Von Adelheid Wedel
Die beiden Topthemen in den Feuilletons sind der Rücktritt des Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, Adolf Muschg, und der Prozessauftakt gegen den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk wegen "Beleidigung des Türkentums".
Der Rücktritt des Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, Adolf Muschg, kam überraschend. Im Mai 2006 wäre seine Amtszeit offiziell beendet worden, nun gibt er vorzeitig auf. Das ist Anlass für die Feuilletonseiten, diesen Entschluss ausführlich zu kommentieren. Dabei wird nicht übersehen, dass die Akademie seit ihrem Umzug ins aufwändig rekonstruierte Gebäude am Pariser Platz in einer Krise steckt. "Auch das geistige Klima ist schlecht", beschreibt Rüdiger Schaper im TAGESSPIEGEL den allgemeinen Zustand des Hauses, es wirke verschlafen und orientierungslos.
Muschg hat nun offenbar die Konsequenzen daraus gezogen, dass er die Akademiemitglieder nicht für eine Strukturreform gewinnen kann. Es habe "Gerüchte über Querelen und Machtkämpfe innerhalb der Akademie" gegeben, weiß Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dabei habe sie doch gerade nach dem Umzug einem gewachsenen Legitimationsdruck standzuhalten gehabt, den Müller so beschreibt:
"Sie muss in ihrer täglichen Arbeit beweisen, dass sie eine Institution von nationalem Rang und nationaler Ausstrahlung ist und dort, wo sie es nicht ist, werden will."
Eine neue Satzung sollte dies möglich machen, aber genau an dieser Satzung hat sich nun der Streit entfacht. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG lässt Heinrich Wefing kein gutes Haar an der Akademie, wenn er schreibt:
"Die Akademie des Jahres 2005 ist ein immobiles, uninspiriertes, tief gespaltenes Haus, von dem für die Stadt, geschweige denn für die Republik, seit langem keine Reize mehr ausgehen."
Wefing mahnt "den Willen zur Zukunft" an und das vor allem von den Direktoren und Vizedirektoren der sechs Kunst-Sektionen, den wie er sie nennt "Gralshütern der Stagnation". Während Rüdiger Schaper im Tagesspiegel den Rücktritt von Adolf Muschg als halbherzig bezeichnet, da er weiterhin Mitglied in der Sektion Literatur bleibe, sieht Lothar Müller in der SZ darin eine Chance:
"Es wird Zeit, dass die Berliner Akademie das Tal der Querelen durchschreitet und wieder als Kulturinstitution von sich reden macht. Der Rücktritt von Adolf Muschg bietet die Chance dazu, gerade, weil er das letzte Porzellan zerschlägt."
An diesem Freitag beginnt in Istanbul der Strafprozess gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk. Der TAGESSPIEGEL beschreibt noch einmal, wie es zur Anklage kam. Pamuk hatte in einem Schweizer Magazin geäußert, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier getötet worden. Die Türkei spricht von einer kriegsbedingten Tragödie; die Anklage gegen Pamuk heißt: Beleidigung des Türkentums. In Wahrheit reicht der Fall über diese Aussage hinaus, es geht um das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Türkei, ein Recht, das nachdrücklich als Voraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft betont wird.
In der BERLINER ZEITUNG lesen wir, dass "die EU das Verfahren als Testfall für die Meinungsfreiheit im Bewerberland Türkei betrachtet". Aus diesem Grund wird dem Prozess international so viel Bedeutung beigemessen, die EU schickt eine Beobachterdelegation. Wie aber steht es auch in Deutschland mit dem Recht auf Wahrheit. Sabine Vogel macht in der BZ darauf aufmerksam, dass im Februar diesen Jahres auf diplomatischen Druck aus der Türkei kurzfristig das Kapitel über den Massenmord an den Armeniern aus dem Brandenburgischen Geschichtslehrplan für die 9. und 10. Klassen getilgt worden ist. Und sie hat auch recherchiert, dass Pamuk mit der Gerichtssache "Meinungsdelikt" nicht allein ist.
"Nach einer Zählung der internationalen Schriftstellervereinigung Pen sind derzeit rund 60 türkische Autoren, Publizisten und Verleger davon betroffen."
