Von André Hatting
Der so genannte "Höhepunkt des Filmjahres", die Oscar-Verleihung erhält in den Feuilletons das vernichtende Urteil eines "stinklangweiligen Showspektakels" und im Zuge der Diskussion um die Qualität von Filmproduktionen berichten die "Süddeutsche", der "Tagesspiegel" und die "Stuttgarter Zeitung" über die deutschen TV-Historiendramen der letzten Monate. Außerdem wird in den Feuilletons der Zustand der Akademie der Künste diskutiert.
Der Höhepunkt des Filmjahres – wie immer filmreif inszeniert in der großen glamourös-pompösen Oscar-Nacht.
Der Höhepunkt des Filmjahres – ein stinklangweiliges Showspektakel, das die große Krise Hollywoods offenbart. So das mehrheitliche Echo in den Feuilletons.
Die amerikanische Filmindustrie sei "ratlos, wie es überhaupt weitergehen soll", meint der TAGESSPIEGEL. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht das Problem auch darin, dass massentaugliche Blockbuster nicht mehr so einfach hergestellt werden können, weil es "die massentauglichen Gemeinsamkeiten, die sie gern hätten, gar nicht mehr gibt."
Was, so die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, leider nur das "gepflegte Mittelmaß" begünstige. Weshalb auch der große Favorit, "Brokeback Mountain" von Ang Lee, am Ende nicht das Rennen als bester Film machen durfte, glaubt wiederum die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Und die TAGESZEITUNG bemerkt selbstkritisch:
"Dass wir nicht mehr so häufig ins Kino gehen, liegt auch am riesigen Werbegetrommel, das um jeden mittelmäßigen Film mit Starbesetzung veranstaltet wird – von den 'Oscars' bis zum Feuilleton"
Nur die Zeitung DIE WELT kann der großen Oscar-Show etwas abgewinnen. Wo die übrigen Feuilletons eine öde Preisvergabe nach dem Gießkannenprinzip sehen, freut sich Hanns-Georg Rodek in der WELT über die "kollektive Weisheit" der Oscar-Jury.
Ein kollektives Trauma dagegen war in der vergangenen Woche im deutschen Fernsehen zu erleben. Die Bombardierung der Stadt Dresden durch die britische Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg hat Nico Hofmann verfilmt. Das ZDF strahlte den Zweiteiler aus. Über 30 Prozent der Zuschauer wollten ihn sehen.
Nicht erst der große Erfolg dieses Historiendramas, sondern auch die Werke "Sturmflut" und "Luftbrücke" lassen das Feuilleton diskutieren. Setzen diese Mischungen aus Fiktion, Herz-Schmerz und Fakt neue Maßstäbe im Qualitätsfernsehen?
Neue Maßstäbe ja, schreibt der Filmemacher Oliver Storz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, aber nicht in Sachen Qualität. Der vierfache Grimme-Preisträger registriert vielmehr:
"Auch das öffentlich-rechtlich verfasste Medium ist einer offenbar unwiderstehlichen Veräußerungs- und Trivialisierungstendenz unterworfen."
Etwas anders sieht es ein Kollege von Oliver Storz, der Regisseur Dieter Wedel. Ihn habe "ganz besonders gefreut", vertraut dem TAGESSPIEGEL an, "dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen den Mut hatte zum großen Event und zur großen Produktion."
Von den Historiendramen der letzten Monate sei "Dresden" von Nico Hofmann das beste. Begründung:
"Bei der 'Sturmflut' war das Melodramatische oft so schlecht gespielt, dass es manchmal richtig komisch wirkte. Bei der 'Luftbrücke' hatte ich zum Beispiel den Eindruck, dass gar nicht so viele Flugzeuge gleichzeitig in der Luft sein können, wie ich da fliegen sah."
Angesichts der schieren Zahl von Nico-Hofmann-Produktionen im deutschen Fernsehen hält die STUTTGARTER ZEITUNG ehrfürchtig inne.
Nico Hofmann ist "nicht mehr derjenige, der seine Vorstellungen gegen viel Unglauben durchfechten muss, sondern einer, der nach Kräften kopiert wird. Es geht also nur noch um die Frage, wer uns Alternativen zu den Zeitgeschichtsdramen à la Hofmann liefert", schreibt die STUTTGARTER ZEITUNG
Hofmanns Erzählungen sind tatsächlich momentan alternativlos. Vielleicht beschreibt diese Tatsache das ganze Drama.
