Von André Hatting

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit der Komödie „Mein Führer“ von Dany Levi, mit der Hinrichtung des früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein und mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Die erste Woche des neuen Jahres beginnt mit einer Diskussion über einen Film, der noch gar nicht in den Kinos ist. Erst am Donnerstag startet "Mein Führer" von Dany Levi. Eine Komödie mit Helge Schneider in der Hauptrolle. Der Kabarettist und Sänger spielt Adolf Hitler. Kaum eine Frage bewegte in der vergangenen Woche die deutschen Feuilletons mehr, als die, ob ein Massenmörder zum Lachen sei. Harald Martenstein hält in der Wochenzeitung DIE ZEIT lapidar fest, Hitler habe sich längst in eine Popfigur verwandelt.

"Hitler ist in dem Film der einzige Charakter mit Tiefgang","

resümiert Martenstein in der ZEIT. Das überrascht. Für Helge Schneider als Hitler in der Badewanne oder beim Sex mit Eva Braun hätte man nicht unbedingt das Prädikat Tiefgang erwartet. Strenger das Verdikt im TAGESSPIEGEL:

""Grotesker ist schon lange kein Film mehr an seiner Intention vorbeigegangen."

Jan Schulz-Ojalas Urteil ist eindeutig. Was die Intention des Filmes ist, erfahren wir auch im TAGESSPIEGEL. Vom Regisseur. Das Kranke und Widersprüchliche an Adolf Hitler, das sei komisch, findet Dany Levi. Unterstützung erhält er vom Landesrabbiner Schleswig-Holsteins. Der äußert in der TAZ die Vermutung, "dass sich Deutschland nur heilen könne, wenn Deutsche wirklich über diesen Mann lachen können." Peter Zander fordert dagegen in der WELT, "das Resultat hätte viel böser, abgründiger, schamloser ausfallen müssen."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG erinnert Claudius Seidl daran, dass Dany Levi ursprünglich einen ganz anderen Film drehen wollte: Aus der Perspektive Adolf Hitlers statt aus der des Juden Adolf Grünbaum. Das Testpublikum habe das aber nicht einleuchtend gefunden und Levy darum den gesamten Film überarbeitet. Claudius Seidl fragt sich, ob Levy mit dieser Aktion wirklich das Schlimmste verhindert habe

"oder ob es dieser nachträgliche Perspektivenwechsel war, der das Projekt so aus der Balance brachte, dass man jetzt im Kino sitzt, und nach einer Stunde schaut man auf die Uhr und hofft, dass der Film endlich mal zum Thema kommen – oder aber sehr bald zu Ende sein möge. Dabei dauert ‚Mein Führer’ nur anderthalb Stunden."

Nicht nur Adolf Hitler beschäftigte das Feuilleton. Auch der Diktator Saddam Hussein füllte die Kulturseiten. Dessen Hinrichtung nahm die SÜDDEUTSCHE am Dienstag zum Anlass, über den Sinn der Todesstrafe nachzudenken. Burkhard Müller glaubt, dass die Todesstrafe zwar einerseits offiziell abgelehnt, andererseits aber durchaus gebilligt werde. Grund dafür sei, dass alle Strafe in Vergeltung wurzle. Willi Winkler, ebenfalls in der SÜDDEUTSCHEN, betrachtet die Exekution Saddam Husseins weniger kulturhistorisch als politisch: Im Irak seien längst mehr tote Amerikaner zu beklagen als nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

"Saddam Hussein sollte für die ungeheure Kränkung, dass die USA diesen Angriff wehrlos erlebten, mit dem Leben büßen. Er hatte mit diesen Anschlägen nichts zu tun, aber er gab den besseren Schurken ab als jener unsichtbare Guerillaführer, der sich einfach nicht aus den afghanischen Bergen herausbomben lässt."

Der TAGESSPIEGEL hat den marokkanischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun eingeladen, sich über die Hinrichtung des ehemaligen irakischen Präsidenten Gedanken zu machen. Der sieht eine unrühmliche Parallele zum im Dezember verstorbenen chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Unrühmlich, ja geradezu erschreckend, sei die Rolle der Justiz in beiden Fällen. Sie versage regelmäßig, wenn es um die rechtmäßige Verurteilung von Tyrannen gehe, schreibt Ben Jelloun.
Das amüsanteste Interview der Woche war in der WELT zu lesen. Dort durfte Theaterregisseur Peter Stein von seinem neuen Großprojekt "Wallenstein" erzählen. Das tat er auch. Am Ende des Gespräches. Zunächst aber pöbelte der Wahl-Italiener übellaunig gegen die deutsche Theaterszene. Das hiesige Regietheater sei "Schwachsinn", sagte der 69-jährige,

"Gedankenfürze von diesen relativ dummen Leuten, die sich zurzeit Regisseure nennen. Bekanntlich sind Theaterleute – das ist das Entsetzliche – nicht fürchterlich intelligent."

Ganz anders natürlich die Journalisten. Zumindest wenn sie beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL arbeiten. Das steht für investigativen Journalismus. So das Selbstverständnis des Hamburger Blattes. Dessen sechzigsten Geburtstag nahmen die Kollegen zum Anlass, dieses Selbstverständnis zu prüfen. Klaus Harpprecht nennt den SPIEGEL in der SZ ein "Riesenspielzeug" des ehemaligen Herausgebers Rudolf Augstein. Eine "Institution" sei das Magazin sowieso. Beides klingt nur beim flüchtigen Lesen nach großem Lob. In der ZEIT sieht Manfred Bissinger den SPIEGEL-Verlag als eine "Trutzburg gegen Heuschreckenschwärme, Sparattacken und Trallala." Gerade im Fall von "Trallala" hat diese Trutzburg über die Jahre leider einiges an Wehrhaftigkeit eingebüßt.

Zum Schluss ein Blick voraus. 2007 soll das "Jahr der Geisteswissenschaften" werden. So wünscht es sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Der Romanist Hans Ulrich Gumbrecht nimmt das in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG zum Anlass, zehn Beobachtungen über die Geisteswissenschaften anzustellen. Gumbrecht kommt in seinen lesenswerten Gedanken zu dem Schluss, dass das Bundesministerium mit seinem "Jahr der Geisteswissenschaften" leider den "ganz absurden" Eindruck erwecke, dass

"wir unsere Kultur, unser geistiges Leben und vielleicht sogar unsere Sprachen den Geisteswissenschaften verdanken."

Dabei gehe es doch darum

"endlich einmal selbst zu betonen, dass Kultur, Sprache und Kunst ohne die Geisteswissenschaften gewiss weiterexistieren werden. (…) Dafür freigestellt zu sein, die Welt komplexer scheinen zu lassen, ist ein Erbe und ein Privileg, zu dessen Übernahme sich neue Generationen hoffentlich entschließen werden."