Von Arno Orzessek
"Wie viel Ungleichheit verträgt die Demokratie?", fragt Bundespräsident Horst Köhler in der "Welt" angesichts der aktuellen Finanzkrise. "Die Empörung über das Kapital ist Heuchelei", schreibt die "FAZ". Laut "Süddeutscher Zeitung" ist die Ära der Vereinigten Staaten bereits vorbei.
"Rückwärts gewandte Propheten" hat einst Friedrich Schlegel die Historiker genannt. Dass sie auch in die Zukunft schauen könnten, davon schrieb er nichts.
Umso hellsichtiger erscheint es, dass die Verantwortlichen des Historikertages in Dresden bereits im letzten Jahr "Ungleichheiten" als Rahmenthema festgelegt haben.
Wie Sven-Felix Kellerhoff in der WELT berichtet, nahm Horst Köhler die Steilvorlage an und kam auf die aktuelle Finanzkrise zu sprechen. Der Bundespräsident reflektierte dabei auf das Gerechtigkeitsempfinden angesichts phantastischer Managergehälter und schrumpfender Mittelschichtseinkommen – vor allem, indem er grundsätzliche Fragen stellte.
"Wo hört der Unterschied auf und fängt die Ungleichheit an? Wo liegt die Balance zwischen Freiheit und Gleichheit? Wie viel Ungleichheit verträgt die Demokratie? Wie viel und welche Arten von Ungleichheit braucht sie?"
will Bundespräsident Horst Köhler laut der WELT wissen.
Einen sogenannten Meta-Diskurs über das allseitige Reden über die Finanzkrise startet hingegen Jürgen Kaube in der FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Auch Kaube stellt viele Fragen – anders als der staatstragende Bundespräsident orchestriert der FAZ-Autor allerdings höhnische Obertöne:
" Bedürfte es eines Krieges, um ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, dass Gewehre schießen können? Liegt der Erkenntnisgewinn einer Revolution in erster Linie darin, dass gar niemand allein regieren könne? Würde uns der Einsturz eines Staudamms vor allem über die Schwerkraft informieren? Oder wussten wir das alles nicht auch schon vorher? "
lästert FAZ-Autor Jürgen Kaube, dessen Motto lautet: " Die Empörung über das Kapital ist Heuchelei. "
Unsere Gegenfragen: Warum sollte die Empörung über töricht sich verspekulierende Investment-Banker und vor Habgier ausgerastete Wall-Street-Dealer denn Heuchelei sein? Sollte man dieser Gierhals-Branche in Zeiten der Krise nicht zumindest probehalber das Schicksal jener wünschen, die in Cents rechnen statt in Milliarden Dollar?
In der ZEIT beschreibt der USA-Kenner Michael Naumann die Abscheu, die amerikanische Kultureliten gegenüber ihrem Land und insonderheit gegenüber der Bush-Administration empfinden. Schriftsteller Richard Ford zum Beispiel würde im Fall eines Wahlsieges des Republikaners John McCain womöglich nach Kanada übersiedeln. Seine Frau Kristina, die ehemalige Oberstadtdirektorin von New Orleans, ist immer noch zornig angesichts des Versagens der Bush-Regierung nach der Flutkatastrophe infolge des Wirbelsturms Katrina.
Doch eine Eigenschaft, so meint ZEIT-Herausgeber Michael Naumann, wird auch der akute Niedergang nicht zerstören: den Glauben
" der politischen, wirtschaftlichen, der literarischen und juristischen Eliten […] an die Kraft der Selbsterneuerung des Landes aus dem Geist seiner Verfassung. "
Diese Fähigkeit, auf die eigene Kraft zu vertrauen, nennt Naumann " das gelöste Rätsel des amerikanischen Traums, " und er fährt fort:
" Mag die törichte Sarah Palin an die Gottgewolltheit einer Gaspipeline glauben, mag John McCain nicht genau wissen, wie viele Häuser er hat (auf alle Fälle sieben) – es gibt immer noch Dutzende Millionen anderer Amerikaner, die an die prinzipielle Vernunft ihrer Nation glauben, den Menschen so viel Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig zu gewährleisten, ohne die Grenzen der Verfassung zu überschreiten. "
Nur wird das alles ausreichen, um Amerika den zwiespältigen Nr.1-Status zu erhalten? Glaubt man dem britischen Ideengeschichtler John Gray, der als Gastautor den Feuilleton-Aufmacher der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt, ist die Ära der Vereinigten Staaten bereits vorbei. Der Irak-Krieg und das Platzen der Finanzblase hätten ihren Untergang endgültig besiegelt.
" Die USA werden noch eine Zeit lang die größte Wirtschaftsmacht der Welt sein "
schreibt John Gray in der SZ.