Ein Drama ist zurzeit auch der Zustand der Akademie der Künste: Umstrittener Neubau, zurückgetretener Präsident, keine Programmatik. Am Freitag traf Kulturstaatsminister Bernd Neumann Mitglieder der Akademie im Bundeskanzleramt. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, man wolle einen Neuanfang. Auch der Regisseur Volker Schlöndorff hat die Erklärung unterschrieben.
"Die von der Bundesregierung erneut formulierte Erwartung, die Akademie solle sich gesellschaftspolitisch engagieren, ist ein großes Missverständnis", sagt Schlöndorff dem TAGESSPIEGEL. Und ergänzt:
"Es ist nicht Aufgabe der Akademie, Stellungnahmen zu diesem oder jenem abzugeben. Die Akademie als solche hat keine Meinung."
Umso deutlicher die Meinung von Christina Tilmann, ebenfalls im TAGESSPIEGEL. Sie ärgert sich über den Entwurf für die Gedenkstätte "Topographie des Terrors" in Berlin. Lauter ungelöste Probleme sieht die Autorin in dem Projekt.
"An die hässliche NS-Nutzungsgeschichte des Prinz-Albrecht-Palais erinnern nur noch Küchen und Zellentrakte. Nichts mehr zu sehen ist auch von der Nachkriegsgeschichte des Verdrängens und Vergessens an diesem Ort."
Die Wochenzeitung DIE ZEIT überrascht mit einem Schwerpunkt zur "neuen Bürgerlichkeit". Das Thema erscheint uns zwar ein wenig spät erkannt, aber:
So, wie uns die hanseatische ZEIT die neue Bürgerlichkeit vorstellt, macht das gar nichts. Dem kulturhistorischen Essay Jens Jessens stellt DIE ZEIT eine lustige Typologie neuer Bürger zur Seite:
"Der Innerliche" zum Beispiel oder "der Manierliche" und der "Buddenbroker". Das Beste am Bürger-Dossier in der ZEIT ist der "Fünf-Minuten-Eignungstest für die schöne neue Bürgerwelt". Der heißt wirklich so. Kostprobe:
"Wie viel Prozent Ihres Einkommens stiften Sie für wohltätige Zwecke?"
Höchste Punktzahl gibt diese Antwort:
"Mit solchen Fragen wenden Sie sich bitte an den Geschäftsführer unserer Familienstiftung."
Zum Schluss gratulieren wir zwei Großen. Janosch und der Apothekenumschau. Der eine wird 75 Jahre alt. Die andere 50. Der eine zählt zu den beliebtesten Kinderbuchautoren. Die andere ist die meistgelesene Zeitschrift Deutschlands. Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch und – Gesundheit!
Der Höhepunkt des Filmjahres – ein stinklangweiliges Showspektakel, das die große Krise Hollywoods offenbart. So das mehrheitliche Echo in den Feuilletons.
Die amerikanische Filmindustrie sei "ratlos, wie es überhaupt weitergehen soll", meint der TAGESSPIEGEL. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht das Problem auch darin, dass massentaugliche Blockbuster nicht mehr so einfach hergestellt werden können, weil es "die massentauglichen Gemeinsamkeiten, die sie gern hätten, gar nicht mehr gibt."
Was, so die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, leider nur das "gepflegte Mittelmaß" begünstige. Weshalb auch der große Favorit, "Brokeback Mountain" von Ang Lee, am Ende nicht das Rennen als bester Film machen durfte, glaubt wiederum die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Und die TAGESZEITUNG bemerkt selbstkritisch:
"Dass wir nicht mehr so häufig ins Kino gehen, liegt auch am riesigen Werbegetrommel, das um jeden mittelmäßigen Film mit Starbesetzung veranstaltet wird – von den 'Oscars' bis zum Feuilleton"
Nur die Zeitung DIE WELT kann der großen Oscar-Show etwas abgewinnen. Wo die übrigen Feuilletons eine öde Preisvergabe nach dem Gießkannenprinzip sehen, freut sich Hanns-Georg Rodek in der WELT über die "kollektive Weisheit" der Oscar-Jury.
Ein kollektives Trauma dagegen war in der vergangenen Woche im deutschen Fernsehen zu erleben. Die Bombardierung der Stadt Dresden durch die britische Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg hat Nico Hofmann verfilmt. Das ZDF strahlte den Zweiteiler aus. Über 30 Prozent der Zuschauer wollten ihn sehen.
Nicht erst der große Erfolg dieses Historiendramas, sondern auch die Werke "Sturmflut" und "Luftbrücke" lassen das Feuilleton diskutieren. Setzen diese Mischungen aus Fiktion, Herz-Schmerz und Fakt neue Maßstäbe im Qualitätsfernsehen?
