Von Arno Orzessek

Das neue Internationale Maritime Museum in Hamburg weist nach Ansicht der "Süddeutschen Zeitung" haarsträubende Konzeptionsmängel auf. Lob hingegen erhält Winston Churchills Band "Kreuzzug gegen das Reich der Mahdi", der nun auf Deutsch erschienen ist. Und in der "Welt" blickt Zafer Senocak auf das bevorstehende EM-Spiel Deutschland - Türkei.
Vorab ein Bekenntnis: Wir lieben das Meer und vor allem die Schiffe, die es seit Menschengedenken unermüdlich befahren.

Und deshalb hören wir mit Bedauern von den haarsträubenden Konzeptionsmängeln, die das neue Internationale Maritime Museum in Hamburg aufweist. Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG betont das Unerfreuliche.

"Was man dort […] faktisch lernen kann, ist, wer mit 196 Schiffen die meisten Versenkungserfolge in der Geschichte des U-Boot-Krieges vorzuweisen hat und wie toll die Kameradschaft auf einem deutschen Kriegschiff der Nazizeit war,"

rüffelt SZ-Autor Till Briegleb die Ausstellung, die aus der Sammlung des ehemaligen Springer-Vorstandsvorsitzenden Peter Tamm hervorgegangen ist und nun von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet wird.

Keine Kriegsverherrlichung kann dagegen die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in Winston Churchills "Kreuzzug gegen das Reich der Mahdi" feststellen – ein Werk, das im englischen Original weitaus lakonischer "The River War" heißt und, von Georg Brunhold übersetzt wie ediert, in der "Anderen Bibliothek" des Eichborn Verlags erscheint.

NZZ-Autor Cord Aschenbrenner ist insbesondere vom Kapitel "Nach dem Sieg" angetan:

"Mit bemerkenswerter darstellerischer Kraft schildert der junge Autor [Churchill] die mit verwundeten und gefallenen Feinden […] bedeckte Ebene bei Omdurman, über die er kurz zuvor mit den 21st Lancers galoppiert war. Sein Bericht über das Grauen des Schlachtfelds nach dem Gemetzel würde jedes Pazifismus-Lesebuch schmücken […]."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU bespricht der in der Nazi-Geschichte bestens bewanderte Historiker Hans Mommsen Klaus-Jürgen Müllers Biographie des "Generaloberst Ludwig Beck", also jenes Mannes, der Generalstabschef Adolf Hitlers war und gleichzeitig ein führender Kopf des Umsturz-Versuches vom 20. Juli.

Doch wer Näheres über die Machart von Müllers 800-Seiten-Buch erfahren will, braucht Mommsens Artikel nicht zu lesen – der berühmte Historiker erzählt ausschließlich Ludwig Becks Leben nach.

Selbiger Hans Mommsen hat auch das – von Franziska Augstein in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG als "vorzüglich" gelobte – Vorwort zu dem Werk "Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur" von Birgitt Morgenbrod und Stephanie Merkenich geschrieben.

"Was hat die Taifun-Katastrophe in Birma mit dem Dritten Reich zu tun, einmal davon abgesehen, dass die Regime beider Länder auf Menschenrechte nichts gaben respektive geben?"

fragt Augstein eingangs ihrer Besprechung und bleibt die Antwort natürlich nicht schuldig:

"Frei nach dem Spruch, man soll die Danaer fürchten, auch wenn sie Geschenke bringen, betrachten diktatorische Regime fremden Beistand oftmals als bedrohliche Infiltration. In der Tat war es keine Glanzleistung von Seiten der Vereinigten Staaten, dass sie ihre ersten Hilfsgüter für Birma ausgerechnet auf Kriegsschiffen herbeitransportieren wollten. […] Das paranoide birmesische Regime betrachtet auch staatlich ungebundene Hilfsorganisationen mit scheelem Blick, darunter das Rote Kreuz."

Im Übrigen findet Franziska Augstein das Buch über die braune Geschichte des Roten Kreuzes präzise, soweit es um die Dokumentation der Fakten geht. Sie bedauert jedoch, dass die beiden Autorinnen sich zu klaren Urteilen "kaum aufraffen" und vermutet, soviel Schüchternheit habe mit dem Geldgeber des Forschungsprojektes zu tun – eben dem Roten Kreuz selbst.

Womit wir von Krieg und mörderischen Diktaturen ablassen und endlich das deutsch-türkische Fußballduell ins Auge fassen, das integrationspolitisch überhöht wird, bevor auch nur der erste Schuss abgefeuert wurde. Eine Ausnahme davon findet man in der WELT. Der in Ankara geborene Autor Zafer Senocak verzichtet auf wohlfeile Versöhnungsutopien aus dem Geist des runden Plastiks und liefert stattdessen reinste Fußball-Religionsphilosophie.

"Der Fußballgott ist […] sehr mohammedanisch. Er ist gnadenlos. Ein Gerechtigkeitsfanatiker. Er herrscht über unsere Ängste und lässt Hochmut ebenso stolpern wie den Drang nach Selbstsucht. Am Ende kommt oft das schiere Unrecht heraus. So wie im echten Leben. Das ist Fußball,"

behauptet Zafer Senocak in der WELT.

Und damit: Allen Hörern ein torreiches Spiel!