Im Allgemeinen geht man aber nicht davon aus, dass Pamuk ins Gefängnis muss, sogar der türkische Außenminister habe sich dahingehend geäußert. Pamuk aber hat inzwischen eine neue Provokation gelandet. Er nannte das türkische Militär ein potenzielles Hindernis für Demokratisierungen. Prompt folgte die Anklage, deren Verhandlung für den 23. Dezember anberaumt ist.
Muschg hat nun offenbar die Konsequenzen daraus gezogen, dass er die Akademiemitglieder nicht für eine Strukturreform gewinnen kann. Es habe "Gerüchte über Querelen und Machtkämpfe innerhalb der Akademie" gegeben, weiß Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dabei habe sie doch gerade nach dem Umzug einem gewachsenen Legitimationsdruck standzuhalten gehabt, den Müller so beschreibt:
"Sie muss in ihrer täglichen Arbeit beweisen, dass sie eine Institution von nationalem Rang und nationaler Ausstrahlung ist und dort, wo sie es nicht ist, werden will."
Eine neue Satzung sollte dies möglich machen, aber genau an dieser Satzung hat sich nun der Streit entfacht. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG lässt Heinrich Wefing kein gutes Haar an der Akademie, wenn er schreibt:
"Die Akademie des Jahres 2005 ist ein immobiles, uninspiriertes, tief gespaltenes Haus, von dem für die Stadt, geschweige denn für die Republik, seit langem keine Reize mehr ausgehen."
Wefing mahnt "den Willen zur Zukunft" an und das vor allem von den Direktoren und Vizedirektoren der sechs Kunst-Sektionen, den wie er sie nennt "Gralshütern der Stagnation". Während Rüdiger Schaper im Tagesspiegel den Rücktritt von Adolf Muschg als halbherzig bezeichnet, da er weiterhin Mitglied in der Sektion Literatur bleibe, sieht Lothar Müller in der SZ darin eine Chance:
"Es wird Zeit, dass die Berliner Akademie das Tal der Querelen durchschreitet und wieder als Kulturinstitution von sich reden macht. Der Rücktritt von Adolf Muschg bietet die Chance dazu, gerade, weil er das letzte Porzellan zerschlägt."
An diesem Freitag beginnt in Istanbul der Strafprozess gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk. Der TAGESSPIEGEL beschreibt noch einmal, wie es zur Anklage kam. Pamuk hatte in einem Schweizer Magazin geäußert, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier getötet worden. Die Türkei spricht von einer kriegsbedingten Tragödie; die Anklage gegen Pamuk heißt: Beleidigung des Türkentums. In Wahrheit reicht der Fall über diese Aussage hinaus, es geht um das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Türkei, ein Recht, das nachdrücklich als Voraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft betont wird.
In der BERLINER ZEITUNG lesen wir, dass "die EU das Verfahren als Testfall für die Meinungsfreiheit im Bewerberland Türkei betrachtet". Aus diesem Grund wird dem Prozess international so viel Bedeutung beigemessen, die EU schickt eine Beobachterdelegation. Wie aber steht es auch in Deutschland mit dem Recht auf Wahrheit. Sabine Vogel macht in der BZ darauf aufmerksam, dass im Februar diesen Jahres auf diplomatischen Druck aus der Türkei kurzfristig das Kapitel über den Massenmord an den Armeniern aus dem Brandenburgischen Geschichtslehrplan für die 9. und 10. Klassen getilgt worden ist. Und sie hat auch recherchiert, dass Pamuk mit der Gerichtssache "Meinungsdelikt" nicht allein ist.
"Nach einer Zählung der internationalen Schriftstellervereinigung Pen sind derzeit rund 60 türkische Autoren, Publizisten und Verleger davon betroffen."
Im Allgemeinen geht man aber nicht davon aus, dass Pamuk ins Gefängnis muss, sogar der türkische Außenminister habe sich dahingehend geäußert. Pamuk aber hat inzwischen eine neue Provokation gelandet. Er nannte das türkische Militär ein potenzielles Hindernis für Demokratisierungen. Prompt folgte die Anklage, deren Verhandlung für den 23. Dezember anberaumt ist.