Neue Maßstäbe ja, schreibt der Filmemacher Oliver Storz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, aber nicht in Sachen Qualität. Der vierfache Grimme-Preisträger registriert vielmehr:
"Auch das öffentlich-rechtlich verfasste Medium ist einer offenbar unwiderstehlichen Veräußerungs- und Trivialisierungstendenz unterworfen."
Etwas anders sieht es ein Kollege von Oliver Storz, der Regisseur Dieter Wedel. Ihn habe "ganz besonders gefreut", vertraut dem TAGESSPIEGEL an, "dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen den Mut hatte zum großen Event und zur großen Produktion."
Von den Historiendramen der letzten Monate sei "Dresden" von Nico Hofmann das beste. Begründung:
"Bei der 'Sturmflut' war das Melodramatische oft so schlecht gespielt, dass es manchmal richtig komisch wirkte. Bei der 'Luftbrücke' hatte ich zum Beispiel den Eindruck, dass gar nicht so viele Flugzeuge gleichzeitig in der Luft sein können, wie ich da fliegen sah."
Angesichts der schieren Zahl von Nico-Hofmann-Produktionen im deutschen Fernsehen hält die STUTTGARTER ZEITUNG ehrfürchtig inne.
Nico Hofmann ist "nicht mehr derjenige, der seine Vorstellungen gegen viel Unglauben durchfechten muss, sondern einer, der nach Kräften kopiert wird. Es geht also nur noch um die Frage, wer uns Alternativen zu den Zeitgeschichtsdramen à la Hofmann liefert", schreibt die STUTTGARTER ZEITUNG
Hofmanns Erzählungen sind tatsächlich momentan alternativlos. Vielleicht beschreibt diese Tatsache das ganze Drama.
Ein Drama ist zurzeit auch der Zustand der Akademie der Künste: Umstrittener Neubau, zurückgetretener Präsident, keine Programmatik. Am Freitag traf Kulturstaatsminister Bernd Neumann Mitglieder der Akademie im Bundeskanzleramt. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, man wolle einen Neuanfang. Auch der Regisseur Volker Schlöndorff hat die Erklärung unterschrieben.
"Die von der Bundesregierung erneut formulierte Erwartung, die Akademie solle sich gesellschaftspolitisch engagieren, ist ein großes Missverständnis", sagt Schlöndorff dem TAGESSPIEGEL. Und ergänzt:
"Es ist nicht Aufgabe der Akademie, Stellungnahmen zu diesem oder jenem abzugeben. Die Akademie als solche hat keine Meinung."
Umso deutlicher die Meinung von Christina Tilmann, ebenfalls im TAGESSPIEGEL. Sie ärgert sich über den Entwurf für die Gedenkstätte "Topographie des Terrors" in Berlin. Lauter ungelöste Probleme sieht die Autorin in dem Projekt.
"An die hässliche NS-Nutzungsgeschichte des Prinz-Albrecht-Palais erinnern nur noch Küchen und Zellentrakte. Nichts mehr zu sehen ist auch von der Nachkriegsgeschichte des Verdrängens und Vergessens an diesem Ort."
Die Wochenzeitung DIE ZEIT überrascht mit einem Schwerpunkt zur "neuen Bürgerlichkeit". Das Thema erscheint uns zwar ein wenig spät erkannt, aber:
So, wie uns die hanseatische ZEIT die neue Bürgerlichkeit vorstellt, macht das gar nichts. Dem kulturhistorischen Essay Jens Jessens stellt DIE ZEIT eine lustige Typologie neuer Bürger zur Seite:
"Der Innerliche" zum Beispiel oder "der Manierliche" und der "Buddenbroker". Das Beste am Bürger-Dossier in der ZEIT ist der "Fünf-Minuten-Eignungstest für die schöne neue Bürgerwelt". Der heißt wirklich so. Kostprobe:
"Wie viel Prozent Ihres Einkommens stiften Sie für wohltätige Zwecke?"
Höchste Punktzahl gibt diese Antwort:
"Mit solchen Fragen wenden Sie sich bitte an den Geschäftsführer unserer Familienstiftung."
Zum Schluss gratulieren wir zwei Großen. Janosch und der Apothekenumschau. Der eine wird 75 Jahre alt. Die andere 50. Der eine zählt zu den beliebtesten Kinderbuchautoren. Die andere ist die meistgelesene Zeitschrift Deutschlands. Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch und – Gesundheit!