Von André Hatting

"Die Welt" porträtiert den vor 50 Jahren verstorbenen Raymond Chandler als "Schriftsteller der Weltwirtschaftskrise". Die "FAZ" analysiert den Einfluss der Krise auf die Literatur. In der "SZ" geben die Reporter ohne Grenzen ihrer Befürchtung Ausdruck, dass sich der wirtschaftliche Druck negativ auf Presse- und Meinungsfreiheit auswirken könne.
"Ja, ich bin wie die Gestalten in meinen Büchern. Ich bin ein ruppiger Bursche und bekannt dafür, dass ich ein Croissant mit bloßen Händen zerbreche."

Raymond Chandler hatte Humor. Und er hatte Stil. In dem Schöpfer des Detektivs Philip Marlowe einen Autor zu sehen, der "nur" Krimis geschrieben hat, war aber leider das Los des vor 50 Jahren verstorbenen US-Amerikaners. Deshalb fühlte er sich ein Leben lang unterschätzt. Daran erinnert der RHEINISCHE MERKUR in seinem Porträt. Zum Alkoholiker wurde Chandler deswegen allerdings nicht. Er trank schon, als er noch nicht schrieb. Er hatte den Tod seiner Frau nicht verkraftet. Im Alter von 45 Jahren griff er neben der Flasche auch zur Feder. Vorbild war Ernest Hemingway.

"Die einzigen, denen in Chandlers Augen etwas Ähnliches gelang wie Hemingway", beschreibt Uwe Wittstock in der Zeitung DIE WELT Chandlers literarische Motivation, "waren die Autoren von billigen Heftchen-Krimis." Wittstock sieht in Chandler den "Schriftsteller der Weltwirtschaftskrise". Das ist eine originelle Rubrizierung: Der aufrechte Privatdetektiv Marlowe als anständiger amerikanischer Bürger, der noch in der großen Depression nicht geldgeil seine Klienten ausbeutet, sondern immer genau das Honorar abrechnet, von dem er glaubt, dass es moralisch vertretbar sei. "Besonders glaubwürdig war diese Figur nie", räumt Uwe Wittstock ein.

"Dass Chandler es dennoch gelang, sie Millionen von Lesern als realistisches Bild eines knallharten Kerls mit guter Seele zu verkaufen, ist letztlich seiner stilistischen Perfektion zu verdanken."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beschäftigt sich am Donnerstag mit der aktuellen Weltwirtschaftskrise. Und den Büchern, die darauf irgendwie reagieren. "Kranke, wohin man schaut", lautet der Befund Felicitas von Lovenbergs. Egal ob in den USA oder hierzulande, überall fallen die Protagonisten auf die eine oder andere Weise dem Wahnsinn anheim. Oder erleiden sonst wie psychisches Ungemach.

"Die alten Deutungen, die Krankheit vorrangig als Metapher sehen, als Heimsuchung oder Bewährungsprobe, greifen nicht mehr…"

…erklärt von Lovenberg die neue Qualität des alten Themas Krankheit.

"Nicht einmal zur Identitätskrise taugt sie noch. Krankheit ist Fakt, Normalität und muss nicht mehr überhöht werden. Wenn überhaupt, dann wird hier eine andere Fahne geschwenkt, eine mit den Aufschriften: Pause. Auszeit. Lasst mich in Ruhe."

Die Weltwirtschaftskrise bekommen auch die ganz reichen Länder zu spüren. Im arabischen Emirat Sharjah findet sie sogar ihren künstlerischen Niederschlag - auf der Biennale, wie der Wochenzeitung DIE ZEIT zu entnehmen ist. Zum Beispiel in der Arbeit aus Spanplatten, Karton und Stadtkarten einer 23-jährigen Künstlerin aus Dubai:

"In der Installation sind jene Gebiete des Emirats als erhöhte Plateaus dargestellt, erklärt sie, deren Böden noch unbebaut sind. Und vielleicht auch noch eine Weile unbebaut bleiben. Denn genauso schnell, wie in den vergangenen Jahren aus der ganzen Welt das Geld nach Dubai floss […], genauso schnell ist jetzt das Geld im Sand versickert."

Eine weitere Folge der Wirtschaftskrise nennt Astrid Frohloff, Vorstandssprecherin der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen. Im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mahnt Frohloff:

"Wir haben durchaus die Befürchtung, dass sich wirtschaftlicher Druck negativ auf Presse- und Meinungsfreiheit auswirkt."

Weit vor der Wirtschaftskrise haben einige Staaten damit begonnen, das Internet als "Medium der Überwachung" zu missbrauchen. Auch darüber ist in dem SZ-Interview zu lesen. Während in Deutschland Politiker und Datenschützer noch über das Ausmaß staatlicher Online-Kontrolle streiten, hat China längst Fakten geschaffen. Anlässlich der Olympischen Spiele erfuhr die halbe Welt davon, dass die Führung in Peking ganze Internetseiten sperren lässt. Nur wie genau sie das macht, war weniger bekannt. Reporter ohne Grenzen kennt die Details:

"China hat eine Behörde mit beinahe 40 000 Mitarbeitern eingerichtet","

berichtet Astrid Frohloff.

""Die tun nichts anderes, als Internetseiten zu überwachen, sie zu sperren oder Internetzeitungen zu verbieten."