfiehlt die Bildungsforscherin Erika Schuchardt solchen Menschen den früh ertaubten Ludwig van Beethoven als Vorbild für positives Denken. Auf die Frage, ob die Finanzkrise auch eine Chance sei, antwortet Erika Schuchardt:
„Ja. Wir sehen jetzt wie eng unser Horizont war. Wir haben auf etwas gesetzt, das wie ein Schatz funkelte, aber keiner war.“
Abschließend ein Hinweis für Bildungsmuffel: „Seid umschlungen, Millionen“ aus der „Ode an die Freude“ ist keine Auskunft über Schillers Kontostand.
Was man hören kann, während man im Berg umkommt, das schildert im TAGESSPIEGEL Christine Lemke-Matwey in ihrer Kritik zu Philipp Stölzls neuem Film „Nordwand“:
„Der Weltuntergang findet in den Ohren statt. Es schreit und heult und faucht und beißt sich mit heißkalten Zähnen in jedem Muskel, jeder Sehne, jeder Nervenfaser einzeln fest, es knallt und kracht, poltert, pfeift und prasselt (…), als würde die absehbare Totalerosion unserer schönen Alpenwelt nicht etwa in den nächsten Jahrzehnten (…) stattfinden, sondern in diesen zwei einsamen Höllennächten in der Eigernordwand Anno 1936.“
Aller rhetorische Alpinismus ändert allerdings nichts daran, dass TAGESSPIEGEL-Autorin Lemke-Matwey an Stölzls „Nordwand“ insgesamt „das Berggefühl“ vermisst. Mit Blick auf den historischen Überlebenskampf der Bergsteiger Toni Kurz und Andreas Hinterstoisser, gespielt von Benno Führmann und Florian Lukas, lästert Lemke-Matwey:
„Das haben Leni Riefenstahl und Arnold Fanck seinerzeit in der ‚Weißen Hölle vom Piz Palü‘ packender, unkitschiger, weniger lätschert ins Bild gebannt.“
Restlos anderer Meinung ist Peter Zander, der in der WELT lobt:
„'Nordwand‘ ist ein großer Film über die Menschlichkeit und Nächstenliebe. Das war nicht unbedingt zu erwarten in diesem Genre. Philipp Stölzl hat es kühn erweitert. Nun mögen die nächsten diesem Pfade folgen.“
Nur nebenbei sei angemerkt, dass die Formulierung „Nun mögen die nächsten diesem Pfade folgen“ eher klingt, als stamme sie aus einer zeitgenössischen Riefenstahl-Kritik als aus einer Zeitung vom 23. Oktober 2008.
Wir bleiben im Gebirge, nehmen es jetzt aber metaphorisch.
„Das ist der Gipfel“, heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, in der Jürgen Kaube am Dresdner Bildungsgipfel erwartungsgemäß – denn was könnte vor dem Dauernörgler Kaube schon bestehen? – kein Zipfelchen Gutes findet.
„Bildung muss Chefsache sein. Wir müssen in einer Bildungsrepublik leben. Einen Bildungsdialog führen. Bildung und Wissenschaft gebührt Vorfahrt. Bildungsnetzwerke müssen gebildet, ‚Häuser für kleine Forscher‘ gegründet werden. Und so weiter, eine endlose Abfolge von Phrasen niederschmetterndster Machart.“
Weil Jürgen Kaube den ganzen FAZ-Artikel so schön schlechtgelaunt in die Tastatur gekloppt hat, sei ihm die Nachfrage nach konstruktiven Vorschlägen erlassen. Zumal Bildungsbeschimpfung momentan zum guten Ton gehört.
In einer Polemik in der WELT behauptet der Soziologe Wolfgang Sofsky:
„Im Nebel einer illusionären Bildungsideologie wird Deutschland zur Erziehungsanstalt.“
Sofskys weitere Begründung:
„Die ‚Bildung durch Wissenschaft‘“ ist längst von der ‚Wissenschaft als Beruf‘ ersetzt worden. Immerzu redet man von Bildung und meint bestenfalls Berufsausbildung. In Schulen und Hochschulen, diesen unwirtlichen Orten freudloser Erziehungspflicht, wurde der Stoff so verdichtet, dass niemand mehr zu einem eigenen Gegenstand findet.“
Außerhalb der Bildungsanstalten sieht es offenbar besser aus. „Das Kapital kollabiert, ‚Das Kapital‘ floriert“, schreibt der TAGESSPIEGEL – wobei das erste „Kapital“ auf den Zaster der Banken und Börsen gemünzt ist, das zweite auf Marx’ Hauptwerk.
Dieses verkauft sich in der Ausgabe des Berliner Karl Dietz Verlag neuerdings wieder ziemlich gut, wie TAGESSPIEGEL-Autor Jens Mühling von Verlagschef Jörn Schütrumpf erfuhr:
„Arbeitslose Manager, die sich auf ihre Studieninhalte besinnen, sieht Schütrumpf nun ebenso zu Marx greifen wie die Generation der 20- bis 25-Jährigen, denen man von klein auf gesagt habe: ‚Wir brauchen euch nicht, seht zu, wie ihr klarkommt.‘“
Im RHEINISCHEN MERKUR empfiehlt die Bildungsforscherin Erika Schuchardt solchen Menschen den früh ertaubten Ludwig van Beethoven als Vorbild für positives Denken. Auf die Frage, ob die Finanzkrise auch eine Chance sei, antwortet Erika Schuchardt:
„Ja. Wir sehen jetzt wie eng unser Horizont war. Wir haben auf etwas gesetzt, das wie ein Schatz funkelte, aber keiner war.“
Abschließend ein Hinweis für Bildungsmuffel: „Seid umschlungen, Millionen“ aus der „Ode an die Freude“ ist keine Auskunft über Schillers Kontostand.