Von Arno Orzessek

Auf den ZDF-Film "Der Tod meiner Schwester" haben sich gleich mehrere Feuilletons eingeschossen: "Vorhersehbar" und "langweilig" findet ihn die "Welt". Von der Bedienung naivster Klischee, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Ähnlich hämische Kommentare ersangen sich die "No Angels" mit ihrem Auftritt beim Eurovision Song Contest.
Wer Verrisse schätzt, für den ist der Wochenanfang praktisch schon gerettet. In der WELT lästert André Mielke über die "Karawane gen Süden emigrierter Teutonen-Amazonen". Angesprochen ist damit der Trend zum Afrika-Kitsch im hiesigen Fernsehen, wie er sich aktuell in "Der Tod meiner Schwester" mit Desirée Nosbusch und Bernadette Heerwagen darbietet.

"Der Film ist absolut gleichbleibend vorhersehbar und langweilig. Die einzig spannende Frage ist, was das ZDF bewogen haben könnte, mit solch einer Produktion den renommierten Montagabend-Sendeplatz zu schänden","
motzt Mielke über den Pseudo-Thriller, der in Kapstadt spielt, und stellt verdrossen die plotpolitische Gretchenfrage:

""Hätte man das nicht auch in Wattenscheid drehen können?"

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG geht Eva Marz unter der bittersüßen Überschrift "Nicht ohne ihre Handtasche" auf denselben Film los:

"Man kennt diesen Typus reißerischer TV-Story, in der eine unbedarfte deutsche Heldin, ein Rotkäppchen, durch ein mit zweifelhaften dunkelhäutigen Gestalten bevölkertes Entwicklungsland geschickt wird und dort mutig ihren Auftrag verfolgt, obwohl sie Vergewaltigung, Frauengefängnis und Irrenanstalt erfahren muss."

Eva Marz’ höhnisches Fazit:

"Der Film bedient die naivsten Klischees, die man sich denken kann."

Da wir gerade bei televisionärer Flachware mit weiblichen Hauptrollen sind, hier auch der Kommentar von SZ-Medienredakteur Hans Hoff zum Auftritt der "No Angels" beim Eurovision Song Contest am Samstagabend:

"[Sie] präsentierten sich wie eine aufgescheuchte Herde beschwipster Hausfrauen, die im Harmoniegesang meist so klangen, als wollten sie verrostete Garagentore imitieren."

Doch auch Männer bekommen ihr Fett weg. Im TAGESSPIEGEL krittelt Gerrit Bartels über ein Konzert der "Einstürzenden Neubauten": "Viel Theater […], viel sachtes Geklöppel, viel Werbung in eigener Sache", und watscht drei Seiten weiter das Treffen von Gero von Boehm und Peter Handke in 3sat ab:

"Das ist wenig überraschend, das wirkt in seiner Inszenierung von Intimität extrem aufgesetzt, ja, selbst die begleitenden R.E.M-Songs […] klingen greinender als ohnehin."

Den größten rhetorischen Abscheu-Aufwand des Tages treibt zweifellos der SZ-Autor Malte Dahlgrün, der "ein elendes Handbuch über interkulturelle Kommunikation" bespricht:

"Es bleibt ein Rätsel, weshalb jemand ein Buch kaufen wollen sollte, das Beiträge wie 'Interkulturelle Theologie', 'Familienrecht', 'Interkulturelle Kompetenz im E-Learning', 'Interkulturelle Romanistik', 'Jugendaustausch' oder 'Marketing' versammelt […] – ganz zu schweigen von Beiträgen wie 'Ethnopsychoanalyse und Tiefenhermeneutik'."

Oha, das klingt echt abschreckend, stimmen wir zu. Die aufgerufenen 130 Euro würden auch wir für das Werk aus dem Metzeler Verlag nicht gern anlegen. Andererseits: Dass so ein mieses Ding in der SZ über weit mehr als 250 Zeilen verunglimpft werden muss, leuchtet nicht restlos ein.

Und wo bleibt im Montags-Feuilleton das Schöne?

Es ist den Kritikern in der Berliner Waldbühne begegnet, wohin Claudio Abbado, Simon Rattle und Maurizio Pollini nach dem Philharmonie-Brand ausgewichen sind, um Tausenden unter freiem Himmel Musik von Hector Berlioz und Ludwig van Beethoven zu geben.

Stellvertretend für die Begeisterten vieler Zeitungen sei Manuel Brug aus der WELT zitiert:

"Als Maurizio Pollini die Klavieranfangstakte gespielt hatte, sangen die Vögel, versank links von der im Gegenlicht fast verschwimmenden Bühne die Sonne hinter sanft im Wind sich wiegenden Bäumen, schallte von fern die S-Bahn-Ansage, klapperten Bierflaschen und zog ein Sportflieger seine Kreise: heiterste Freiluftatmosphäre, in die sich fein die Wiener Klassikklänge mischten."

"Ja!", schließen wir. Das sind die Berliner Vibrationen! Und das Feuilleton spürt jede einzelne davon auf, um sie wie ein Resonanzkörper allen Landen hörbar zu machen.