Von Arno Orzessek
Die "NZZ" sieht die Akzeptanz von E-Books wachsen. Verleger Michael Krüger geht der Frage nach: "Was ist schweizerisch?" Und die neue RTL-Serie "Californication" wird von der "Süddeutschen" als "großartige, finstere Serie über Männer in den Vierzigern" angepriesen."
Am aktuellen Feuilleton der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ist wieder einmal die ausnehmende Gelassenheit zu bewundern – die wir hier nicht Coolness nennen. Denn es geht ja um die Zeitung, die vermutlich bis zum Ende aller Tage vom Modeslang der Jugend frei bleiben wird.
Jedenfalls bietet das NZZ-Feuilleton mindestens drei Themen an, die andere überregionale Zeitungen deutscher Sprache schon vor vielen, vielen, vielen Tagen abgearbeitet haben. So die Ausstellung "Hadrian. Empire and Conflict" im British Museum London, die unerwartete Ankündigung der Veröffentlichung von Vladimir Nabokovs letztem Roman-Manuskript "The Original of Laura: Dying is fun" und der zweite Anlauf des totgesagten E-Books vor allem in Gestalt des Kindle von Amazon.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG empfängt die neue E-Book-Generation nun außerordentlich freundlich, ohne einen Hauch von Technikfeindlichkeit.
"Erstaunen muss, wie beinahe übers Jahr sich die Einstellung gegenüber E-Books gewandelt hat [schreibt Joachim Güntner]. Nicht allein, dass die neuen Displays so viel augenfreundlicher, die Geräte handlicher, die Verwaltung der Inhalte simpler geworden ist. Offenkundig hat auch, bedingt durch unser Leben vor den Bildschirmen, die allgemeine Toleranz gegenüber der Lektüre langer digitaler Texte zugenommen."
Man höre diese Formulierung: "Unser Leben vor den Bildschirmen." In welcher Zeitung hätten solche einfachen Worte mehr Kraft und Würde als in der NZZ? Oder ist es schlicht das Schweizerische als solches, das so charmant nach Deutschland herüber klingt?
Hören wir auf Michael Krüger, den Leiter des Münchner Carl Hanser Verlags, der ausgerechnet in der aktuellen NZZ die Kolumne "Was ist schweizerisch?" schreibt.
"Der Inbegriff des Schweizerischen, des gediegenen, von keinem Selbstzweifel angenagten bürgerlichen Schweizertums ist für mich eine ältere Dame [so Michael Krüger]. Sie kleidet sich in gewähltes Hochdeutsch, und selbst wenn sie sich über die scheußlichen Seiten unserer Zivilisation auslässt, hört man ihr gerne zu."
Nun, man ahnt Krügers Pointe und liest Zeilen später: "Von wem ich spreche? Natürlich von der NZZ." Was verdeutlicht, dass man im Grunde keinen Unterschied zwischen der Zeitung und ihrem Herkunftsland machen muss. Man hält das eine mit dem anderen praktisch in der Hand.
Auch der große Max Frisch, der gebürtige Zürcher, hat übrigens in der NZZ geschrieben, zum ersten Mal im Mai 1931. Und nun berichtet diese Zeitung, dass Frischs New Yorker Poetikvorlesungen auf Deutsch erschienen sind, nämlich im Frankfurter Suhrkamp Verlag.
"Es ist, als redete Max Frisch aus dem Grab" jubelt Beatrice von Matt und erklärt die Wirkung, die ein unbekannter Frisch-Text 18 Jahre nach dessen Tod auslöst:
"[Es ist] elektrisierend und verblüffend. Da ertönt sie wieder, die scharfe Diktion, die einem im "Tagebuch 1966-1971", in "Montauk" und "Blaubart" in Ohr und Hirn gefahren ist. Das ist es wieder, das schneidende Denken, das Abrechnen, vor allem mit sich selber. Und dann im Gegenzug das: die bewegende Verteidigung der poetischen Existenz,"
so NZZ-Autorin Beatrice von Matt.
Und damit zurück in den deutschen Blätterwald, zu flacheren Themen, zur Flimmerkiste … und der neuen RTL2-Serie "Californication". Sie wird von Barbara Gärtner in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bereits in der Unterüberschrift als "großartige, finstere Serie über Männer in den Vierzigern" angepriesen. Da will man natürlich Genaueres wissen – und erfährt:
"[Es geht um] Männer, die mit ihren Sekretärinnen Fesselspielchen-und-Peitschen-Affären haben und den besten Freund zum Dreier mit der betrunkenen Bar-Eroberung überreden, damit diese Punkte in der Lebens-To-Do-Liste endlich abgehakt werden können. Männer, die seit der Pubertät darauf warten, dass da etwas passiert im Leben, das satt macht, und die Wünsche endlich aufhören zu pochen."
Diesen Männern kann geholfen werden. Sie sollten es Michael Krüger gleichtun, der "ohne müde geworden zu sein und stets frisch rasiert, seit dreißig Jahren" – nun, was wohl? – richtig! – der seit dreißig Jahren NZZ liest. Eine Leidenschaft, die offenbar ein Leben lang hält, und sogar länger.