" Aber es werden die neuen, aufstrebenden Mächte [in Asien] sein, die nach der Krise all das aufkaufen, was im Trümmerhaufen des amerikanischen Finanzsystems noch intakt ist. "
Man beachte die Futur-Form, in der sich John Gray äußert. Können Historiker vielleicht doch in die Zukunft sehen? Die US-Regierung wird sich dieser Tage wünschen, dass es nicht so ist.
Umso hellsichtiger erscheint es, dass die Verantwortlichen des Historikertages in Dresden bereits im letzten Jahr "Ungleichheiten" als Rahmenthema festgelegt haben.
Wie Sven-Felix Kellerhoff in der WELT berichtet, nahm Horst Köhler die Steilvorlage an und kam auf die aktuelle Finanzkrise zu sprechen. Der Bundespräsident reflektierte dabei auf das Gerechtigkeitsempfinden angesichts phantastischer Managergehälter und schrumpfender Mittelschichtseinkommen – vor allem, indem er grundsätzliche Fragen stellte.
"Wo hört der Unterschied auf und fängt die Ungleichheit an? Wo liegt die Balance zwischen Freiheit und Gleichheit? Wie viel Ungleichheit verträgt die Demokratie? Wie viel und welche Arten von Ungleichheit braucht sie?"
will Bundespräsident Horst Köhler laut der WELT wissen.
Einen sogenannten Meta-Diskurs über das allseitige Reden über die Finanzkrise startet hingegen Jürgen Kaube in der FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Auch Kaube stellt viele Fragen – anders als der staatstragende Bundespräsident orchestriert der FAZ-Autor allerdings höhnische Obertöne:
" Bedürfte es eines Krieges, um ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, dass Gewehre schießen können? Liegt der Erkenntnisgewinn einer Revolution in erster Linie darin, dass gar niemand allein regieren könne? Würde uns der Einsturz eines Staudamms vor allem über die Schwerkraft informieren? Oder wussten wir das alles nicht auch schon vorher? "
lästert FAZ-Autor Jürgen Kaube, dessen Motto lautet: " Die Empörung über das Kapital ist Heuchelei. "
Unsere Gegenfragen: Warum sollte die Empörung über töricht sich verspekulierende Investment-Banker und vor Habgier ausgerastete Wall-Street-Dealer denn Heuchelei sein? Sollte man dieser Gierhals-Branche in Zeiten der Krise nicht zumindest probehalber das Schicksal jener wünschen, die in Cents rechnen statt in Milliarden Dollar?
In der ZEIT beschreibt der USA-Kenner Michael Naumann die Abscheu, die amerikanische Kultureliten gegenüber ihrem Land und insonderheit gegenüber der Bush-Administration empfinden. Schriftsteller Richard Ford zum Beispiel würde im Fall eines Wahlsieges des Republikaners John McCain womöglich nach Kanada übersiedeln. Seine Frau Kristina, die ehemalige Oberstadtdirektorin von New Orleans, ist immer noch zornig angesichts des Versagens der Bush-Regierung nach der Flutkatastrophe infolge des Wirbelsturms Katrina.
Doch eine Eigenschaft, so meint ZEIT-Herausgeber Michael Naumann, wird auch der akute Niedergang nicht zerstören: den Glauben
" der politischen, wirtschaftlichen, der literarischen und juristischen Eliten […] an die Kraft der Selbsterneuerung des Landes aus dem Geist seiner Verfassung. "
Diese Fähigkeit, auf die eigene Kraft zu vertrauen, nennt Naumann " das gelöste Rätsel des amerikanischen Traums, " und er fährt fort:
" Mag die törichte Sarah Palin an die Gottgewolltheit einer Gaspipeline glauben, mag John McCain nicht genau wissen, wie viele Häuser er hat (auf alle Fälle sieben) – es gibt immer noch Dutzende Millionen anderer Amerikaner, die an die prinzipielle Vernunft ihrer Nation glauben, den Menschen so viel Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig zu gewährleisten, ohne die Grenzen der Verfassung zu überschreiten. "
Nur wird das alles ausreichen, um Amerika den zwiespältigen Nr.1-Status zu erhalten? Glaubt man dem britischen Ideengeschichtler John Gray, der als Gastautor den Feuilleton-Aufmacher der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt, ist die Ära der Vereinigten Staaten bereits vorbei. Der Irak-Krieg und das Platzen der Finanzblase hätten ihren Untergang endgültig besiegelt.
" Die USA werden noch eine Zeit lang die größte Wirtschaftsmacht der Welt sein "
schreibt John Gray in der SZ.
" Aber es werden die neuen, aufstrebenden Mächte [in Asien] sein, die nach der Krise all das aufkaufen, was im Trümmerhaufen des amerikanischen Finanzsystems noch intakt ist. "
Man beachte die Futur-Form, in der sich John Gray äußert. Können Historiker vielleicht doch in die Zukunft sehen? Die US-Regierung wird sich dieser Tage wünschen, dass es nicht so ist.