Von Adelheid Wedel

Die Feuilletons befassen sich unter anderem mit den Fragen, welche Bedeutung ein Regierungswechsel für die Kulturpolitik haben würde und wie Angela Merkels Kulturbegriff aussieht.
Angela Merkel und die Kultur - das ist in künftigen Wahlkampfzeiten ein nicht zu unterschätzendes Thema. DIE SÜDDEUTSCHE ZEITUNG macht sich Sorgen um den Posten des Kulturstaatsministers - der ist eine rot-grüne Erfindung - und um die Bundeskulturstiftung. "Keiner weiß bisher, was die CDU mit ihr vorhat", schreibt die Süddeutsche. Die Zeitung zitiert aus einem Leitartikel von Angela Merkel in "politik und kultur", der durch "Allgemeinheit" besteche. Dort heißt es, "Kultur sei wichtig für die Identität der Deutschen und bedürfe der Pflege". Dazu sei laut Merkel der föderale Bundesstaat da: "Regionen und Kommunen müssen gestärkt, die Bürgergesellschaft revitalisiert, der Stellenwert der kulturellen Bildung erhöht und die europäische Dimension von Kunst und Kultur deutlicher gemacht werden." Die Zeitung schreibt, Merkel setze Akzente: "Sie nimmt Kultur in den Dienst, verpflichtet sie auf Patriotismus, Markt und Reformen." Ein seltsam verkürztes Aufgabenspektrum, das die Süddeutsche noch weiter verknappt: "Angela Merkel hofft, dass die Künstler uns fit machen für nationale Kraftanstrengungen."

Im TAGESSPIEGEL meldet sich Martin Walser zum Wahlkampf zu Wort. Seiner Meinung nach wird der umso erbitterter geführt, je mehr die beiden Parteien das Gleiche wollen. "Vielleicht stellen wir im Herbst, peinlich berührt, fest, Personen ausgetauscht, Krise geht weiter," lautet seine Prognose.

Zu den Plänen und Möglichkeiten seiner künftigen Arbeit befragt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG den neuen Intendanten am Schauspielhaus Hamburg Friedrich Schirmer. "Ich habe für jedes meiner bisherigen Theater einen eigenen Weg gesucht und auch gefunden", sagt Schirmer selbstbewusst. Als seine Vision offeriert er: "Die Sehnsucht nach dem absoluten Wahrheitsmoment, in dem die theatralische Gegenwart mich beim Zuschauen packt, mich häutet und ich das Theater verändert, verwandelt wieder verlasse." Die Premiere von Frank Castorfs "Schuld und Sühne" - ein zweites Theaterthema in den Feuilletons am Freitag. Verhalten lobend wird die Inszenierung im Theater an der Wien im TASGESSPIEGEL und der WELT beschrieben. Die größte Verwunderung bei den Kritikern lösen diesmal weder die Deftigkeit der Szenen noch die allgegenwärtigen Videoinstallationen aus, sondern ganz banal: Die Dauer des Stückes - sechseinviertel Stunden! "Leiden für die Kunst" nennt das Ulrich Weinzierl in der WELT.

Über ein weniger bekanntes Kapitel der Literaturgeschichte informiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Im Oktober 1941 ist unter Beteiligung von Deutschland und 14 anderen Staaten in Weimar die Europäische Schriftsteller-Vereinigung gegründet worden. Die Reichskulturkammer wollte diese Vereinigung als Instrument zur Gleichschaltung der europäischen Literatur nutzen." Der Freiburger Romanist Frank-Rutger Hausmann hat die Geschichte der Vereinigung, die 1948 von der sowjetischen Militärverwaltung aufgelöst wurde, recherchiert und publiziert. "Sein Buch ist eine Fundgrube verbandstechnischer und biografischer Informationen, " urteilt die SZ. Ein anderes Buch wird auf derselben Literaturseite aus München als völlig überflüssig bezeichnet. Sein Titel: Warum die deutschsprachige Literatur besser ist als ihr Ruf, von Thomas Kraft. Burkhard Müller zeigt die Mängel des Buches auf und schließt mit dem Bedauern: "Krafts ärgerliches Nicht-Buch hat fühlbar gemacht, wie sehr jenes Buch, das er versprochen hat, fehlt."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG porträtiert in einem Interview den Dokumentarfilmer Georg Stefan Troller, der kürzlich mit dem Theodor Kramer Preis für Schreiben im Exil ausgezeichnet wurde. 1921 in Wien geboren, floh er 1938 vor den Nazis durch ganz Europa. Heute blickt er auf ein reiches Schaffen als Filmemacher zurück. Auf die Frage, was würden Sie anders machen, könnten Sie noch einmal anfangen, antwortet Troller: "Ungefähr 50 Prozent. Aber nicht alles. Bei Schiller gibt es ein schönes Wort, ich glaube, im Don Carlos, sinngemäß: Er soll die Dummheiten seiner Kindheit nicht verachten. Das, was du wirst, rührt her von den jugendlichen Besessenheiten, die jeder für total idiotisch hält: Gedichte schreiben, lesen, Illusionen haben, sich was erträumen. Ich kann es noch jetzt."