"Man soll mir, wenn ich ins Grab sinke [schreibt Michael Krüger in der NZZ über die NZZ], das Exemplar vom Tage in die Grube hinterherwerfen."
Jedenfalls bietet das NZZ-Feuilleton mindestens drei Themen an, die andere überregionale Zeitungen deutscher Sprache schon vor vielen, vielen, vielen Tagen abgearbeitet haben. So die Ausstellung "Hadrian. Empire and Conflict" im British Museum London, die unerwartete Ankündigung der Veröffentlichung von Vladimir Nabokovs letztem Roman-Manuskript "The Original of Laura: Dying is fun" und der zweite Anlauf des totgesagten E-Books vor allem in Gestalt des Kindle von Amazon.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG empfängt die neue E-Book-Generation nun außerordentlich freundlich, ohne einen Hauch von Technikfeindlichkeit.
"Erstaunen muss, wie beinahe übers Jahr sich die Einstellung gegenüber E-Books gewandelt hat [schreibt Joachim Güntner]. Nicht allein, dass die neuen Displays so viel augenfreundlicher, die Geräte handlicher, die Verwaltung der Inhalte simpler geworden ist. Offenkundig hat auch, bedingt durch unser Leben vor den Bildschirmen, die allgemeine Toleranz gegenüber der Lektüre langer digitaler Texte zugenommen."
Man höre diese Formulierung: "Unser Leben vor den Bildschirmen." In welcher Zeitung hätten solche einfachen Worte mehr Kraft und Würde als in der NZZ? Oder ist es schlicht das Schweizerische als solches, das so charmant nach Deutschland herüber klingt?
Hören wir auf Michael Krüger, den Leiter des Münchner Carl Hanser Verlags, der ausgerechnet in der aktuellen NZZ die Kolumne "Was ist schweizerisch?" schreibt.
"Der Inbegriff des Schweizerischen, des gediegenen, von keinem Selbstzweifel angenagten bürgerlichen Schweizertums ist für mich eine ältere Dame [so Michael Krüger]. Sie kleidet sich in gewähltes Hochdeutsch, und selbst wenn sie sich über die scheußlichen Seiten unserer Zivilisation auslässt, hört man ihr gerne zu."
Nun, man ahnt Krügers Pointe und liest Zeilen später: "Von wem ich spreche? Natürlich von der NZZ." Was verdeutlicht, dass man im Grunde keinen Unterschied zwischen der Zeitung und ihrem Herkunftsland machen muss. Man hält das eine mit dem anderen praktisch in der Hand.
Auch der große Max Frisch, der gebürtige Zürcher, hat übrigens in der NZZ geschrieben, zum ersten Mal im Mai 1931. Und nun berichtet diese Zeitung, dass Frischs New Yorker Poetikvorlesungen auf Deutsch erschienen sind, nämlich im Frankfurter Suhrkamp Verlag.
"Es ist, als redete Max Frisch aus dem Grab" jubelt Beatrice von Matt und erklärt die Wirkung, die ein unbekannter Frisch-Text 18 Jahre nach dessen Tod auslöst:
"[Es ist] elektrisierend und verblüffend. Da ertönt sie wieder, die scharfe Diktion, die einem im "Tagebuch 1966-1971", in "Montauk" und "Blaubart" in Ohr und Hirn gefahren ist. Das ist es wieder, das schneidende Denken, das Abrechnen, vor allem mit sich selber. Und dann im Gegenzug das: die bewegende Verteidigung der poetischen Existenz,"
so NZZ-Autorin Beatrice von Matt.
Und damit zurück in den deutschen Blätterwald, zu flacheren Themen, zur Flimmerkiste … und der neuen RTL2-Serie "Californication". Sie wird von Barbara Gärtner in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bereits in der Unterüberschrift als "großartige, finstere Serie über Männer in den Vierzigern" angepriesen. Da will man natürlich Genaueres wissen – und erfährt:
"[Es geht um] Männer, die mit ihren Sekretärinnen Fesselspielchen-und-Peitschen-Affären haben und den besten Freund zum Dreier mit der betrunkenen Bar-Eroberung überreden, damit diese Punkte in der Lebens-To-Do-Liste endlich abgehakt werden können. Männer, die seit der Pubertät darauf warten, dass da etwas passiert im Leben, das satt macht, und die Wünsche endlich aufhören zu pochen."
Diesen Männern kann geholfen werden. Sie sollten es Michael Krüger gleichtun, der "ohne müde geworden zu sein und stets frisch rasiert, seit dreißig Jahren" – nun, was wohl? – richtig! – der seit dreißig Jahren NZZ liest. Eine Leidenschaft, die offenbar ein Leben lang hält, und sogar länger.
"Man soll mir, wenn ich ins Grab sinke [schreibt Michael Krüger in der NZZ über die NZZ], das Exemplar vom Tage in die Grube hinterherwerfen."